Bei der Lektüre des gestrigen Artikels ist meinem Lektor etwas aufgefallen, was ihn für seinen Job auf die nächsten Monate definitiv qualifiziert: Ich verfehle kollossal, aber so dermaßen kollossal, dass das zweite „L“ seine absolute Berechtigung hat, das Thema, das die Überschrift ankündigt. Und tatsächlich war geplant, über mein Verhältnis zu Menschenmassen zu schreiben, bin aber ganz offenbar während des Schreibvorganges dezent davon abgewichen.

Was mich erinnert an das Verfassen meiner Magister-Arbeit, die mich vollkommen verdient und verdientermaßen und zurecht mit Recht zum Träger des begehrten und irgendwie dann doch ausgestorbenen Titels „Magister Artium“ macht. Ich trage ihn mit Stolz, da es für einen Doktortitel nicht gereicht hat. Schon beim Verfassen diverser Seminararbeiten im Vorfeld wurde deutlich, dass zwei Dinge am Schluss einer schriftlichen Arbeit folgen, noch nach dem Literaturverzeichnis: Überschrift und Einleitung. Denn mitnichten wusste ich vor dem Schreiben, was ich schreibe. Im seppolog ergeht es mir ähnlich. Anders als bei Seminararbeiten jedoch muss bei einer Magisterarbeit der Titel vorher feststehen, da man sich mit diesem für seinen Uni-Abschluss anmeldet. Bevor ich also wusste, über welches Thema ich schreiben würde, musste ich mir einen Titel einfallen lassen, der mit beim Laufen in den Sinn kam:

Digital Divide und Wissenskluft

Inwieweit verstärkt ein Digital Divide die Wissenskluft und welche Auswirkungen hat dieses für die Informationsgesellschaft?

Ach Gott, ich sehe jetzt erst, ich kann hier sogar die Textfarbe einstellen. Wie komme ich auf die Standard-Farbe?! Dieses ist doch schwärzer als oben. Ich hab‘ hier immer grau geschrieben?! Und Blocksatz geht auch?!

Also das seppolog bald in bunt! Zurück zu dem Titel meiner Arbeit. Ich war überrascht, als man mich im Prüfungsamt bat, mich wortwörtlich festzulegen und erst danach erfuhr, dass der Titel unabänderlich bleibt, was mich thematisch dann doch eher festgelegt hatte. Für die Interessierten: „Digital Divide“ meint eine Kluft zwischen Menschen mit Zugang zum Netz und solchen mit ohne, was es auch heute noch in Deutschland gibt.

Nicht unproblematisch, dass ich mir im Titel eine Frage stelle, denn der Magistervater erwartet dann ja nicht ganz zu Unrecht die Beantwortung dieser. Aber wer war ich, sowas zu beantworten?! Es hatte also den Anschein, als müsste ich tatsächlich wissenschaftlich arbeiten, worum es im Studium ja auch gehen sollte, was ich aber an sich umgehen wollte. Und genau das ist mir wohl gestern passiert mit dem Unterschied, dass ich kein Prüfungsamt im Rücken hatte, das erwartet, dass zwischen Überschrift und Text einen Zusammenhang herrscht. Ich habe damals, 2006, die im Titel gestellte Frage auf 150 Seiten übrigens beantworten können und wurde von der Universität Münster vollkommen absolut zurecht mit Recht fürwahr als großer Held der Informationsgesellschaft gefeiert. Nur online habe ich meine Arbeit nicht gestellt, da man ja bei mir abschreiben könnte. Also behielt ich meine sensationellen Erkenntnisse für mich. Pionierwissen also, das mir noch heute große Vorteile im Leben verschafft.

Ich habe während des Studiums im Wesentlichen eines gelernt: Man kann aus geistiger Scheiße Großes machen. Denn nun stand ich da ja mit einem bloßen Titel, der sehr intelligent wirkt und den ich nun eben auf mindestens 120 Seiten – das war das Limit nach unten – ausdehnen musste. Es bedurfte Sekundärliteratur:

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Nicht, um abzuschreiben, sondern um meine gewagten Thesen zu untermauern. Ich habe damals horrende Strafgebühren bei der Uni-Bibliothek für die überzogenen Ausleihfristen zahlen müssen, obwohl ich versuchte, mir einen gewissen Überblick über das entliehene Material zu erhalten:

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Meine Ausleihlisten an der stümpferhaft aber effektiv verdunkelten Tür. Irgendwann verlor ich den Überblick und brachte am Ende sämtliche Sekundär- und Tertiär-Literatur wieder zurück und stapelte hoch, nämlich alle meiner Probeausdrucke der Arbeit:

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Nun bin ich abermals vom Thema abgekommen, doch genau so schreibe ich tatsächlich. Ich denke erst nachher über das entsprechende Thema nach und setze erst dann die Überschrift. Jetzt habe ich es zwei Tage einmal andersherum probiert und stelle fest: geht auch.

Anders als meine Magisterarbeit lässt sich das seppolog leider nicht schreddern. Aber will man das? Ich druck’s aus und schreddere es, bevor es morgen dann tatsächlich um mein Verhältnis zu Menschenmassen geht, die ich nicht mag, sofern sie nicht meinen Blog besuchen. Grüße bitte.

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