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Mit einer ausreichenden Menge Restalkohols findet man am nächsten Morgen noch alles lustig. Da kann der eigene Hodensack ein Schmunzeln hervorrufen, wenn er beim Duschen so seltsam daherhängt, als sei nichts gewesen. Ist es anstrebsam, als Hodensack wiedergeboren zu werden? Mitunter völlig unmotiviert herumzuhängen, um auf den nächsten Einsatz zu warten? Finden Frauen Hodensäcke eigentlich schön? Oder sind sie notwendiges Übel, das man so hinnimmt? Hoden. Sack. Hodensack. Es braucht andere Begriffe. Klöten? Familienjuwelen? Testikel? Es wird nicht besser.

Wo bei Männern der Hodensack, ist bei Frauen eine Aussparung vorzufinden. Und der Begriff „Aussparung“ kommt bei mir ab sofort nach „Sitzgruppe“ und „Aufpolstern„.

Als ich gestern nach einer doch recht durchzechten Samstagnacht noch leicht angeheitert eben unter dem Eindruck des Restalkohols den Regionalexpress 6 von Minden nach Düsseldorf betrat, vermisste ich zum einen ein Empfangskomitee und stieß zum anderen auf jene Aussparung am ausklappbaren Tischchen, die obiges Foto zeigt. Es ist wohl eine für Flaschen, Becher, Gläser oder auch Tassen, für so genannte Getränke-Behältnisse. Also auch für Dosen. Und ich fragte mich, welchen Sinn diese Aussparung denn erfüllt. Steht die Flasche dort wirklich sicherer? Und was, wenn ich eine dieser 2-Liter-Cola-Flaschen dabei hätte? Der Durchmesser ihres Flaschenbodens wäre für die Aussparung der Deutschen Bahn viel zu groß. Hätte man sich die Aussparung dann nicht sparen können? Wer produziert eigentlich Aussparungen? Die Züge der Deutschen Bahn sind in der Regel aus der Produktion von Siemens (Las jüngst, dass chinesische Zughersteller groß im Kommen sind und möglicherweise demnächst ein Problem für Siemens werden.). Eine Aussparung ist doch dadurch gekennzeichnet, dass sie irgendwie nichts ist. Materialkosten fallen wohl kaum an – also wie bemisst sich der Preis einer Aussparung?! Produzenten von Aussparungen sparen ja sogar Material! Je mehr Aussparungen ich produziere, desto weniger Material benötige ich! Ist das sogar der eigentliche Zweck einer Aussparung? Hier sehe ich Sparpotenzial für Siemens, wenn sie sich nicht von den Chinesen überrollen lassen wollen. Aber vielleicht gewinnen die Chinesen die nächste Ausschreibung, weil sie auf die Idee kamen, nicht nur eine Aussparung in die Ablagefläche einzubauen, sondern derer gleich zwei! Dann sitzen da Geschäftsleute der Deutschen Bahn mit den Chinesen zusammen, die hellhörig werden, wenn man ihnen sagt „Ihre Fahrgäste können dann zwei Flaschen mitnehmen und auch abstellen“. Da hat Siemens natürlich keine Schnitte und es wäre jetzt zu billig, eine dritte Aussparung vorzuschlagen, denn so einfach ist es eben nicht. Möglicherweise hat der Fahrgast vielleicht eine Flasche Fanta (tolles Getränk gegen Nachdurst) und eine Thermoskanne Kaffee dabei – beides will er möglicherweise zu einem zuhause geschmierten Brötchen verzehren. Auch das will ja abgelegt werden, was eben nur geht, wenn die Ablagefläche nicht mit unzähligen Aussparungen versehen ist! Wohin mit allem, was nicht Flasche ist?! Für ein handelsübliches Brötchen ist die Aussparung zu klein und man müsste es gezwungenermaßen halb über die Aussparung legen, sodass es schief läge. Und das kann je nach Belag zu Turbulenzen führen. Nutella wäre kein Problem. Ich selber esse kein Nutella, aber ich nehme an, dass es nicht so flüssig ist, als dass es bei Schieflage vom Brötchen fließen würde. Bei großer Hitze allerdings möglicherweise schon! Hier kann eine Aussparung also zu Problemen führen, darauf könnte Siemens dann verweisen und sich damit wieder ins Rennen bringen. Wenn nicht die Chinesen auf das Problem der Linkshänder hinweisen: Das Foto zeigt, dass die Aussparung auf der rechten Seite angebracht ist – für Rechtshandtrinker eben. Der Linkshänder muss umständlich mit seiner linken Hand einmal über den Tisch greifen, damit er die Aussparung samt Flasche auf der rechten Seite erreichen kann. Das ist in der Tat bedienerunfreundlich, aber auch ein Dilemma, denn wie ist zu handeln? Die Chinesen: „Zwei Aussparungen, eine rechts, eine links.“ Die Bahn begeistert, die Chinesen bekommen den Zuschlag.

Ich kenne mich weißgott nicht mit der Produktion von Zügen aus. Ich weiß nicht mal, ob die Aussparungen nicht von einem externen Produzenten, von einem Zulieferer kommen. Vielleicht ist Siemens vertraglich an einen solchen über Jahrzehnte gebunden und wenn der nun nicht zwei Aussparungen liefern kann wegen Produktionsengpässen, sieht es düster für den deutschen Hersteller aus. Ich war allerdings mal in dem ICE-Werk in Krefeld, wo man mir gezeigt hat, wie zum Beispiel der ICE 3 geplant wurde. Das ist alles sehr virtuell, merkte ich, als man mir eine 3D-Brille aufsetzte und ich plötzlich in einem virtuellen ICE stand. War schon toll, konnte ich doch auch alles anfassen und benutzen. Eben auch die Klapptischchen, die natürlich auch im Computermodell eine Aussparung hatten! Und Sinn des ganzen Modells war, dass sich alles modifizieren ließ – nur eines nicht: die Aussparung. Da zeigt sich Siemens phlegmatisch, scheint davon auszugehen, dass Aussparungen nicht mehr weiterentwickelt werden müssen und auf der rechten Tischseite ihren natürlichen Platz hätten. Das fliegt denen jetzt um die Ohren.

Ich fahre nicht mehr oft Zug anders als meine mich gestern begleitende Mitbewohnerin, die übrigens keine Lust hatte, mit mir über Aussparungen im Alltag zu diskutieren. Von ihr lernte ich aber, dass man die Pfandflaschen, so man sie nicht gegen Pfand eintauschen will, einfach in der Aussparung stehen lassen könne, da gewerbliche Pfandsammler spätestens in Dortmund den Zug besteigen würden, um aufzuräumen. Und genau das geschah dann auch. Vielleicht liegt der einzige Grund für die Aussparungen genau darin und sind ein Vorläufer des in vielen Städten diskutierten Pfandringes, den ich moralisch übrigens für sehr schwierig halte. Wir können doch unmöglich die Not der Pfandsammler institutionalisieren!