Dieser Artikel entstand mit freundlicher Unterstützung von „Nestlé“!

Zu Teil I, II und III, aber auch ohne Vorkenntnisse lesbar.

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Jeder Mensch hat so seine Macken, die wir immer nur dann lieben, wenn dieser Mensch mal nicht da ist und wir ihn vermissen. Ansonsten bergen sie Konfliktpotenzial, sind gerne mal der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. In dieser heiteren Serie wäge ich die Macken meiner Mitbewohnerin mit den meinigen ab, um herauszufinden, wer von uns beiden möglicherweise für das Ende unseres Mietverhältnisses verantwortlich sein wird. Nach drei Teilen steht es nun vier zu drei für mich, was allerdings bedeutet, dass meine Macken bislang um eine überwiegen.

Nebenbei erwähnt: Zur Zeit kann ich mich immer gut rausreden, wenn sie mir etwas vorwirft, indem ich mitleiderregend sage: „Ich werde am Montag operiert.“ Wie könnte sie mir da böse sein?! Aber wie das so ist, das funktioniert ein-, vielleicht zweimal, danach stumpft der Effekt ab und verkehrt sich ins Gegenteil.

Ich muss also aufholen und habe sie daher eben gefragt, was mich an ihr stören könnte, denn dieses Problem besteht nach wie vor: Mir fällt selber im Grunde nichts ein – anders als zur Frage, was sie an mir nervt; da fällt mir immer was ein, was allerdings für mich spricht, für meine Fähigkeit zur Selbstreflexion. Das wiederum spricht dann doch gegen mich, denn wenn ich meine Macken schon kenne, warum unterlasse ich sie dann nicht?! Es gibt hier keine Antwort auf diese Frage. Wie beispielsweise meine Liebe zu technischen Gerätschaften, die sie anders nennen würde:

Ich: Die Anschaffung teuren Spielzeuges

Wir waren vergangenen Samstag auf einer Geburtstagsparty, die an sich schon einen eigenen Artikel wert ist, aber ich umreiße nur kurz: Ich war mit ein bis zwei anderen Männern Hahn im Korb, während die Damen über Blähungen und das Abpumpen von Muttermilch sprachen. Es ging also im Gros um die Fortpflanzung der Menschheit, an der ich mich derzeit noch nicht beteiligen möchte, sodass ich da leider auch keine Erfahrungen teile, wobei ich freilich nicht den technischen Vorgang an sich meine, sondern eher das, was ohne Verhütung die Leib gewordene Konsequenz daraus werden kann. Ich habe also mehr gelernt an jenem Abend, als ich zu hoffen gewagt hatte und amüsierte mich im Stillen über den Begriff des „Einschießens“ der Milch, das sich wirklich hochexplosiv anhört. Gegen ein Uhr wechselte ich aus Sicherheitsgründen von Wein zu Espresso, den die Gastgeberin uns anbot und mich faszinierte der Entstehungsprozess dieses in Deutschland als „Expresso“ bekannten Getränks in einer Kapsel-Maschine aus dem Hause „Nestlé“ mit dem Namen „Dolce Gusto“. Was für ein Geschmackserlebnis! Da vergisst man glatt, wie viel Müll man produziert.

Nach einem dritten Espresso fragte ich gar nicht mehr, ich machte ihn selber, da mir die Funktionsweise des Gerätes inzwischen mehr oder weniger vertraut war. Und während ich ihn so schlürfte, beschloss ich, noch in derselben Nacht bei einem weiteren Wein zuhause, dieses Gerät zu bestellen. Wohlweislich setzte ich meine Mitbewohnerin über diesen Plan nicht in Kenntnis aus Angst, sie würde ihn mir ausreden. Ich entsann mich des Widerrufrechts und der Stornierungsfunktion bei „Amazon“, sodass ich am nächsten Morgen klaren Kopfes die Entscheidung notfalls noch revidieren könnte.

Wieder zuhause wurde aus dem Plan Wirklichkeit und ich war erstaunt, wie großzügig man Geld ausgibt, wenn man was getrunken hat. Kenne ich von meinen Taxi-Trinkgeldern, bei denen ich großherzig und vor allem mehrfach aufrunde, was mathematisch gar nicht vorgesehen ist und mit Vernunft wenig zu tun hat, was mir stets am nächsten Morgen erst klar wird. Was mögen meine Taxifahrer denken?! „Armer Trottel!“

Ich erinnere mich allerdings eines Falles, da war ich meinetwegen 16 oder so, da stellte ich im Taxi kurz vor’m Ziel fest, dass ich gar kein Geld mehr hatte. Einige Kilometer blieben mir noch, um meine Flucht zu planen. Ob ich ihn anhalten lasse mit der Lüge, ich müsse kurz mal brechen?! Und dann einfach wegrenne?! Doch das schien mir letztlich weniger erfolgsversprechend als einfach an einer Sparkasse anzuhalten, was ich letztlich auch tat. Dabei fällt mir eine weitere Episode ein. Es war in Münster, als ein Taxifahrer gesteigertes Interesse an mir oder vielmehr meinem Schritt zeigte. Ich wurde leicht stutzig, als sich seine rechte Hand vom Schalt- hinüber zu meinem Knüppel bewegte. Ich bat ihn anzuhalten, stieg aus und ging von dannen. Ohne zu zahlen, was ich aber irgendwie auch in Ordnung fand, zumal des Fahrers große Sorge war, ich würde den kleinen Vorfall an die große Glocke hängen. Tat ich nicht und heute würde ich möglicherweise auch bezahlen.

Zurück zur „Dolce Gusto“, jener Maschine, die ich per lallendem Tippen also online bestellte. Und ich war überrascht, dass sie noch in derselben Nacht versandt wurde, sodass die Option „Stornieren“ keine mehr war. Immerhin habe ich sie zur Hälfte des üblichen Preises bekommen. Mit diesem Argument habe ich auch meine Mitbewohnerin zu überzeugen versucht, die die Neuanschaffung erstaunlich ruhig aufnahm. Das ist nämlich nicht immer so. Eigentlich nie. Zahlreiche Beispiele pflastern unseren Lebensweg:

  • der Smart-Fernseher
  • der Küchen-Fernseher
  • das Tablet
  • die Überwachungskamera
  • das „Chromebook“ (Laptop)
  • der elektronische Espresso-Kocher
  • der motorisierte Eierschneider
  • die wasserfeste Uhr für die Dusche
  • das wasserfeste Radio für die Dusche
  • der Vier-Scheiben-Toaster
  • u.v.m

Der Klassiker in dieser Aufzählung ist und bleibt der Küchenfernseher. Denn wir beide lehnen einen für das Schlafzimmer ab. Wir schlafen einfach da, wo ein Fernseher steht. Den Fernseher in der Küche hat sie von vornherein abgelehnt, da ihr die Notwendigkeit nicht einleuchtete. Nun, von „Notwendigkeit“ spreche ich selber auch nie, es sind alles nichts weiter als Spielzeuge. Möglicherweise, steile These!, hören manche Männer eben nicht auf zu spielen. Und es ist natürlich nicht ohne Ironie, dass sie es ist, die den Fernseher in der Küche nutzt, während ich ihn eigentlich selten einschalte. Sie hat ihn zu schätzen gelernt, was im Übrigen nicht daran liegt, dass ich die Küche meide. Es ist nahezu umgekehrt.

Der Vier-Scheiben-Toaster. Hier poche ich auf absolute Notwendigkeit, denn ein Toaster, der vier Scheiben Brotes gleichzeitig zu toasten vermag, wendet in der Tat Not. Unter vier Stullen fange ich erst gar nicht an und was nutzt dann ein Toaster, der nur zwei gleichzeitig rösten kann?! Allerdings stellte ich irgendwann für mich fest, dass ich eher selten toaste. Aber die Erinnerung an mein Elternhaus, wir waren zu viert (und sind es noch), in dem es nur einen Zwei-Scheiben-Toaster für vier Mäuler gab, hat mich eben geprägt. Man war ja geradezu gezwungen, nacheinander zu essen.

Smart-TV. Internetfernsehen. Hab‘ ich komplett alleine bezahlt, denn sie fand den alten Fernseher völlig ausreichend. Ich wollte ja im Grunde darauf warten, bis der alte kaputt geht, um erst dann ein neues Modell zu erwerben. Aber selbst Schläge an seine Front ließen ihn kalt, er ging einfach nicht zu Bruch, sodass ich des Wartens überdrüssig Nägel mit Köpfen machte und dennoch ein Smart-TV holte. Und was soll ich sagen?! Auch sie nutzt dessen Funktionen regelmäßig, lineares Fernsehen findet bei uns nicht mehr statt. Ich kann übrigens an dieser Stelle eine „Netflix“-Serie empfehlen: „Narcos“, über die in der heutigen Ausgabe auch die „FAZ“ schreibt, leider noch nicht online. Es geht um Pablo Escobar. Eine sensationelle Serie, Vergleichbares kenne ich nicht. Während ich diese Zeilen schreibe, sieht sie sich gerade etwas in irgendeiner Mediathek an, also der neue Fernseher hat auch sie überzeugt. Und über den elektronischen Eierschneider will ich hier kein Wort verlieren, das gab zuletzt eine riesen Sauerei, wenn so ein Ei durch die Küche fliegt – nachdem es durch einen außer Kontrolle geratenen motorisierten Schneidevorgang zerfetzt worden ist.

Der neue Kaffeeautomat ist also das jüngste Beispiel für eine in ihren Augen sinnlose Anschaffung. Und ich gebe auch zu, dass wir inzwischen keine Ahnung mehr haben, wo diese ganzen Geräte überhaupt stehen sollen und können. Er wird sich jetzt mit dem Wasserkocher anfreunden dürfen, während ich heute Morgen bereits im Supermarkt mehrere Sorten „Dolce Gusto“-Kaffees gekauft habe. Ich schreibe daher auch in einem massiven Kaffeerausch. Zuletzt trank ich einen Lungo. Kannte ich gar nicht. Ist aber auch nichts anderes als ein verlängerter Espresso, derer ich bereits zwei hatte, nach dem Cappucino und dem Café Au Lait. Und dem Café Grande. „In drei Wochen steht das Ding da ‚rum und Du trinkst wieder Filterkaffee!“, sagte sie mir heute, womit sie möglicherweise nicht ganz Unrecht hat, zumal der herkömmliche Kaffee schlicht billiger ist. Aber es sind eben Spielzeuge, die mann so braucht und außerdem werde ich ja Montag operiert. Wie könnte sie mir angesichts dieser Tatsache Wünsche verwehren?

Die Maschine kann auch heißen Kakao. Das ist ja ihr Getränk und ich versuchte, ihr das Ding damit schmackhaft zu machen. Aber auch der ist natürlich völlig überteuert, keine Frage. Trinke ich heißen Kakao, muss ich übrigens unweigerlich kotzen; allein sein Geruch lässt mich würgen. Kindheitstrauma, als meine Oma mich mal mit heißem Kakao abgefüllt hatte, bis ich ihr Sofa vollreierte.

Nächstes Spielzeug, das ansteht, ist eine Ultraschall-Zahnbürste und/oder ein Ultraschall-Brillen-Reinigungsgerät. Mir ist schleierhaft, wie ich ohne diese Geräte überhaupt den Alltag meistere. Letztlich gebe ich zu, das ist alles eine kleine, aber süße Macke von mir, ich bekomme einen Punkt, es steht fünf zu drei. Wenn es da nicht eine Macke ihrerseits gäbe.

Sie: Puh.

Es wird eng für mich. Wir haben gerade noch einmal zusammen überlegt, was mich an ihr nervt.

„Dass ich Deine Pflanzen töte?“

Ja, das tut sie. Sie hält mir vor, ich würde zu oft gießen. Also übertrugen wir ihr die Aufgabe des Blumengießens. Seitdem geht Greenpeace bei uns ein und aus, um ein großes Pflanzensterben zu dokumentieren. Da wäre mein Efeu, das ich mir noch in meiner alten, alleinigen Wohnung auf mehrere Meter Länge gezüchtet hatte, damit es eine Säule zieren konnte. Nach dem Zusammenziehen kam sie auf die Idee, dieses Efeu, das ein sehr glückliches Efeu war, umzutopfen. Das hat das Efeu, zu dem ich schon eine emotionale Bindung aufgebaut hatte, nicht überlebt. Das ist nun etwa zwei Jahre her und wieder aktuell, da sie mir kürzlich neues Efeu brachte! Efeu-Gießen ist nun mein exklusives Recht, sie darf es nicht einmal ansehen; ich zeige ihr gelegentlich Fotos. Aber ist das eine Macke? Wohl kaum.

„Dass ich immer kalte Füße habe?“

Ja, das Körnerkissen im Hochsommer im Bett. Ein Traum. Da lege ich mich auf sie und spüre plötzlich eine ungemeine Hitze. „Du liegst auf dem Körnerkissen!“, klärt sie mich dann auf. „Sind ja auch nur 25 Grad in dieser Nacht.“ Auch keine Macke. Eher typisch Frau.

„Meine Unordnung?“

Da schreibe ich derzeit ein Buch drüber, da die WordPress-Serverkapazitäten soviel Text nicht aufnehmen könnten. Was soll ich sagen?! Ist sie mal ein paar Tage nicht da, nutze ich die Zeit, um zu renovieren. Alles auf Hochglanz, selbst die Spülmaschine von innen geputzt und Schlüssellöcher mit einer kleinen Bürste gesäubert. Alles steril, alles steht an seinem Platz. Kommt sie dann wieder, dauert es keine 15 Minuten, da kann man verfolgen, welchen Weg sie durch die Wohnung genommen hat, während ich verzweifelt auf dem abgesaugten Sofa sitze und zusehe, wie mein Werk binnen Minuten zerstört wird. Nichts unterscheidet uns mehr als der Sinn für Ordnung. Kurioserweise verhält es sich aber so, dass es einen Raum gibt, in dem sie auf penibelste Ordnung achtet: den Kellerraum! Ausgerechnet der Raum, in dem man sich nun wirklich nicht aufhält, ist immer aufgeräumt. Da wurde gestern der Karton meiner „Dolce Gusto“ zum Konfliktpunkt, da ich Verpackungen dieser Größenordnung immer ein paar Wochen aufbewahre, falls man das Gerät einschicken muss. Und es stört sie massiv, wenn diese Kartons dann im Kellerraum ‚rumstehen. Weil es dort ja feucht sei und gammele. Seit drei Jahren liegt dort unten mein „Spiegel“-Archiv mit den Ausgaben der vergangenen rund fünfzehn Jahren, ohne das auch nur eine Ausgabe verschimmelt ist. Ach, irgendwie ist das eine Macke von mir, nicht von ihr. Als ob ich jemals noch den „Spiegel“ 08/98 lesen würde! Aber ich könnte! Und damals war Kohl noch Kanzler! Die Missachtung dieses wertvollen Archivs von Zeitgeschehen zeugt von Ignoranz gegenüber der jüngeren Geschichte! Und wo wir bei Unordnung sind: Gerade kam sie ‚rein und sagte: „Schreib‘ darüber, dass ich ständig Sachen verliere oder verlege!“ – „Wieso, was suchst Du gerade?“ – „Meinen Gürtel, den schwarzen, der so cool zu geht.“ Natürlich, der so cool zu geht. Das Schlimme ist, ich weiß, welchen sie meint, denn wer hat ihn gestern Morgen weggeräumt?! Ich natürlich. Und zwar dahin, wo er hingehört: ins Gürtelfach! Da zu suchen, liegt ihr aus unerfindlichen Gründen fern!

Ob ich ihr für diese kleine, unbedeutende Aufzählung jetzt einen Punkt gebe, ist unerheblich, ich habe verloren. Mit fünf zu drei oder fünf zu vier. Es hilft nichts: Wenn Macken Grabstein unserer Beziehung sein sollten, dann meine. Beenden wir die Serie mit der grauenhaften Selbsterkenntnis:

Diese Beziehung kille ich!

Jetzt sucht sie ihre Schuhe … Und ich würd’s vermissen. Sie ist eben doch perfekt.