wpid-2015-09-09-15.46.51.jpg.jpegNur Freunde von Gedrucktem wissen, dass heute zu jedem Buch Lesebrillen mitgeliefert werden, da man anders als bei der elektronischen Buch-Variante die Schrift nicht variieren kann.

Das Im-Stehen-Pinkeln wurde der Männschheit (für diese Wortkreation werde ich mich, so ich die Zeit dazu finde, feiern), ausgetrieben. Ich kann damit leben, ich nutze das kleine Geschäft im Sitzen gerne als Verschnauf- oder gar Lesepause. Freilich freue ich mich auch über Urinale und sitzen soll und will man auf denen ja nicht, obwohl es schon Frauen gegeben haben soll, die sich darauf versuchten.

Ich ärgere mich nicht über den Rundfunkbeitrag. Mag sein, dass er zu hoch ist, das System ineffizient, aber welches System muss sich das nicht irgendwann vorwerfen lassen?! (Außerdem leiden doch die meisten Kritiker unverschuldet unter einer Informationsasymmetrie. Wirklich beschreiben können eine Ineffizienz des öffentlich-rechtlichen Systems die wenigsten, aber man lese ja soviel! Ich stehe da auf verlorenem Posten, was die Verteidigung des Öffentlich-Rechtlichen angeht. Meine geschätzte FAZ fährt beispielsweise eine miese, durchschaubare Kampagne gegen die Ex-Gebühr. Sie fährt sonst keine Kampagnen, das soll die „Bild“ machen, hier jedoch macht sie eine Ausnahme, die mich zum Brechen bringt. Ich schickte sogar mal einen schimpfenden Brief an die FAZ mit gleichzeitiger Kündigung des Abos. Doch leider missfiel mir die Süddeutsche als Alternative, sodass ich kleinlaut zur Frankfurter Variante zurückkehrte. Der Verlust ihrer Leserschaft ist mitnichten dem Rundfunkbeitrag geschuldet. Hört also auf zu heulen und druckt einfach ein paar mehr bunte Erklärgrafiken. (Bevor ich den „Spiegel“ las, las ich „Focus“. Der war schön bunt. Aber er übertrieb in den Anfangsjahren, als es ihm mit Journalismus noch ernst war, bevor er also zum Lifestyle-Magazin umgebaut worden war: überall Grafiken und Diagramme, sodass man nicht mehr wusste, wo die nächste Spalte Text eigentlich anfing …) Aber ich frage mich durchaus, warum nicht Kreativeres zur Hauptsendezeit aus den Geldern gemacht wird. Und da ich zur Zeit ja selbige in großem Ausmaß habe, kam ich eben in die Verlegenheit, eine nette DDR-Satire im „Ersten“ zu finden, die in der Mediathek unter „Sedwitz“ firmiert. Das ist mal eine Serie, die ich aus deutscher Produktion gar nicht mehr erwartet hätte. Aber Hauptsache, man versendet sie nachts um 23 Uhr 30. Diese Idioten. Sie senden sich selbstverschuldet in die Illegitimation. Oder warum einen Böhmermann nur im Neo-Ableger zeigen und im Hauptprogramm möglichst spät nachts?! Ich kapier’s nicht. Seit zwei Jahrzehnten höre ich, die Öffentlich-Rechtlichen wollen sich verjüngen und sie tun es doch nicht. Obwohl, sie haben „Forsthaus Falkenau“ abgesetzt … Und dann kündigt Himmler (zum Glück Norbert) ein deutsches „Breaking Bad“ an. Wie doof kann man sein?! Aber ich bin vom Thema abgekommen. Und weiß nicht mal mehr, ob ich noch eine Klammer schließen muss.))))))

Ich kann wunderbar nach meiner OP auf dem Rücken liegen, inzwischen sogar auch auf der linken Seite. Mir fiel nun allerdings auf, dass ich im Grunde nur sitze oder liege, da ich mir wegen eines nicht unerheblichen Wundschmerzes das Aufstehen zweimal überlege, sodass ich mitunter einfach liegen bleibe. Weil ich zumindest gedanklich mehrere Semester Medizin studiert habe, wurde mir nun klar, dass dieses Liegen der Wundheilung nicht zuträglich sein kann. Also beschloss ich heute, ein wenig zu stehen. Und so stehe ich in der Wohung seit etwa fünf Uhr am Morgen. Einen kleinen Spaziergang habe ich gewagt, wollte gar bis zur Packstation gehen, doch komme ich nur nach vorn ‚rübergebeugt und sehr langsam voran, dass ich das Unterfangen abbrach, da es andernfalls Stunden an Zeit gefressen hätte, die ich aber durchaus habe. Also setze ich seitdem den Spaziergang innerhalb der Wohnung fort und gehe von einem ins andere Zimmer. Treppensteigen geht wieder ganz gut, allerdings nur abwärts, was ich erst bemerkte, als ich bereits unten war.

Nun habe ich mir Literatur von Ephraim Kishon kommen lassen und „Die liebe Verwandtschaft“ bereits gestern durchgelesen, sodass es heute an „Die netten Nachbarn“ geht. Und die werde ich im Stehen lesen. Stehen kann man anders als Sitzen ja nun wirklich überall. Nicht, dass man in meiner Wohnung nicht zahlreiche Sitzgelegenheiten fände, aber Stehen funktioniert ganz ohne Mobiliar, sodass man weniger von Steh- als von Sitzgelegenheiten spricht. Wenn ich mit meiner Mitbewohnerin shoppen gehe, finde ich zahlreiche Stehgelegenheiten für mich, während sie durch die Regale schlawingert. Ich stelle mich meist an Kleiderständer; vielmehr stütze ich mich auf sie. Zwar gibt es Spielecken für Kindern, aber ausreichend Sitzgelegenheiten für die Männer eben nicht. Also hängt man sich halbwegs über irgendwelche Klamottenständer und steht somit anderen Kundinnen im Weg, sodass man also von Ständer zu Ständer tingelt, um zumindest Großteile des Körpergewichts irgendwo möglichst energiesparend abzulegen.

Zur Förderung meiner Naht-Heilung habe ich mir nun freies Stehen verordnet. Auch wenn ich derzeit alleine in meiner Wohnung bin, gebe ich ein seltsames Bild ab, wenn ich mitten im Raume stehe, in der Hand ein Buch. Es sieht niemand, klar. Wenn im Wald ein Baum umfällt und keiner ist anwesend, um das Spektakel zu sehen und zu hören – gibt’s dann ein Geräusch? Und wenn ich alleine mitten in der Küche stehe, in der Hand das Buch, keiner da, der mich sieht oder hört – stehe ich dann wirklich in der Küche? Ja. Ich meine schon. Denn ich spüre es irgendwann in den Beinen. Daher gönne ich es mir, mich ab späten Nachmittag zumindest irgendwo anzulehnen, während ich stehe, in der Hand das Buch. Das hat dann sogar was sehr lässiges. Aber wenn’s keiner sieht – ist es dann lässig?

Mich hat zuletzt überrascht, wie viele meiner frischen Generation noch Kishon kennen. Mit „viele“ meine ich exakt zwei Freundinnen, die beide, wie eben auch ich, über ihren Vater in Erstkontakt mit ihm kamen. Wobei ich nicht über ihre Väter zu Kishon kam, sondern über meinen. Der hatte irgendwann ein Kishon-Leseverbot durch meine Mutter, seiner ‚besten Ehefrau von allen‘, erteilt bekommen, da sie nie einschlafen konnte, wenn er einigermaßen erheitert über die Satiren lachend das Bett zum Beben brachte. Es gibt also mehrere Möglichkeiten, das Ehebett zum Beben zu bringen. Ich darf abends Kishon im Bett nicht lesen, weil ich zu laut umblättere!