wpid-2015-09-11-07.57.19.jpg.jpegDas „Corny-Schaf mit Pfefferstreuer“, Zusammenstellung von Sebastian Flotho, 2015)

Ich habe in meinem langjährigen Mietverhältnis eines relativ schnell lernen müssen: Eifersucht kommt nicht gut an, wobei ich mir selber keinesfalls krankhafte Eifersucht zuschreiben würde und sie auch als Kompliment verstanden wissen möchte.

Als ich meine Mitbewohnerin vor elf Jahren kennen lernte, war da noch ein dritter im Spiel, ein Argentinier, der ebenfalls um meine Mitbewohnerin warb. Er war eher eine kleine Ausführung eines Mannes, sah aber ansonsten ganz gut aus. „Ansonsten“. Nun habe ich kleine Männer beleidigt. Aber ich befand mich in einem Konkurrenzkampf um eine Frau, da wägt man eben solche Dinge miteinander ab und ich weiß, dass sie eben auf Typen steht, die ihre Größe überragen, was sich gut traf, denn ich stehe eben auf Frauen, die mir bis zum Halse gehen.

Was da lief zwischen den beiden, weiß ich bis heute nicht so genau, weil es auch nicht mehr relevant ist, denn ich habe gesiegt, das darf ich vorwegnehmen. „Dein Humor hat den Ausschlag gegeben“, klärte sie mich damals auf. Und ich nehme auch an, die fehlende Sprachbarriere. Dass wir eine gemeinsame Sprache sprechen, hat mich sicherlich auch weit nach vorn gebracht.

Doch es störte mich ungemein, als der kleine, humorunterlegene Argentinier einmal bei ihr übernachtete, als wir bereits das Mietverhältnis eingegangen waren. Es hatte mich, sagen wir mal, verstört; vielleicht fühlte ich mich auch bedroht oder war einfach beleidigt. Denn offenbar hatte er einen beeindruckend großen Penis, ganz Münster sprach damals über nichts anderes, als über den „Penismann aus Argentinien“ und ich lüge nicht.

Ich teilte meiner frischen Mitbewohnerin mit, dass das eher ungünstig sei, wenn ein ausgeschiedener Kandidat noch bei ihr um Asyl ersuche (Ist das inkorrekt, in diesen Zeiten das so zu formulieren?!). Sie stimmte mir zu, beklagte sich aber daraufhin über übertriebene Eifersucht. Denn ich müsse schon damit leben, dass sie grundsätzlich sehr viel mit Typen zu tun habe, mehr als mit Frauen. Darauf stellte ich mich ein, wusste ich doch, dass es sich bei mir analog verhält.

Eifersucht war in der Folge kein großes Thema mehr bei uns. Bis zu einem Ereignis jüngst in der Düsseldorfer Altstadt. Wir stehen beide an einer Theke, ich mehr körperlich als geistig, da ich abermals dem Schnaps nicht widerstand, als ein Geschlechtsgenosse ihr die Aufwartung machte. Während ich daneben stehe. Der gute Mann konnte ja nicht ahnen, dass wir den Lebensweg gemeinsam beschreiten, also brachte ich mich galant in das Gespräch mit ein:

„Folgendes. Zwischen der Dame und mir besteht ein gewisses Band, wenn Du verstehst.“

Er verstand es nicht, vermutlich auch, da ich lallte. Und nun ist es ja so, dass ich unmöglich mit ansehen kann, wie sich da einer an meine Mitbewohnerin ranmacht. Das fordert mich ja geradezu heraus, das verletzt die Mannes-Ehre, die umgehend wieder hergestellt werden muss. Ein solches Verhalten ist eigentlich das einzige, das in mir Aggressionen auslöst, die ich dann auch gerne und zuvorderst übermütig weitergeben möchte. Ich wurde also deutlicher:

„Die Dame ist in gewisser Hinsicht vergeben. Dabei spiele ich eine nicht unerhebliche Rolle.“

Damit sollte es an sich klar geworden sein, sodass ich – bereits pleite – noch eine Runde Schnaps für alle bestellte. Ich neige zu etwas ungeschickt formulierten Äußerungen, die möglicherweise etwas geschwollen herüberkommen. Ich hätte ihn möglicherweise einfach bitten sollen, gefälligst meine Perle nicht anzufassen. Doch der Mann ließ nicht locker. „Er macht doch gar nichts“, sagte meine Mitbewohnerin, womit sie möglicherweise gar nicht so falsch lag. Doch Männer zeigen nicht einfach so mal Interesse, da steckt immer eine eindeutige Absicht dahinter und angesichts meiner Mitbewohnerin kann man es ihm auch nicht übel nehmen, der Mann bewies Geschmack, verhob sich allerdings auch meiner Meinung nach.

Mein getrübtes Erinnerungsvermögen weist ab hier Lücken auf; nur soviel ist klar: Eifersucht mag meine Mitbewohnerin überhaupt nicht, sie war sehr erzürnt ob meines Verhaltens. Für mich aber bleibt klar: Wenn da jemand in mein Revier eindringt, wird das verteidigt. Mit zumindest verbaler Provokation, wegrennen kann ich ja später immer noch. Ich werde es jederzeit wieder genauso tun. Mich vor den Typen stellen, Kinn hoch, Brust raus, bisschen böse gucken und die Fronten klären.

Gestern schrieb ich noch über unsere neue Nachbarin Lara und es entstand der Eindruck, dieses Mal sei meine Mitbewohnerin mit Eifersucht an der Reihe. Da kann ich aber lange drauf warten, ihr ist das weitestgehend fremd mit der ganz simplen Begründung: „Ich vertraue Dir.“ Und ich kann behaupten, dass sie das zurecht tut. Aber wenn da jemand so völlig immun gegen Eifersucht ist, macht das doch stutzig. Nun vertraue ich ihr auch. Grenzenlos. Auch das könnte naiv sein, denn letztlich neige ich dazu, überhaupt niemandem zu vertrauen. Aber wenn jemandem, dann ihr. Auch „Oven“ macht mir keine Sorgen, dazu gleich mehr.

Ich versuche also seit vielen Jahren, sie eifersüchtig zu machen. Nur ein bisschen eben. Sie aus der Reserve zu locken. Erzähle ihr beispielsweise von dem ansehnlichen Po einer Freundin. Oder von dem Popo-Paradies, in dem ich große Teile meiner feuchten Träume verbringe. Oder lade einige ihrer Freundinnen in unser Bett ein. Oder betone, dass die und die ja genau meinen Idealvorstellungen entsprächen. Prallt an ihr ab, zumal sie es inzwischen auch durchschaut. Und sie weiß, dass sie die einzige ist, die tatsächlich meinen Idealvorstellungen einer Mitbewohnerin entspricht. Das habe ich ihr sooft gesagt, dass sie es sogar glaubt. Zurecht glaubt.

Als Mann stellt man sich dann die Frage, warum sie nicht eifersüchtig wird und irgendwann kommt man zur möglichen Antwort, dass sie einen vielleicht für so unattraktiv hält, nicht nur äußerlich, dass sie es für völlig utopisch hält, dass sich überhaupt eine andere für mich interessieren würde. Ich fragte sie dereinst, ob dem so sei.

„Ja.“

Okay. Ich hake nach. Sie hat vermutlich gescherzt. „War das ein Scherz?“

„Ja. Ich vertraue Dir eben.“

Verdammt. Sie vertraut mir. Was hab‘ ich falsch gemacht?!

Die Frau ist nicht eifersüchtig zu kriegen, ich finde mich damit ab. Übrigens kenne ich von meiner ersten Freundin die andere Seite: die übertriebene Eifersucht. Man möchte morden. Insofern ist mir dir derzeitige Situation durchaus recht. Wenn da nicht Oven wäre.

Oven heißt natürlich ganz anders. Anders als ich ist er kein reifer, ausgewachsener Mann, der weiß, wo es langgeht und mit einer gewissen Abgeklärtheit auf die Probleme des Lebens schaut und überhaupt unfassbar toll ist. Oven ist keine 30 Jahre alt, womit er für mich beinahe noch Kind ist, zumal er eher 20 als 30 ist, und meint, Interesse für meine Mitbewohnerin an den Tag legen zu müssen. Oven und ich werden daher nie Freunde werden. So etwas ärgert meine Mitbewohnerin, aber es geht hier ja schließlich um meine Würde, die ich in der Vergangenheit zu oft mit eigenen Füßen getreten habe. Ein mittzwanziger Charmeur macht meiner Mitbewohnerin via Blumen Avancen? Verdammt, er sieht sehr gut dabei aus. Und: Er trägt keinen Bart! In meinen Augen ganz klar ein Zeichen von Schwäche, allerdings wünscht sich meine Mitbewohnerin nichts mehr als ein bartfreies Gesicht, ein Wunsch, den ich ihr vermutlich nie erfüllen werde. Jetzt kommt Oven mit seinen Wangen, glatt wie ein glattes Vergleichsobjekt.

Oven hat mir nichts getan, vielleicht ist er sogar ein netter Mensch. Vielleicht sind wir in einem Paralleluniversum die besten Freunde und wieder woanders möglicherweise Geschlechtspartner, die gemeinsam in den Kampf für eine gleichberechtigte Homoehe ziehen. Wieder woanders sind wir vielleicht Drogenhändler, die sich im Rausch ich weiß auch nicht. Vieles möglich. In diesem Universum allerdings sind wir Rivalen, einfach weil er dumm meine Mitbewohnerin angrinst. Ich hab‘ Dich im Auge, Oven …

Auf einer Hochzeit vor einigen Monaten trug es sich zu, dass irgendein Typ plötzlich den Arm um meine Mitbewohnerin legte. Es war kein guter Freund. Es war nicht einmal ein Bekannter. Das aus der Ferne mir betrachtend brauste ich innerlich auf, ging zu den beiden herüber und legte meinen Arm um ihn. So standen wir da zu dritt, als seien wir schon seit dem Sandkasten ein unzertrennliches Trio und ich überlegte, ob es nicht an der Zeit sei, mich aus der Gruppenumarmung zu lösen und einen bissigen Kommentar zu verfassen. Es reichte leider nur für ein „So nicht“, was aber seine Funktion bereits erfüllte. Er darf sie ja gerne umarmen, aber ihm sollte bewusst sein, dass er etwaige Ziele dadurch mitnichten erreichen wird.

Reizt man meine Mitbewohnerin, kann sie sehr unfreundlich werden. Ich weiß das sehr genau. Es begab sich vor drei, vier Jahren auf einer Party an der Uni, dass mir eine meiner Praktikantinnen aus dem Nichts heraus ihre Zunge in den Hals schob. Ich genoss es sehr verantwortungsvoll für einen Sekundenbruchteil, um sie dann sanft wegzustoßen. Mir ist klar, dass zu dieser Stelle entsprechende Kommentare von Leserinnen kommen werden, aber es trug sich wirklich so zu. Sie stand vor mir, wir unterhielten uns und zack – Zunge drin. Schön warm und verraucht. Ich eilte zu meiner Mitbewohnerin, um ihr diesen Vorfall in aller Ausführlichkeit mitzuteilen. Aus zwei Gründen: Kollegen könnten die Szene beobachtet haben und daraus Gerüchte stricken. Und zum Zweiten hatte ich mir nichts zu Schulden kommen lassen. Gut, einige Wochen zuvor geschah mir dasselbe mit einer anderen Dame in der Heimat meiner Mitbewohnerin. Auch da bade ich in Unschuld. Es muss eine Zeit gewesen sein, als Frauen einfach nicht anders konnten, als mir ihre Zunge näher zu bringen. Ich bewege mich hier auf ganz dünnem Eis; ich weiß das. Ich bin weißgott kein Macho, es war nun einmal so. Damals.

Ich also zu meiner Mitbewohnerin und berichtete chronologisch. Damals erzählte man noch nicht horizontal. Unterhalten. Mund auf, Zunge drin. Kurzer Genuss. Sanftes Wegstoßen. Die wesentlichen Merkmale des Ereignisses eben. Und puh, was soll ich sagen, ich musste verhindern, dass die beiden Damen aufeinanderstoßen würden, denn es hätte einen Kampf gegeben, den meine Mitbewohnerin zügig und entschlossen zu einem schnellen Ende gebracht hätte. Sie war außer sich. Und nicht wegen meiner Person. Ich versprach, meinen Mund ausführlich auszuwaschen und ihn künftig nicht mehr unnötig zu öffnen.

Das also war wohl die einzige Situation, in der ich eine gewisse Eifersucht bei ihr beobachten durfte. Jene Praktikantin übrigens hatte sich am Folgetag bei mir entschuldigt. Und wer wäre ich, die Entschuldigung nicht anzunehmen? Und man stelle sich vor, ich als Weisungsbefugter hätte ihr einen Kuss aufgenötigt! Am Kopierer stehend.

Berücksichtigt eines, wenn Ihr mich in den Kommentaren gleich möglicherweise beschimpft: Meine Mitbewohnerin kennt diese Texte, bevor ich sie veröffentliche! Und beachtet mein Augenzwinkern beim Schreiben.