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Gesichtsfotze. Für die Überschrift werde ich wieder geprügelt, obwohl Ihr ja draufgeklickt habt, weil es Eure Neugierde möglicherweise geweckt hat, gepaart mit Euren Hintergedanken. Und mit Verlaub, Klickoptimierung durch solche Schlagworte, die hier ja eher -wörter sind, habe ich nicht nötig ;) Nicht mehr. Wobei, so als Nebeneffekt, warum nicht?! Davon abgesehen habe ich den Begriff leicht zensiert.

Es soll aber in diesem Bart-Artikel eben um diese gehen, für die es im Übrigen noch viel schlimmere Begriffe gibt, die ich nie niederschreiben würde. Ich halte F**** überdies für einen der schlimmsten, aber auch kraftvollsten Begriffe, den das Deutsche hergibt und er findet bei mir nur Verwendung im Stillen gegenüber Personen, die meinen ganzen Hass auf sich ziehen. Und für die, die den Begriff nicht kennen: In meinem sozialen Umfeld meint er eben einen Bart, der den Konturen der Mundpartie und des Kinns folgt. Außerdem soll er wohl Gemeinsamkeiten mit der Behaarung des Venushügel haben. Aber da sich heute nahezu jede Dame untenrum enthaart, ist der Begriff ein Anachronismus geworden.

Wer glaubt, ein Bart werde nur getragen, weil es gerade besonders angesagt sei („Hipster“), irrt meiner Meinung nach, denn Bärte wurden schon immer getragen. Ich trage eine Art Bart seit der elften Klasse, als ich festgestellt hatte, dass sich da formbare Haare im Gesicht verdichten. Und damals war es eben „in“, jene Gesichtsfotze zu tragen, was ich heute nicht mehr nachvollziehen kann. Aber zu mehr hat’s möglicherweise damals noch nicht gereicht. Dennoch war man wahnsinnig stolz, als man so sein Mannsein entdeckte und manch‘ Mädel hat es möglicherweise beeindruckt, vielleicht aber auch abgestoßen. Denn es liegt in der Natur der Sache, dass erste Bärte, lässt man sie zu früh stehen, etwas spärlich aussehen können, insbesondere dann, wenn man sich nicht eingestehen will, dass der Bartwuchs zu einem richtigen Bart an sich nicht reicht. Im Nachhinein weiß ich nicht mehr, ob es bei mir damals schon ausreichte. Aber: Ich war Trendsetzer, der erste in der Stufe, dem dann andere folgten. Von außen betrachtet war es wohl eher etwas albern. Mein Mathelehrer, den ich schon in der Sieben hatte, traf mich in der Elf wieder, begutachtete mich und sagte schmunzelnd „Ah, so etwas wie ein Bart beim Flotho“. Er hatte gut reden, er war im Grunde ein Holzfäller auf Lehramt.

Dass ich ’nen Mega-Rasurbrand bekam, nachdem ich mit einem Gilette-Rasierer die Konturen bearbeitet hatte, war mir egal – Hauptsache Bart. Dass er für eine Gesichtsf**** auch viel zu lang war, fichte mich ebenfalls nicht an. So lief ich mit einem dünnen Kreis aus langen Härchen durch die Schule und zwinkerte den Ladys zu, die das für ein spastisches Zwinkern bei mir hielten, da ich es selbst unter größten Anstrengungen einfach nicht vermochte, cool rüberzukommen, was heute natürlich ganz anders ist.

In verschiedensten Ausführungen trug ich diesen Bart über nahezu zwei Jahrzehnte, währendderer ich immer neue Formen fand – ob unter den Wangen entlang bis zum Kinn unter Auslassung der Oberlippe oder invers: alles ausprobiert, von der Umwelt selten wahrgenommen, möglicherweise weil ich blond bin. Nur an den Schnörrek habe ich mich noch nicht rangetraut.

Vor rund einem Jahr muss ich dann auf die Idee gekommen sein, es einfach mal wachsen zu lassen, um zu sehen, was passiert. Und wie ich das auch von Fremdfrisuren kenne, kann der Übergang sehr bescheiden aussehen. Über Wochen lief ich mit einem nicht zufriedenstellenden Wuchs im Gesicht herum, der sich nicht definieren ließ. Der Höhepunkt war eine Beerdigung, wobei es die Beerdigte am wenigsten störte, was ich da im Gesicht trug, aber eben jene Verwandtschaft, die ich über Jahre nicht mehr gesehen hatte. Ich blickte da in teilweise erschrockene Mienen; und wo es früher noch hieß „Du bist aber groß geworden!“ hieß es jetzt „Siehst anders aus…“. Erst nach und nach entdeckte ich Dinge wie Haarwachs und Schleifchen, mit denen sich der Bart zu etwas Vorzeigbarem herrichten lässt.

Der Prozess des Bartwachsens zog sich bei mir über viele Wochen, bis ich zum ersten Mal den Eindruck hatte, so kann das bleiben. Und irgendwann hatte ich den Punkt erreicht, an dem ich dachte, warum denn nicht schon Jahre früher?! Was optisch durchaus Anklang fand, stieß taktil auf Schwierigkeiten bei meiner Mitbewohnerin, die sich der Leser nun denken darf und auch muss. Ich sage nur: Bartöl ist die Lösung. „Weihnachten ist der Bart aber ab“, flehte sie oft und ich wusste bereits für mich, dass damit nur ein Weihnachten in sehr weiter Ferne gemeint sein kann. Sie hat sich inzwischen damit abgefunden und freut sich alle vier Wochen auf den Termin beim Barbier. Zumal der Barbier sie selbst ist. Zitternd unter großer Anspannung sitze ich somit einmal im Monat auf einem Hocker, während sie die Schere an meinem zweitbesten Stück entlang führt. „Keine Angst, ich schneid‘ nicht zuviel ab“, verspricht sie mir, während ich die Unmengen Bartes sehe, die auf den Boden fallen. Leichte Schweißausbrüche begleiten diesen Prozess. „Nur die Spitzen!“, sage ich und ernte ein fieses Lächeln.

Ich habe von verschiedenen Vollbartträgern schon von einem Traum gehört, den auch ich durchlebte: dass einem der Bart abgenommen wird. Sehe ich heute Fotos von mir ohne Bart, muss ich lachen und weinen in einem. Ein Albtraum und so gesehen passt obiges Beitragsbild, dass mir heute auf meiner Facebook-Chronik unterkam. Schön, wenn man ohne Bart zehn Jahre jünger aussieht, aber wie ein Mann möchte man dann schon aussehen. So hat es eben nicht zwingend etwas mit dem Phänomen „Hipster“ zu tun, wenn mann sich einen Bart stehen lässt, denn zum Hipster gehört sicherlich noch einiges mehr, was mir persönlich aber fernliegt. Und mein Mathelehrer war alles, nur kein Hipster.

Bei den Frauen polarisiert er. Der Bart, womöglich auch der Mathelehrer. Da gibt es die Fraktion, die grundsätzlich Bärte ablehnt. Die werde ich nicht überzeugen können. Und da gibt es auch die, die mich ablehnen. Da hilft auch Rasieren nichts. Aber ich konzentriere mich auf die, die begeistert reingreifen. Kommt tatsächlich vor, erst vor ein paar Tagen bat eine Freundin darum, einmal reingreifen zu dürfen. Und wer bin ich, ihr das Erlebnis zu versagen?! Gelegentlich kommt dann „Ui, der ist aber fettig“, was mir sssehr unangenehm ist, aber eben gewissem Produkt geschuldet ist, in diesem Fall der Pomade, die den Bart bändigt. Meiner neigt nicht zu Locken, sodass er ohne Pomade teilweise abstrus abstehen würde. Zudem verleiht sie dem Bart einen unwiderstehlichen Glanz ;)

Es gibt Abende, an denen meine Mitbewohnerin mir abends auf dem Sofa erzählen kann, was ich den Tag über gegessen habe. Und das ist tatsächlich ein großes Problem, aber eben auch das einzige. Gute Hamburger sind wohl der Klassiker, da das Gros dessen Sauce im Bart hängen bleibt. Und sie lässt sich nur mit einer Komplett-Bartwäsche entfernen, ein bisschen Abwischen bringt nichts. Oder die Krümel eines Brötchens beispielsweise, die vermengen sich mit der Pomade zu einem bröckeligen Brei, der, wenn er trocknet, sukszessiv aus dem Bart fällt. Auch Eisreste kann meine Mitbewohnerin erriechen, was mitunter unheimlich ist. Und über einen missglückten Nieser mit Auswurf wollen wir hier gar nicht reden. Ein Bart ist nicht nur Staubfänger.

Meine ersten grauen Haare werde ich nicht auf dem Kopf finden, denn dort sind Haare nur spärlich und kurz vertreten. Die ersten wird meine Mitbewohnerin mir irgendwann aus dem Gesicht ziehen, sodass ich in vielleicht zwanzig Jahren vor der Frage stehe, ob ich ihn behalte, um weiterhin den Weihnachtsmann für meine vier Kinder spielen zu können oder eben nicht, weil ein schlohweißer Bart mit Sicherheit sehr alt macht. Vielleicht gerate ich aber vorher schon in eine Lebensmittekrise, was ich für mich persönlich absolut ausschließe, und entscheide, schlagartig zwanzig Jahre jünger auszusehen. Alles möglich, aber meine Prognose ist: Der Bart bleibt. Denn ich hab‘ ja Vergleiche: Fotos von mir. Sie hängen hier überall an meinem Altar. Ich sehe ohne Bart und wegen fehlenden Haupthaares nun einmal aus wie ein Peniskopf. Somit hätten wir auch das männliche Geschlechtsteil in die Sache mit einbezogen (was auch den ein oder anderen Kommentator freuen oder echauffieren wird). „Eichelkopf“ habe ich auch schon gehört. Oder einfach nur „Eierkopf“. Alles Dinge, die durchaus stimmen, mir aber offenbar zwanzig Jahre selber nicht aufgefallen waren. Nun bin ich ein Ei mit Untersetzer, was schon etwas mehr hermacht.

Auf dieses machte mich eine Freundin vor rund ’nem Jahr aufmerksam und heute auch eine Leserin des seppologs:

Sagt im Grunde alles.