10393715_785166931518493_5896429438337828494_n

Schwierig, wenn man einen mehrteiligen Artikel beginnt. „Jogger vs. Läufer – Teil I„, vor Unzeiten verfasst, setzt mich schwer unter Druck, die heitere Serie fortzuführen. Drei Typen von laufenden Menschen will ich klassifizieren, leider hab ich schon vergessen, welche drei ich da glaube, unterscheiden zu können. Nach dem „Hobby-Jogger“ soll es jetzt um einen Typen gehen, der sich vermutlich für einen Läufer hält:

Teil 2: Der Pseudo-Läufer

… ist eigentlich Jogger. Technisch allerdings ist er dermaßen hochgerüstet, dass es für ihn gar nicht mehr erwähnenswert ist, dass er ein Läufer ist. Weit gefehlt, Sportsmann! Ich habe erst vor Kurzem von einer App erfahren, die den Lauf natürlich in allen möglichen Formen aufzeichnet, um dann am Ende tatsächlich dem Nutzer mitteilen zu können, wie hoch sein Flüssigkeitsbedarf ist. Keinesfalls will ich da jemanden zu nahe treten, aber keine App der Welt kennt irgendjemandes Flüssigkeitsbedarf nach sportlicher Betätigung! Was geschieht, wenn ich mehr trinke, als die App mir nahelegt? Ist das dann mein Ende?! Vermutlich wird da mit statistischen Werten gearbeitet, die aber individuell keinerlei Relevanz haben (können!). Hier wird versucht, Software mit sinnlosen Funktionen zu überladen, damit sie gekauft wird. Dasselbe gilt für die maximale Herzfrequenz, die nicht wenige kluger Laufliteratur entnehmen, die ebenfalls mit Durchschnittswerten arbeitet. Und danach richtet der Pseudo-Läufer sein Training aus und meint plötzlich auch zu wissen, wann er seine anaerobe Schwelle erreicht hat. Es bleibt letztlich jedem selbst überlassen, aber alles was zu technisch wird, lenkt vom eigentlichen, dem Laufen, ab. Eine Erektion bekommt man auch auf anderem Wege.

Nun laufe ich nicht mit einer App, weil ich ganz einfach mein Handy nicht mitnehmen will. Allerdings laufe ich mit einer TomTom-Sportuhr mit GPS, die mir unter anderem Tempo und Geschwindigkeit liefert – und: die Laufstrecke mitzeichnet und mir nachher am Rechner anzeigt. Auf diese Weise kann ich gleichwertige Läufe miteinander vergleichen. Die Uhr, die TomTom vermutlich darüber informiert, wo ich mich so bewege, informiert mich überdies auch über meinen Kalorienverbrauch. Und natürlich ist auch das Quatsch, denn die Uhr kann meinen Verbrauch gar nicht kennen. Auch hier wieder: statistische Durchschnittswerte, die mit dem Einzelnen nichts zu tun haben. Außerdem laufen nur Jogger, um abzunehmen. Durch Laufen nimmt man kaum ab.

Der Pseudo-Läufer ist ein Jogger, der sich für einen Läufer hält, weil er das Unterfangen der Fortbewegung ausgesprochen ernst nimmt. Alles wird gemessen und zuhause ausgewertet, um dann falsche Schlüsse zu ziehen. Und fortan wird gefachsimpelt über Laktatwerte und Ko. Ich selber bin mal einige Monate mit einem Pulsmesser gelaufen. Was änderte das für mich? Ich blickte zwischendurch auf meine Pulsuhr, sah meinen Puls und lief weiter. Immerhin habe ich eine Ahnung davon, dass ich einen sehr hohen Maximalpuls habe, was bei manch einem die Alarmglocken schrillen lässt, was aber ebenfalls Unsinn ist: Es entscheidet der Ruhepuls. Wer gut trainiert, hat einen sehr niedrigen, meiner liegt im Schnitt bei 46. Nicht unwichtig ist allerdings, dass der Puls sich von seinem Maximun zügig wieder erholt; das macht letztlich die Kondition aus.

Der Läufer hat die Phase des technischen Hochrüstens bereits hinter sich. Vielleicht hat er auch wie ich mehrere Lauf-Magazine im Abo gehabt, um festzustellen, dass diese sich, weil sie sonst nichts zu publizieren hätten, alle zwölf Ausgaben widersprechen und es mit der Trennung von redaktionellen und werbenden Inhalten nicht ganz so ernst nehmen, was der Tod von Journalismus ist (bei diesen Magazinen sollte man allerdings auch keine journalistischen Ansprüche anlegen). Das für mich prägenste Beispiel ist das Hochloben der Schuh-Innenstützen vor rund zehn Jahren, während später zu lesen war, wie viele Gelenke die Innenstütze ruiniert hat. Auf sowas fallen nur Jogger rein, der Läufer kann nur müde lächeln und hat sich die hier an den Tag gelegte Arroganz vollumfänglich verdient.

Was ich letztlich so schade finde, ist das Missverstehen des Laufens, geht es doch dabei genau darum, eine sehr unkomplizierte Sportart auszuüben, die sogar Ball-Legastheniker (politisch nicht korrekt, aber es liest niemand) wie ich ausüben können. Kost‘ kaum Geld, man braucht keinen Trainer (wenn man, was für alles hier gilt, vom Hochleistungsläufer einmal absieht) und kann es jederzeit unabhängig von irgend etwas tun. Ich panzere mich doch nicht mit Gerätschaften, die dem Lauf das Idyllische nehmen. Ich binde mir doch keine Messgeräte sonst wohin, um nachher irgendwelche Zahlenkolonnen auszuwerten; das raubt der Sache den Spaß. Steigt der Puls zu hoch, merke ich das selber. Regnet es, merke ich es selber. Verliere ich Flüssigkeit, trinke ich nachher. Dabei fällt mir die Zwei-Liter-Regel ein. Soviel solle man am Tag trinken. Keiner kennt den Flüssigkeitsbedarf meines Körpers. Ich trinke, wenn ich Durst habe und komme allein wegen des Laufens auf weit mehr als zwei Liter am Tag. Und natürlich darf Kaffee mitgerechnet werden. Das sind da so die von Laufzeitschriften verbreiteten Mythen, die sie selber irgendwann widerrufen. Jüngst wurde die Zwei-Liter-Regel widerlegt.

Hier entsteht jetzt der Eindruck, ich wisse alles besser. Ich staune selber! Aber letztlich sind es eigene Erfahrungswerte aus 13 Jahren des Laufens, in denen ich auch alles ausprobiert habe. Auch ich habe mich mal nach dem Laufen täglich gedehnt. Was für ein kolossaler Unsinn, dem ich da aufsaß! Dehnen schadet mitunter sogar, denn Laufen ist kein Kraftsport. Der Jogger ist derjenige, der zwischendurch an Parkbänken halt macht, um deren Sitzflächen für furiose Verrenkungen zu missbrauchen. Jogger sind im Übrigen auch die, die an einer roten Ampel partout nicht stillstehen können, sondern auf der Stelle weiterhüpfen. Ich stelle mich gerne daneben, um sie auszulachen. Freunde, geht’s noch?! Ich schreibe mich in Rage, bin aber heute ohnehin sehr aggressiv.

Kürzlich kamen mir zwei Läufer entgegen, die sich darüber unterhielten, wie viel Sinn es ergibt (macht!), sich für fünf Kilometer überhaupt die Schuhe anzuziehen. Sie tönte, dafür würde sie erst gar nicht vor die Tür gehen. Pure Angeberei natürlich, denn wer mal fünf Kilometer mit beinahe Sprinttempo zurückgelegt hat, weiß, es lohnt sich auf jeden Fall. Aber das kann man einem Jogger natürlich nicht verständlich machen, der zwei-, dreimal die Woche „laufen“ geht. Daran erkennt man übrigens auch einen Jogger; am „zwei- dreimal“.

Fühlt sich irgendwer beleidigt? Dann bitte Kommentare! Derweil kehre ich in mich und überlege, welchen dritten Typ des laufenden Menschen ich noch einordnen wollte. Ihr werdet davon erfahren!

Obiges Bild entstammt den „Westfälischen Nachrichten“ aus dem Jahr 2005. Ich nehme mir heraus, das Urheberrecht hier mit den Füßen zu treten, denn mich hatte damals auch keiner gefragt, ob ich in dem Kontext mit Graffitis fotografiert werden möchte. Eine Nachbarin meiner Eltern fragte diese damals: „Hat der Sebastian was mit diesen Schmierereien zu tun?“ Damit nicht, aber mit dem Fersenlauf, den man auf dem Bild sehr deutlich sieht. Schwerer Fehler!