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Eine Woche lang war meine Mitbewohnerin nun auf Barbados, ihre Rückkehr zu ihrem nun zwei Kilo schwereren Mitbewohner steht unmittelbar bevor. Sie wird mich aufbauen müssen. Körperlich vor allem. Mich wieder in die Spur bringen. Es war nicht nur eine gute Woche. Aber mein besonderer Dank gilt dem Lieferservice „El Greco“, bei dem ich seit gestern Abend eine „Goldkarte“ besitze, die einen fünfprozentigen Rabatt auf jede 50. Bestellung verspricht sowie ein zehn Prozent wärmeres Essen bei Lieferung zwischen 13.00 und 13.30 Uhr an ungeraden Tagen, ausgenommen jeden oder jeder, ich weiß es nicht, 31. eines Monats. Zweimal war ich bei McDonald’s, wo ich immer soviel ordere, dass ich eine Tragetasche mit Trageschlaufen bekomme. Ich tue dann imm er so, als würde ich nicht nur für mich alleine bestellen. „Das wollen Sie doch nicht alles alleine essen?!“, fragte mich die Bedienung, die eigentlich keinen Grund hat, meine Bestellung zu kommentieren. „Neeeein!“, sage ich im Brustton der Überzeugung ohne rot zu werden. Und wo wir dabei sind: Wenn ich bei McDonald’s einen, sagen wir mal, „Sweet Chili Chicken 04 by Til“ bestelle, kommt stets die Frage „Im Menü?“. Oder „BicMac“: „Im Menü?“ Mich nervt das, zumal ich immer vorab sage: „Alles, was jetzt kommt, nicht im Menü.“ Und dennoch fragen sie nach. Und da ist sie wieder, meine Ablehnung gegenüber Verkäufern, die sich offenbar auch noch auf das McDonald’s-Personal erstreckt. Aber der sympathische Konzern hat die Lösung: bei meiner Filiale kann man jetzt an einem Automaten bestellen! „Easy Order“ heißt das System, das zumindest mein Leben erheblich erleichtert. Wäre da nicht die Erkenntnis, dass das Essen mir da streng genommen nicht schmeckt. Aber als Strohwitwer war mir in dieser Woche bereits am dritten Tag ihrer Abwesenheit klar, dass ich es durchhalten will, nicht einmal einen Supermarkt zu betreten. Hab‘ ich dann aber doch, aber da ging es um Wein und Captain Morgan, das zählt nicht.

Seit Mittwoch bin ich völlig zerstört, jene Freundin aus Köln-Chorweiler, die mit Nachnamen auch noch fast „Chorweiler“ heißt, besuchte mich nach einem einjährigen Aufenthalt in Irland. Ihr Vater, Anton, hinkt mit dem rechten Bein, während ihre Mutter Senioren-Schönheitskönigin in irgendwo ist. Das sind so Dinge, die man dann erfährt, wenn man ein Jahr lang intensiven Facebook-Kontakt hat, das Wichtigste also eigentlich schon bekannt ist. Jener Abend nahm einen unverhofften Verlauf. Entgegen dem Plan, die Zeit komplett auf meinem nicht vorhandenen Balkon zu verbringen, zog uns eine höhere Macht in die Altstadt, wo wir irische Freundinnen von meinem Gast trafen, die eigentlich nicht wissen durften, dass sie hier ist. Ein kurioser Zufall und vielleicht waren sie es, die sie dann auch noch beklauten, was den Abend leider etwas trübte, der sich dennoch bis sieben Uhr morgens zog, da ich ja noch unbedingt tanzen wollte, ich altes Tanztier. Auf der Tanzfläche werde ich ja zur Bestie.

Zwischendurch waren wir irgendwo Pizza essen, bevor es in den „Ballermann“ ging, was ja genau mein Laden ist. Da bekam ich fast einen auf die Fresse, weil ich meinte, in Gegenwart recht hartgesottener Burschen einen Scherz machen zu müssen, den ich leider alkoholbedingt schon kurz nach dem Vorfall vergessen hatte. Ich fürchte, der Scherz ging auf ihre Kosten oder war einfach als solcher nicht zu erkennen. Oft fehlt mir die Erkenntnis für den Moment, in dem man seine Fresse halten sollte. Im selben Etablissement saßen auch zwei blonde Mädels, die vielleicht wegen meines grünen Käppis der Meinung waren, ich sähe aus wie ein Kleeblatt. Das war ein Kompliment und ich fühlte mich geschmeichelt bis zu dem Zeitpunkt, als sie mich „irischen Kobold“ nannten. Aber vielleicht habe ich da auch was falsch verstanden. Es waren ausgesprochen hübsche Mädels, aber irgendwie auch nicht von dieser Welt.

Ein Weiteres ereignete sich in der Ratinger Straße, wie man hier eine Straße nennt, weil sie so heißt. Ein Mädel kam zu unserem Tisch mit der Frage, wie denn mein Bart so bei Frauen ankäme. Ob er piekse. Genau mein Thema, sodass ich ein Referat über Bart-Öl hielt, das den Bart angenehm weich mache. Es ging wohl darum, dass ihr Begleiter auch über einen Bart nachdenke, doch als der dann dazukam, schmetterte er eine Hasstirade gegen Bärte, was bei mir eher den Eindruck erweckte, er wolle bei der täglichen Rasur bleiben. Auch er griff in meinen Bart, blieb aber skeptisch, zumal ich noch auf die Problematik des Oralverkehrs verwies. Bei Frauen geht da, das ist mein ganz persönlicher Eindruck, der Trend zum rasierten Venushügel, was den meisten Männern zusagt, die sich aber nun zunehmend einen Bart stehen lassen, was ja irgendwie die Intimrasur bei der Dame konterkariert. Venushügel, schönes Wort.

Immer öfter muss ich feststellen, dass ich die Folgen des Alkoholkonsums an einem solchen Abend noch zwei Tage später spüre. Ist man mit knapp 36 denn schon so alt, dass der doch an sich durch Sport geübte Körper so empfindlich auf Wein, Alt, Pils und Wodka-Redbull reagiert?! Was ich früher innerhalb von 24 Stunden weggsteckt habe, lähmt mich heute für Tage. Obwohl, ein Caipi geht immer. Ich halte allerdings nichts vom Konter-Bier, da ich am Donnerstagmorgen, als ich jene Freundin zum Bahnhof brachte, fast in aller Öffentlichkeit auf die Straße gekotzt hätte und ich möchte meinen, wir beide waren noch gut angeheitert, zumal es ein recht gelungener Abend war, denn die Frau ist „mega unkompliziert“, um hier einen Insider zu bemühen. Man wacht dann morgens nach vielleicht vier Stunden Schlaf auf und findet alles wahnsinnig lustig, vor allem sich selber, was aber ein ganz persönliches Problem von mir sein könnte. Doch im Laufe des Tages kommt dieser unangenehme Wendepunkt, wenn die postalkoholische Depression die postalkoholische Fröhlichkeit ablöst. Alles Schlimme dieser Welt erscheint mir dann noch viel schlimmer und unausweichlich auf mich zukommend und ich denke, verdammt, eben war doch noch alles so lustig! Rational weiß ich dann, es handelt sich um einen unschönen seelischen Kater, den Preis des Rausches, aber es hilft nichts, durchtrieben von sehr negativen Gedanken vegetiere ich durch den Tag – immer mit der Hoffnung, dass am nächsten Tag wieder die Sonne scheint.

Die Bilanz einer Woche ohne meine hochgeschätzte Mitbewohnerin – ich möchte hier fast von inniger Zuneigung sprechen – fällt so aus, dass wir gerne noch ’ne Woche dranhängen könnten. Es ging einfach zu schnell zuende, zumal ich mich in dieser Woche ganz auf den Tag mit meiner irischen Freundin konzentriert hatte. In einer halben Stunde landet meine Mitbewohnerin (auf dem Boden der Tatsachen) und sie wird überrascht sein, wenn ich ihr ein Flugticket als Willkommensgeschenk überreiche. Noch heute Nachmittag fliegt sie nach Mallorca und ich freue mich auf eine weitere Woche des Strohwitwer-Daseins!

Alternatives Ende

Die Bilanz einer Woche ohne meine hochgeschätzte Mitbewohnerin – ich möchte hier von tiefster Zuneigung sprechen – fällt so aus, dass ich sie nie wieder alleine von dannen ziehen lasse. Die Woche zog sich, kommt mir vor wie zwei, nur der Besuch meiner irischen Freundin konnte mich leicht von meiner Sehnsucht ablenken. In 28 Minuten landet meine Mitbewohnerin (auf der Landebahn) und sie wird gerührt sein, wenn sie meine Tränen der Rührung sieht, die ich ihr als Willkommensgeschenk und Ausrdruck meiner Gefühle ihr gegenüber überreiche. Noch heute Nachmittag besorge ich ihr einen Flug in den siebten Himmel ohne Rückflugticket und ich freue mich, dass sie wieder hier ist. Und es ist dieses Ende, das der Wahrheit sehr nahekommt.

Und ihre ersten Aufgaben werden diese sein: Kaffeemühle reparieren, ein Steinchen blockiert das Mahlwerk. Und: Kordel durch diese Kapuzzenjacke ziehen. Es ist mir schon immer ein Rätsel, wie man das hinbekommen soll. Ich werde genau hinsehen, damit ich beim nächsten Mal, wenn ich zu ruckartig an der Kordel ziehe und sie dabei komplett rausziehe, den Schaden selber beheben kann. So wird Mann Stück für Stück selbständig!