wpid-2015-06-29-08.58.21.jpg.jpeg

„Ich habe etwas bei dir ‚durchgeblättert‘ und wollte anmerken, dass deine Seite wirklich interessant ist, aber du schreibst sehr lange Sätze“,

schrieb mir jemand und ich stelle dazu fest, dass das Schaf unglücklich rückwärts auf mich zugelaufen war und es für den Betrachter so ausgesehen haben muss, als ob … nein, falsche Stellungnahme, ich stelle dazu fest, dass ich kurze Sätze ablehne und sie lediglich durch Kommata und nicht durch Punkte voneinander abgrenze, sodass sie eben sehr lang wirken, was ich durchaus schon des Öfteren gehört habe und ich nehme mir vor, ab sofort nur noch sehr kurze Sätze zu benutzen, weil die Lesbarkeit meiner Texte ja echt ’ne Katastrophe ist.

Bin ich eigentlich ein Rebell, wenn ich die Sonntagszeitung montags lese? Nein, ich habe das Konzept Zeitung einfach nur verstanden und es wäre mir ansonsten obiger Artikel-Ausschnitt entgangen, der Jean-Claude Junckers Vorliebe für Körperkontakt und einen gewissen Humor zum Gegenstand hat.

Ich kenne rund zwei Menschen, die wahnsinnig auf Berührung stehen, was im Grunde völlig in Ordnung ist. Den einen allerdings mag ich nicht, ich lehne ihn brutal ab und habe auch seit Jahren keinen Kontakt mehr zu ihm. Unvergessen bleibt mir mit ihm eine hier nur kurz angerissene Szene, in der er mich in den Arm nahm und sowas sagte wie „Ich als dein Freund will dir das nur im Guten sagen …“ Er sagte mir im Guten etwas für mich sehr Ungutes, befördete sich dabei zu meinem Freund und drückte mich zu allem Überfluss und -druss. Das waren drei ausgesprochen unangenehme Dinge komprimiert in einem Vorgang. Heute lache ich darüber, damals lief mir ein Schauer über den Rücken.

Bei der zweiten Person ist die Berührung absolut in Ordnung, denn es kommt selbstredend immer darauf an, wer da einen plötzlich herzt. Ich selber bin unangenehm groß im Verteilen von Stirnküssen. Das geht über das normale Umarmen schon hinaus, aber ich betone, dass man sich meinen Stirnkuss verdient haben und sich danach nicht schmutzig fühlen muss. Es trifft Menschen, die ich offenbar sehr schätze. Angesichts dieser Angelegenheit sollte ich mich nicht über Umarmungen beklagen. Doch gelegentlich fühle ich mich danach beschmutzt und verspüre den Drang, mich unendlich waschen zu müssen. Meine intime Zone, ich schrieb es schon mal, hat einen weiten Radius.

Ich bin mehr der Handgeber. Vor zwei Wochen etwa allerdings gab ich jemandem die Hand, der an sich eine Umarmung zur Begrüßung verdient hätte. Nur stand ich vor der Frage, ob die vor mir stehende Person wirklich die war, von der ich annahm, dass sie es war. Denn bislang hatte ich sie nur betrunken kennen gelernt, sodass mein Erinnerungsvermögen leicht getrübt war. War sie es nicht, sondern eine Erstkennenlernung, wäre eine Umarmung völlig deplácé gewesen. Das Reichen der Hand hingegen wäre auch in dem Fall, dass die Person wirklich die Bekannte war, völlig unverfänglich, höchstens etwas übertrieben distanziert. Es stellte sich schnell heraus, dass es sich um die bereits bekannte Person gehandelt hatte, die nun denken musste, ich wäre etwas verklemmt. Er ist nur schüchtern. Ich reichte die Umarmung in Form eines Stirnkusses später des Abends nach.

Dieser nahm seinen feuchtfröhlichen Fortgang und so traf ich auf ein Mädel, dass exakt so aussah, wie eine Kandidatin aus „Germany’s next Topmodel“ vor einigen Jahren. Das sind so Dinge, die gehen mir nicht nur durch den Kopf, sie verlassen ihn auch und so sagte ich zu ihr, auch um das Eis zu brechen: „Du siehst aus wie eine Kandidatin aus ‚Germany’s next Topmdel‘.“ Ja, das wisse sie bereits, da ich es ihr schon vor einem halben Jahr gesagt habe. Ui, schwieeeerig. Offenbar kein Erstkontakt. Kann mich nicht erinnern. Wie reagieren?! Ich entscheide mich für die ehrliche Variante und gebe zu, ein Narr zu sein. Und erfrage, worüber wir noch so gesprochen hatten. Am Ende des Abends waren wir dann auf dem Stand des ersten Zusammentreffens wieder angelangt. Da ich mich jetzt noch daran erinnere, werde ich sie zumindest nicht ein zweites Mal vergessen und sie beim nächsten Treffen möglicherweise mit einem feuchten Stirnkuss beglücken.

Werde ich nicht, denn der Stirnkuss ist die höchste Stufe meiner Zuneigung. Wobei nein, die höchste Stufe meiner Zuneigung lässt sich im Schlafzimmer beobachten. Es ist also die zweithöchste Stufe mit einem praktischen Nutzen: Die ein oder andere, die sich durch mein Umfeld schläft, nein, schlägt, begrüßt mich gerne mit einem oder zwei Wangenküssen. Das ist bei mir eine äußerst schwierige Angelegenheit. Zum einen weiß ich nie, wie oft die Prozedur durchzuführen ist, zum anderen frisiere ich jeden Morgen meinen Bart unter Zuhilfenahme von Pomade, die den Bart in einer Stellung fixiert, in die ich ihn gebracht habe. Und nun kommt da aus heiterstem Himmel eine weibliche Wange auf mich zugeschnellt und drückt sich in meinen Bart. Nicht nur, dass er damit in eine Schieflage gerät, Teile der fettigen Pomade kleben nun auch an der Fremdwange. Damit die Fremdwangenträgerin nicht befürchten muss, das sei mein Körperfett, das ihr nun an der Wange klebt, muss ich jedes Mal erklären, dass es sich um Pomade handele, um dann noch den Begriff „Pomade“ zu erklären. Heiter wird’s immer, wenn ich stattdessen von „Bartwichse“ spreche, was aber was ganz anderes als Pomade ist.

Als ich meine Mitbewohnerin das erste Mal traf, befanden wir uns auf einer Weihnachtsfeier vom Campusradio. Wir gaben uns weder Hand noch Stirn, kamen aber zügig ins Gespräch und verabredeten uns für ein weiteres Treffen in intimerer Atmosphäre. Am nächsten Morgen stand ich vor dem Problem, dass ich im Grunde nicht mehr so richtig wusste, wie sie ausgesehen hatte. Das Problem wurde akuter, als es dann zum Treffen kam. Vor dem „C&A“ in Münster wollten wir uns treffen und ich, der nicht mehr wusste, wie er sie erkennen solle, stellte sich etwas abseits des Modehauses, in das ich bis heute trotz Imagewechsels nicht gehe (na gut, ein-, zweimal „Clockhouse“), um die Frauen zu beobachten, die da so wartend stehen. Und siehe da!, eine glaubte ich wiedererkennen zu können, ging auf sie zu, umarmte sie und wartete gespannt auf eine Reaktion: Erwiderung oder Ohrfeige?