Zu den bisherigen Teilen!

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Strohwitwerdasein, Tag 3. Erste Irritationen bringen meinen Tagesablauf durcheinander. Meine Mitbewohnerin ist auf Barbados mit einem Sonnenbrillenverkäufer durchgebrannt, der sie allerdings sofort hat sitzenlassen. Mein Mitleid hält sich in Grenzen, aber ich nehme zurück, was kommt.

Ich hingegen muss zurückgelassen in der Heimat feststellen, dass sie nicht nur Mitbewohnerin ist, sondern auch Taktgeberin für meinen Tagesablauf, steht sie doch immer um sechs auf. Das läuft natürlich nicht so, dass um sechs der Wecker klingelt, sondern bereits mehrfach vor sechs, wodurch ich jedes Mal aus meinen erotischen Träumen gerissen werde. Und ein Wiedereinstieg in die Handlung eines Traumes gelingt mir nur selten. Eigentlich nie. Gerade noch von Popos geträumt, träume ich plötzlich davon, im Pyjama in der Uni zu sitzen. Aber es dauert ja nur neun Minuten, bis der Wecker abermals klingelt und mich der misslichen Situation entledigt. Soll heißen: Auch ich bin um sechs wach, was früh ist, da ich erst sechs Stunden später arbeiten muss. Diese gottgegebene Freizeit allerdings nutze ich dann für diverse Hausarbeiten; ich halte den Laden am Laufen. Mir ist schleierhaft, warum überwiegend Frauen auf diese Weck-Technik zurückgreifen. Denn es ist doch eine unnötige Qual, sich gleich mehrfach aus dem Schlaf reißen zu lassen. Ich habe noch einen alten Radiowecker, der aggressiv piept und ich springe sofort auf, um diesen qualvollen Prozess des Wachwerdenmüssens möglichst knapp zu halten. Das Tolle ist, da sie früher aufsteht, ist bereits Kaffee vorhanden. Auch das fehlt mir in diesen Tagen. Und was geschah ausgerechnet heute? Zwischen den Kaffeebohnen war offenbar ein kaffeebohnengroßer Stein, der das Mahlwerk der Kaffeemühle bei mir blockiert hat. Beim Entfernen des Bohnenbehältnisses sind mir natürlich große Mengen der Bohnen auf Arbeitsplatte und Boden gefallen, was mich seltsam traurig gemacht hat. Und im Mahlwerk sah ich dann das Problem, den Stein, der da bis jetzt feststeckt. Selbst mit Hammer und Nagel habe ich den Stein nicht lösen können. Ich habe meine Mitbewohnerin bereits davon in Kenntnis gesetzt, dass sie als erstes nach ihrer Rückkehr sich dieses Problems wird annehmen müssen. Aber das Tolle ist ja, dass ich für genau solche Fälle fertig gemahlenen Kaffee auf Lager habe. Da bin ich übrigens sehr stolz drauf, muss ich gerade feststellen. Also mir macht keiner was vor.

Nun fehlt aber das mehrfache Wecken durch meine Mitbewohnerin, was mir zwar ungeschnittene feuchte Träume ermöglicht, aber ich wache dann so spät auf, dass nach nur drei Tagen ihrer Abwesenheit ein gewisses Chaos im Haushalt ausgebrochen ist, was für mich ein Problem darstellt, da ich Unordnung absolut nicht ertragen kann. Ich habe es an nur einem Abend geschafft, das Wohnzimmer zuzumüllen und Lebensmittel auf dem Boden zu verteilen. Das Gröbste ist entfernt, bis morgen wieder alles steril.

Um das deutlich zu sagen: Ich bediene hier nicht das Klischee, dass der alleingelassene Mann im Müll versinkt, denn für Ordnung, mit Verlaub, liebe Mitbewohnerin, bin ich zuständig. Nicht, weil sie nichts täte, sondern weil mein Standard ein unmenschlich hoher ist, dem ich niemanden zu erreichen aufbürden will, sodass ich es selber mache – ohne zu murren. Ich wohnte mal mit Pavel, meinem auch jetzigen Nachbarn, zusammen, der mich für abartig ordentlich hält, womit er vermutlich so falsch nicht liegt. Damals putzte ich alles und erinnere mich, als er einmal mit Hundekacke am Schuh durch den frisch gewischten Flur lief und dann ahnungslos fragte, warum Kot im Flur liege. Ein anderes Mal kam ich aus dem Urlaub wieder. Und zwar einen Tag früher als geplant. Ich überraschte nicht ihn, sondern seine Mutter beim Putzen, die er offenbar dafür engagiert hatte, unsere WG wieder in Schwung zu bringen. Ich glaube, er hatte Angst vor mir. Pavel, hattest Du Angst vor mir?

Vor einem weiteren Problem stehe ich schon heute Abend, und ja, die Lösung ist naheliegend. Für Einkäufe ist sie zuständig. Nun stellt sich die Frage, ob sie mir nicht für jeden Tag etwas hätte eintuppern sollen. Denn bereits seit gestern Mittag esse ich nur noch Dinge, die ich irgendwo zufällig noch gefunden habe. Ein altes Brot konnte ich in der Mikrowelle aufweichen, ein Trick, den man als Strohwitwer kennt. Eine Art Salami fand ich noch im Kühlschrank, die ich erhitzte, um sie zu desinfizieren. Hier übrigens, für unbedarfte Leser der Hinweis, dass ich hier und da aus dramaturgischen Gründen übertreibe. Heute Abend erwartet mich ein leerer Kühlschrank, der dafür aber ausgesprochen sauber ist. Fast schon zu schade, um da wieder Dinge reinzulegen, die ihn beschmutzen könnten. Ich werde dennoch einen Supermarkt aufsuchen müssen und entsinne mich da abermals Loriots „Mein Name ist Lohse, ich kaufe hier ein!“

Aus den Augen, aber nicht aus der Welt ist sie also, meine Mitbewohnerin, mit der es gestern Abend dann auch zu einem Whatsapp-Telefonat kam. Das gestaltete sich so, dass ich wieder einmal nicht wusste, wie ich abnehme, obwohl eine Wischgeste genügt. Allerdings geht vorher immer mein Display aus, sodass ich nicht weiß, wo zu wischen ist. Als ich des Abnehmens dann mächtig war, ahnte ich, dass da jemand am anderen Ende ist, doch war unser Telefonat von einer gewissen Zeitverzögerung begleitet.

Hallo?

… hallo? Kannst Du mich hören?

Hallo? Ich glaube, ich habe den Hörer abgenommen. Hallo? Hörst Du mich?

Hallo?! Hörst Du mich?!

Hallo? Ja! Bist Du das? Ich höre was.

Ich kann Dich nicht hören, ich lege nochmal auf und rufe an.

Hallo?! Ich lege noch mal auf. Ich rufe zurück.

Hallo! Geht’s jetzt? Wir grillen gerade!

Hallo? Ihr chillt wo? Strand?

Noch kein Sonnenbrand, nein.

Du bist krank?! Jetzt schon?

Wer ist krank?

Wer ist Frank?!?!

Viel Spaß noch, ich vermisse Dich!

Grillt Ihr schon?!

Also irgendwie wusste ich nach dem Telefonat, dass wohl alles in Ordnung ist und sie einen Frank kennengelernt haben muss. Wir werden das heute Abend noch einmal versuchen, auf jeden Fall ist diese Whatsapp-Telefonie ’ne sehr ausgereifte Nummer, die man nicht missen möchte.