wpid-2015-09-08-09.24.14.jpg.jpegDas Wesentliche am Mann.

Genug der Leistenbruch-Geschichten; ich kann es selber ja nicht mehr hören, doch die Chronistenpflicht verlangt einen würdigen Abschluss. Für die Neuleser: Ich hatte einen (indirekten) Leistenbruch und gestern eine dazu passende OP. Es wäre ja auch Schabernack, mir den Blinddarm herauszunehmen, wenn ein Leistenbruch vorliegt.

Kurz vor dem Inkrafttreten der Vollnarkose habe ich offenbar meine Ärztin noch auf die Schmerzmittelproblematik hingewiesen, dass ich Tropfen statt Tabletten bekommen hätte und wie denn nun zu dosieren sei. Davon weiß ich nichts mehr, ansonsten war diese meine erste Vollnarkose ein heiterer Spaß. Drei Stunden etwa dauerte das Unterfangen, danach ging ich auffällig gut gelaunt nach Hause. Dort verging mir dann das Lachen, denn ich hatte die drohenden Schmerzen dann doch leicht unterschätzt, was auch mangelnder Erfahrung geschuldet sein könnte; es war meine erste OP, die Herausnahme der Polypen mal ausgenommen.

Irgendwo schrieb mal abfällig über Bettpfannen. Ich würde sie auf keinen Fall benutzen. Ich sehe das heute anders. Ich war jung und naiv. Vielleicht wegen der Infusionen gestern musste ich mehrfach heute Nacht das WC aufsuchen. Der Vorgang des Urinierens an sich ist überhaupt kein Problem. Aber das Niederlassen auf die Porzellanschüssel entpuppte sich als ein Akt, den ich mir gerne zweimal überlegen würde, wäre er nicht so unabwendbar. Sobald ich mein linkes Bein anwinkle, schießt ein Schmerz durch meine Leiste, der einem fiesen Brennen gleichkommt. Diesen Schmerz spüre ich etwa auf der Hälfte des Sitzvorganges, also wenn ich noch etwa 20 Zentimeter über der Klobrille schwebe. Die Vollendung des Hinsetzens ist ähnlich schmerzhaft und wird von einem heldenhaften Stöhnen begleitet.

Und dann sitzt man da. Und weiß: Man muss wieder aufstehen. Anhand einer Handtuchstange ziehe ich mich empor und stehe dann vor dem Problem, dass ich meine Hose unten vergessen habe. Hier wünschte ich mir einen mechanischen Greifarm, den ich noch aus dem Altenheim kenne, wo ich zwei Jahre gearbeitet habe. Abermals muss ich mich also wieder bücken, wobei mir auf der Hälfte des Weges mein Fuß entgegenkommt, zwischen dessen Zehen die Hose eingeklemmt ist. Der Fuß reicht mir also die Hose, ich muss nur noch hochziehen. Stöhnen. Wo andere weinen, stöhne ich bloß.

Zurück ins Bett. Das Hinlegen will gut überlegt sein. Gestern Abend machte ich den Fehler, mich vorwärts hinzulegen. Dann liegt man da auf dem Bauch und im schlimmsten Fall mit ihm auf der Decke. Unter die Decke kam ich nur mithilfe meiner Mitbewohnerin, die auch so freundlich war, mich auf den Rücken zu drehen. Und leider kann ich eben nur auf dem Rücken liegen, Ihr werdet das kennen. Das wird nach ein paar Stunden sehr langweilig, sodass ich um fünf Uhr das Unternehmen Schlafen erfolglos abbrach.

Bislang ging es nur um das Urinieren. Das zweite, das größere Unterfangen, ziehe ich heute erst gar nicht in Betracht. Denn sobald ich Druck ausübe, beim Husten oder Lachen, schießt wieder dieser Schmerz durch meinen stählernen Körper. Ich habe es heute Morgen versucht, aber abgebrochen. Kot spielt in den nächsten Tagen eine untergeordnete Rolle.

Ich habe mir übrigens vorgenommen, in meinen zwei freien Wochen nun „Kishon“ zu lesen. Ein heiterer Mann, der sich auf Alltagsgeschichten spezialisiert hat, wobei auch der israelische Kontext des jüdischen Autors eine Rolle spielt. Die Bücher erwarten mich heute in der Packstation und sind sie so humorig, wie ich mich zu erinnern meine, wird es eine schmerzhafte Lektüre, denn Lachen tut weh.

Man hat mich nun auf das Sofa verfrachtet und ich überlege, mit welcher „Netflix“-Serie ich beginne. „Penny Dreadful“? Oder mit der BBC-Serie „Jonathan Strange & Mr. Norrell“, die ich schon angefangen hatte, als ich das Wort „Leistenbruch“ nicht einmal niedergeschrieben hatte. Leider habe ich soviel Kaffee getrunken, dass es mich auch schon wieder zur Toilette drängt. Dafür muss ich etwa zehn Minuten einplanen. Unterwegs werde ich meine Mitbewohnerin treffen, die sich dankenswerter Weise freigenommen hat. Denn sie muss all die Dinge vom Boden aufheben, die ich dort hinbefördert habe. Denn entschuldige mal, ich kann mich in diesem Zustand unmöglich bücken. Wer hat mir heute die Socken angezogen? Die Schuhe? Eben. Ich bewege mich in tiefer Dankbarkeit, aber eben nicht auf Bodennähe, weil sonst die Naht platzt.

Ich war um acht beim Arzt. Dort durfte ich auch mal einen Blick auf die Wunde werfen. Sieht an sich ganz okay aus. Offenbar wurde ich während der Narkose auch intimrasiert. Nur halbseitig. Das sieht natürlich etwas asymmetrisch aus, da muss ich nacharbeiten. Ansonsten ist das alles etwas geschwollen und ich solle mir keine Sorgen machen, wenn Penis und Hoden sich blau färbten. Das ist gut, dass man mir das vorbereitend sagt, denn blaue Hoden würden mich doch zumindest leicht beunruhigen.

Ich beende hiermit das Kapitel „Leistenbruch“, weil ich auch mir damit zunehmend auf den Sack gehe. Ab morgen wird es im seppolog wie gewohnt um Sex, Gewalt und Drogen gehen, so wie die Leser es aus alten Zeiten kennen. Übrigens, schlimmer als ein Leistenbruch ist nur ein Männerschnupfen.