Ich war gerade 16 Kilometer durch brennende Sonne laufen und trotz leichten Sonnenstichs kamen mir dabei einige Gedanken. Zunächst einmal muss erwähnt werden, dass „Frasier“ die mit Abstand meist unterschätzte „Comedy“-Serie in Deutschland ist. Es gibt bis heute keine bessere, die die Fallhöhe im Humor-Bereich deutlicher ausnutzt und damit eine gesunde Schadenfreude beim Zusehen ermöglicht. Dann noch der Hinweis auf den Artikel „Wildpinkeln war gestern“. Heute erreichte meine charmante Kollegin und mich ein Paket mit weiteren Exemplaren der „Minimus“. Ich hoffe, es liegt keine Rechnung bei. Wir sind außer uns vor Freude und werden nie wieder herkömmliche Toiletten aufsuchen!

Irgend etwas macht jede Gemeinschaft aus, macht sie erst zur Gemeinschaft. Das gilt im Großen wie im Kleinen, also auch für die große Gemeinschaft der Deutschen. Ich bin extrem gerne Deutscher und selbstredend nicht stolz darauf, da man nur auf eigene Leistung stolz sein kann; für meine Nationalität kann ich nichts, sofern ich sie nicht bewusst wechsele. Es ist also keine Leistung. Und wäre ich Franzose, fände ich das vermutlich genauso toll, als wäre ich Inder. Aber nun hat’s mich eben nach Deutschland verschlagen und die einzige Leistung haben dabei meine Eltern vollbracht; ich hoffe, es hat ihnen sogar Spaß bereitet. Ich sollte mal die näheren Umstände meines Zeugungsaktes erfragen. Oder nein, doch nicht. Man muss nicht alles wissen.

Ich behaupte, mit allem Drumunddran deutsch zu sein. Und es fallen – typisch deutsch – einem dabei erst mal schlechte Eigenschaften ein. Es gibt viele Klischees und wo es gerade so heiß wird, wäre eines, das gern bedient wird, dass wir stets über das Wetter nicht nur reden, sondern auch klagen. Es ist spätestens morgen vermutlich vielen zu heiß, denen es vergangene Woche noch zu kalt war. Ich finde dieses eigentlich recht amüsant, diesen Deutschen, dem man es nicht recht machen kann. Aber ich empfinde es an sich noch nerviger, immer auf diesen Umstand hinzuweisen, sich also auf einer Meta-Ebene zu bewegen. Davon abgesehen frage ich mich, ob wirklich nur die Deutschen übers Wetter reden. Ich bin sicher, woanders geschieht das ebenfalls, gerade da, wo es eben wechselhaft klimatisiert ist. Vielleicht ist auch ein Grund dafür der, dass wir keine wesentlich größeren Sorgen haben. Herrschte eine Hungersnot, würde vermutlich das Wetterthema in den Hintergrund rücken. Wobei, Wetter und Ernte. Naja.

Typisch deutsch sei auch das schweigende Warten in Schlangen an Supermarkt-Kassen. Da bin ich selber absoluter Fan von, denn es wäre ja noch schöner, man würde mich unmittelbar vor dem Bezahlprozess in ein Gespräch verwickeln. Vielmehr bin ich darauf bedacht, genügend Abstand zu meinem Vordermann zu halten in der Hoffnung, mein Hintermann hält es genau so. Mitunter versuche ich, ist die Schlange lang genug, die Kosten meiner zu kaufenden Einzelposten zu addieren, was ich von meinem Vater geerbt habe. Allerdings zahle ich jeden noch so kleinen Betrag mit EC-Karte, da ich nie Bargeld bei mir führe, was wiederum mit einer ungünstigen Verteilung von EC-Automaten in meiner Wohngegend zu tun hat. Ich sehe natürlich die Blicke der Restschlange hinter mir, wenn ich 4,95 Euro mit Karte bezahle und habe das zumindest einmal kommentiert mit den Worten „Ein höherer Betrag ginge auch nicht schneller.“ Außerdem halte ich es für ein Vorurteil, dass die Kartenzahlung länger dauert. Bei manch Kunden sehe ich das unbeholfene Kramen im Münzfach seiner Börse und ahne, dass die Kassiererin, die auch gerne männlicher Natur sein darf, eingreifen muss. Somit sind plötzlich vier Hände, also zwanzig Finger!, in einem Portemonaie und versuchen, Fünfcent-Stücke von Zweicent-Stücken zu unterscheiden. Was mir im Übrigen auch schwerfällt, aber das ist unlogisch, denn ich habe ja nie Bargeld. Noch länger dauert es, wenn der Kunde seinen Geldbeutel auf die Warenablage entleert. Da ist Geduld gefragt und die habe ich meist nicht. Aber gerade bei älteren Mitbürgern ist das völlig in Ordnung, in dreißig Jahren stehe ich selber da und bin vermutlich mit der Eingabe meiner PIN völlig überfordert. Wobei wir in dreißig Jahren uns eh alles liefern lassen.

Ich bin Freund der schweigsamen Kassierer. Nichts ist gegen ein nettes Wort auszusetzen, aber ich habe nun schon mehrfach gehört, dass mein Nachname, der ja auf der EC-Karte steht, dem einer Stadt bis auf das „V“ gleicht. Vlotho. Oder dass es da mal einen gleichnamigen Fußballspieler  wie auch einen Opernsänger gab. Ich weiß das alles, freue mich aber über das nette Gespräch, so ist es ja nicht. Unangenehm wird es, wenn ein Kassierer meint, meine Einkäufe kommentieren zu müssen. Der Zufall wollte es, dass ich ein mal einen Wein und ein Baguette kaufte. „Oh, Sie machen einen französischen Abend?“ – „Ich geb dir gleich französisch“, habe ich nicht entgegnet. Oder da kaufte ich mal eine Gesichtsmaske. Ich probier‘ ja alles aus. War so ’ne „Kaschmir“-Maske. „Oh, Katsch-Mir! Kriegen se schöne Haut, woll?!“, so die Rossmann- oder DM-Kassierin dazu.

Während ich das so schreibe, stelle ich fest, ja, ich bin wirklich das, was man so typisch deutsch nennt. Dabei ist, ich schrieb es schon mal, typisch deutsch eigentlich nur, alles Schlechte erstmal als „typisch deutsch“ zu brandmarken. Dabei finden wir uns insgeheim alle ganz toll, würde ich mal behaupten. Wir sind vielleicht etwas phlegmatisch. Wir wechseln trotz hin und wieder möglicherweise mieser Politik unsere KanzlerInnen nur selten aus, weil im Grunde alle zufrieden sind damit, wie es läuft. Das kann natürlich nur jemand behaupten, der nicht durch das soziale Netz gerutscht ist, das ist mir schon bewusst. „Phlegmatisch“ trifft es. Wir sind gegen die Maut, aber sie könnte kommen. Wir sind gegen die Vorratsdatenspeicherung, aber sie könnte kommen. Es reicht nicht, irgend welche Online-Petitionen zu unterschreiben, auch wenn es so schön einfach ist. Solange wir nicht auf den Reichstag mit seinem anachronistischen Namen, gegen den ich aber letztlich nichts habe, zu marschieren – oder direkt das Kanzleramt stürmen, wovon ich abrate – werden all die Dinge Wirklichkeit, die wir eigentlich nicht wollen. Und wählen dann wieder Frau Merkel, wobei wir sie ja nicht direkt wählen. Das ist aber auch verlässliche Politik und es gehört zu uns, dass „radikale“ Parteien irgendwie nach wie vor keine Chance haben. Entweder, weil sie wirklich zu radikal sind, oder weil sie sich selbst zerfleischen, was die AfD ja ganz gut vormacht. Angst vor denen habe ich keine. Umgekehrt hätte ich mir mehr Einfluss der Piratenpartei gewünscht, aber ich weiß nicht mal mehr, ob es sie noch gibt (sie sitzen hier in NRW im Landtag). Diese Beständigkeit in unbeständigen Zeiten (und Zeiten sind immer unbeständig) ist typisch deutsch und beruhigend. Ich erwarte massiven Widerspruch!

Welche Klischees kennt Ihr noch? Was haltet Ihr für typisch deutsch?  Vor dem Hintergrund vor allem, dass wir aus unerfindlichen Gründen in der Welt nicht zu den unbeliebtesten Völkern gehören. Und das mit unserer Vergangenheit!

Derweil hat sich eines geklärt: Es liegt keine Rechnung dem Paket bei. Und ich muss nun dringend einkaufen gehen, ich brauche Sonnencreme.