BAHN(Hauptbahnhof Münster mit Straßenbahnen)

Zwar sind bis Mitte Juni weitere GDL-Streiks zunächst ausgeschlossen, doch über die zurückliegende Aufregung um Streik No. 9 kann und konnte ich nur schmunzeln. Bei allem Verständnis für Pendler, die wirklich ein ernstes Problem hatten, muss ich auf meine Heimatstadt Münster verweisen, in der das Vorhaben des Personentransports per  Straßenbahn ein im Grunde hoffnungsloses Unterfangen ist. Wer überdies glaubt, die Bahn sei nur verhalten pünktlich, der hat noch nie in Münster an einer Haltestelle gewartet. Zwar fahren dort nur drei Linien (die blaue, die rote und die gelbe), dennoch wird der angestrebte Zwölf-Minuten-Takt im Grunde nie verwirklicht. Vielmehr muss man den Eindruck bekommen, dass die Bahnen unabhängig jeglicher Planungen eintreffen. Der Münsteraner kennt das natürlich und stellt sich darauf ein: Muss er wirklich einen Termin einhalten, nimmt er den Bus, denn der ist einigermaßen verlässlich. Überhaupt hat er der Bahn in Münster schon lange den Rang abgelaufen. Will der Münsteraner dagegen spontan irgendwo hin, dann geht er ebenso spontan zur Haltestelle und wartet geduldig auf die Straßenbahn.

Sollte ich einen typischen Münsteraner vertreten, ist es mit der Geduld aber nicht weit her. Ich bin nicht einmal mit der Straßenbahn dort gefahren, weil schon meine Eltern mir eingetrichtert hatten, sie komme ja doch nicht. Und so ist es auch. Hintergrund – und so komme ich zum Bahnstreik zurück – ist ein Streik der Stadtwerke Münster, die neben den Bussen auch die Bahnen betreiben. Gegen diesen Streik sind diese popeligen GDL-Streiks, die ja nach ein paar Tagen gegessen sind, nichts. Dieser Streik dauert seit 1954 an.

Man sagt den Münsteranern ja nach, sie seien humorlos. Ich lasse das unwidersprochen, da ich es besser weiß und seit sieben Jahren auch realisiert habe, was man im Rheinland unter „Humor“ versteht. Da vergeht einem das Lachen tatsächlich. Vielleicht sind viele Münsteraner auch einfach Rückkehrer, denen der Humor auswärts verlitten worden ist. Ich werde ich etwa 30 Jahren darüber berichten. Aber diesen seit 61 Jahren währenden Streik nehmen sie – was bleibt auch anderes übrig – durchaus mit Humor. So besuchte auch ich im vergangenen Sommer das „Münster City Streikfest 2014“ zum sechzigjährigen Streikbestehen. Vier Tage hat die Festivität gedauert und als besonderen Service haben allen Ernstes die Stadtwerke Münster Streikbrecher engagiert, damit zumindest während des „Streikfestes“ die Straßenbahn fährt. Nicht wenige kamen sich zurecht, wie ich finde , verarscht vor und boykottierten die Straßenbahn.

Die Stadtwerke haben inzwischen kein Interesse mehr an einer Einigung mit der Gewerkschaft. Der Grund leuchtet mir sogar ein. Denn man muss kein Mathematiker sein, um folgende Rechnung zu verstehen: Wer 1954 mit sagen wir mal 25 Jahren in den Streik eintritt, ist heute 86 Jahre alt. Will man den wieder ans Steuer einer Straßenbahn lassen?! Auf der anderen Seite sind die Forderungen nach zwei Prozent mehr Lohn auf das Lohnniveau von 1954 eigentlich eine recht günstige Angelegenheit. Ist den Stadtwerken nicht bewusst, dass sie billiger ihre drei farbigen Linien gar nicht betreiben könnten?! Da müsste es doch einen Kompromiss geben. Und genau der bahnte sich vor einigen Jahren an.

Die Stadtwerke preschten Mitte 2010 mit dem Plan vor, dass die gealterten Fahrer wieder ins Fahrerhäuschen steigen dürfen (bei 1,5 Prozent mehr Lohn, mindestens aber 20 Euro). Aber: nur in Begleitung eines Zivildienstleistenden. Und es wäre fast dazu gekommen, hätte unsere damalige Regierung nicht den Zivildienst mehr oder weniger abgeschafft.

Vielleicht ist Münster auch deshalb die fahrradfreundlichste Stadt aller Multiversen. Und nur die Münsteraner sind so geübt im Radfahren, dass sie zu den wenigen gehören, die, selbst wenn sie wollten, mit ihrem Vorderrad nicht in Gleisen hängen bleiben.