Zu den Teilen I und II, aber auch ohne durchaus lesbar.lara3

„Lara, schon mal was mit einer Frau gehabt?“

„Ja, sicher. Waum willst du das wissen?“

„Für mein Bilderbuch. Erstaunlich, so ziemlich jede Frau, die ich kenne – ausgenommen meine Mutter, soweit ich informiert bin – hatte mal was mit einer Frau.“

„Ja, probeweise. Männer haben doch auch sicher mal was mit Männern?!“

„Ja, die nennt man ‚homosexuell‘, da alles einen Stempel braucht.“

„Nein, auch probeweise, meine ich. Du noch nicht?!“

„Doch, ich bin ein Männer mordender Vamp.“

Und dieses Mal füge ich ausnahmsweise und zur Sicherheit hinzu: „Das war jetzt ein Scherz.“ Denn das Vergnügen mit einem Mann hatte ich noch nie und ich forciere es auch nicht. Klar, Anfragen gibt es zuhauf. Ich bin eine Schwulen-Ikone. Nun gut.

Für die Neueinsteiger, denen ich die vorigen Kapitel ans Herz lege, sei kurz zusammengefasst, dass es sich bei der probierfreudigen Lara, die nichts anbrennen lässt, um meine neue Nachbarin handelt, die vor einigen Wochen von Hamburg hier nach Düsseldorf zog. Es war nicht Hamburg. Es war irgendwas mit „H“. Auch nicht Hannover. Wir bleiben hier bei „Hamburg“. Wichtiger war mir offenbar die Frage nach ihrer exakten sexuellen Ausrichtung. Oder kam sie aus Köln?! Lara hat mich des Öfteren während einer Rekonvaleszens-Phase nach einer wahnsinnig riskanten OP (Stichwort „Schießerei“) zuhause besucht. Und da sie wusste, dass ich zuhause bin, musste ich jedes Mal auch die Tür öffnen. Denn nach dem dritten vergeblichen Klingeln fing sie im Hausflur an zu rufen, sodass ich letztlich stets öffnete.

Nun hatte das brünette Geschöpf (ich wollte mal was anderes als „blond“ schreiben, aber sie ist nun einmal blond, wie man blonder nicht sein kann (Michel aus Lönneberga, der war noch blonder)), das also wasserstoffblond ist, obwohl Wasserstoff nicht blond ist, aber offenbar blond macht, mich gebeten, sie an die Männerwelt heranzuführen, sie zumindest einen Abend in die Altstadt zu begleiten, um einen Herren für sie zu finden. Hört sich nach Unterwürfigkeit an, also, sie sucht einen Mann und ich soll die guten von den schlechten trennen.

Und machen wir uns nichts vor. Wäre diese Geschichte ausgedacht, würde sie damit enden, dass wir jemanden für sie finden. Oder nein, ich wäre am Ende schwul und hätte meinen Traummann gefunden. Doch es handelt sich hier um eine wahre Begebenheit vom zurückliegenden Dienstagabend. Und soviel nehme ich jetzt vorweg: Natürlich fanden wir keinen Typen für sie.

Aber immerhin zeigt der Alkohol seine Wirkung. Ich hatte schon längere Zeit nicht mehr das Vergnügen eines gepflegten Rausches und merke, wie langsam mein Hirn leicht schwammig wird und meine Stimmung in eine unverschämte Grundzufriedenheit mit meiner selbst und der Welt an sich umschlägt. Ein Phänomen, das sich am Morgen danach stets ins andere Extrem verkehrt.

„Und du hast wirklich mit Frauen geschlafen? Mit mehreren gleichzeitig?“

„Nein, Sebastian! Ich habe es halt mal probiert. Mit einer! Es war nett, wir waren beide neugierig. Das war alles. Letztlich fehlte aber was.“

„Was denn?“

„Ja, was wohl?!“

Die Stunden vergingen und wir lernten uns kennen, obwohl ich das für mich wichtigste ja bereits von ihr wusste. Wenn ich etwas getrunken habe, beginne ich Erzählungen gerne mit

„Folgendes: Das muss ich jetzt unbedingt erzählen. Folgende Situation: …“

… worauf dann meist nichts mehr folgt, weil ich meinen Gedankengang schon verloren habe. Denn ich wurde abgelenkt. Lara singt. Und überhaupt ist ihre Stimmlage inzwischen um eine Oktave nach oben gewandert. Vorsicht, Lara, denke ich, das könnte abschreckend auf Männer wirken. Etwas grell im Organ! Aber irgendwo auch geil.

„Lara, bist du noch bei mir?“

Denn ich will sie auf die Typen neben uns am Tisch aufmerksam machen. Ich stoße sie an und deute konspirativ nach rechts. Für Lara zu konspirativ, sie merkt es nicht und ist nun, da offenbar textunsicher, zu einem Summen übergegangen.

„Lara, die neben uns. Ist da nun einer dabei?“

„Geht’s noch auffälliger?!“, empört sie sich.

„Ja, im Grunde schon. Unauffälliger merkst du es ja nicht. Also, was ist zu tun? Was machen Frauen an deiner Stelle jetzt? Ich bin bereits überfordert. Ich spreche die ja jetzt wohl nicht an.“

„Es reicht, wenn du den am Tischende ansprichst.“

Der gefiel ihr also.

„Lara, der trinkt nur Cola. Der ist nichts.“

Und in Gedanken: „Der müsste nüchtern deinen Gesang ertragen.“

Lara dreht sich plötzlich zur Seite und ruft zu dem Cola-Konsumenten herüber: „Trinkst du nur Cola?!“

Haha, sehr sympathisch, dachte ich. Sowas gefällt mir. Des Typen Replik:

„Nope, ist Rumcola.“

Oha. „Nope“. Der Mann sagt nicht einfach „nein“, er sagt „nope“. „Nein“ hat er nicht nötig, er schmettert uns ein „nope“ herüber. Und was ich persönlich sensationell finde: Er trinkt Rumcola.

„Gibst du mir einen aus?“, erkundigt sich Lara, die die Nummer hier nicht zum ersten Mal durchzieht.

„Mir auch?“, frage ich und ernte nur ein müdes Gröhlen vom Nachbartisch und bin im Grunde damit raus aus der Veranstaltung. Zwei Wörter habe ich dazu nur gebraucht. Kam mir wahnsinnig lustig vor, bin aber nun der Außenseiter. Was aber lungo ist, da ich ja noch mich und mein Getränk habe und es hier ohnehin um Lara geht.

„Ja, Lara. Schieben wir die Tische zusammen. Mein Job ist getan. Schnaps?“

Eine Runde Schnaps für alle auf Kosten des Liebhabers von Rumcola. Ich bekomme auch einen, werde aber darüber hinaus ignoriert, da Lara offenbar aus wirtschaftlichen Gründen um alle vier Typen buhlt. Und auch sie sind nicht uninteressiert, was aber auch absolut nachvollziehbar ist. Ich tät’s nicht anders. Und so machen die Vier Lara ein Kompliment nach dem anderen, wie ich es auch zu tun pflege, wenn mir eine Frau zusagt, wobei meine durchaus ernstgemeint sind.

„Wahnsinnsaugen!“, sagt der eine und innerlich sacke ich zusammen. „Wie billig“, denke ich. Völlig durchschaubar. Guckt ihr auf die Titten und spricht von Augen. Dann hätte er besser „Tolle Titten!“ sagen sollen. Das wäre ehrlicher. Dabei stelle ich fest, dass Lara tatsächlich ausgesprochen große, aber auch feste … das weiß man nie … BHs können da zaubern … aber dennoch … puha … von wegen, es mit Männern versuchen …

„Welche Farbe haben denn ihre Augen?“, will ich von jenem Gentleman wissen, den ich bitte, vor der Beantwortung der Frage nicht mehr Lara anzusehen. Er kommt ins  Grübeln, während Lara mir unter dem Tisch einen Tritt zu geben versucht, allerdings einen der Jungs trifft, der so tut, als hätte er es nicht gemerkt.

„Blau!“, sagt er.

Verdammt, er hat Recht. Ich beschließe, mich rauszuhalten und halte Ausschau nach einer Kellnerin zwecks Schnapsbeschaffung. Es schmeckt so gut!

Lara: „Habt ihr schon einmal mit einem Mann was gehabt?“

Oha, Lara macht Feldstudie. Kein gutes Thema, denke ich. Obwohl, sie geht Richtung Sex. Doch, kann bei Männern funktionieren. Wenn sie gleich von ihren Erfahrungen mit Frauen spricht, hat sie die freie Auswahl. Unter fünf Männern.

Die Reaktionen sind unterschiedlich. Der Rumcola-Mann tut demonstrativ angewidert. Ein Penis käme ihm nicht ins Bett. Er betont das sooft, dass Lara erste Zweifel kommen. Der andere Typ, der die ganze Zeit auf sein Handy guckt, sagt „nope“, was mir zeigt, „nope“ ist bei den Vieren en vogue. Ich plane, es bei nächster Gelegenheit auch einmal einzuwerfen. Die anderen beiden gucken leicht angewidert und irgendwie verlegen, woraus ich schließe, die treiben es regelmäßig miteinander. Rumcola-Mann gibt die Frage an mich weiter, ob ich denn schon einmal mit einem Mann hätte.

„Nope.“

 

Lara und ich gehen zum Zigaretten-Automaten zwecks Lagebesprechung.

„Also Seppo. Der eine ist süß, guckt aber nur auf sein Handy. Der andere ist weniger süß und guckt mir nur auf die Brüste. Und die anderen beiden sind ein Paar. Ganz sicher.“

Mich belustigt diese Bilanz und merke, dass Schnaps keine gute Idee war. Laras Stimme ist derweil um drei weitere Oktaven nach oben gerutscht. Sie ist heiser geworden, Teile ihres Make-Ups haben die ihm vorgesehene Position verlassen.

„Lara, wir müssen hier weg. Ich schlage die feige Art vor. Wir gehen einfach. Sie wollten dich ja ohnehin einladen.“

„Ja, aber dich nicht.“

Hm, das stimmt, ich hatte gehofft, sie erwähnt es nicht.

„Lara, ich lege denen Geld auf den Tisch, du richtest deine Farbe im Gesicht, da scheint mir einiges verrutscht zu sein, und ich erzähle denen, dass du kotzen bist. Dann verlieren die ihr Interesse.“

„Das erzählst du nicht. Du gibst denen Geld und sagst, dass wir gehen.“

Ah, auf die ehrliche Tour. Stimmt. Geht auch. Ich gehe also rüber zum Tisch und sage, dass meine Freundin kurz mal kotzen sei und wir deshalb gehen müssten. Die Enttäuschung bei den Jungs hielt sich in Grenzen. Und ich konnte einen Blick auf das Handy des einen erhaschen, der die ganze Zeit drauf starrte, er guckte sich seine Profilbilder an. „Wie ich“, denke ich und hole Lara bei den Toiletten ab, nicht ohne selber nochmal zu schiffen. Beim Rausgehen ruft einer der Typen hinter uns her: „Und, geht’s dir besser?“ Lara:

„Warum fragt er, ob’s mir besser geht?! Hast du erzählt, ich kotze?“

„Nein, nein, der ist einfach wirr.“

Wir gingen in einen zweiten Laden, dessen Namen ich einfach nicht mehr weiß. Es muss so gegen zwei Uhr gewesen sein. Ich bestelle Wodka-Redbull, sie ein Alt. Es kann auch irgendwas anderes gewesen sein. Ich muss ja irgendwas schreiben. Ich erinnere mich nur an Wodka-Redbull. Ich erzähle ihr ungefragt aus meinem Leben, was ich betrunken gerne in einer unerträglichen Ausführlichkeit tue, sodass auch meine Mitbewohnerin mir schon mehr als einmal gesagt hat, dass mein Redefluss irgendwann einfach nur noch nerve und ich die Mitmenschen damit belästige. Ich weiß das, allein ich habe keinen Einfluss mehr darauf. Lara allerdings hat sich gefreut, das war mein völlig klarer und objektiver Eindruck.

Laut meiner Mitbewohnerin war ich gegen vier Uhr zuhause. Sie weiß das so genau, weil ich sie wachgeklingelt habe und mit Lara noch ein wenig in der Küche saß, da ich noch Reste Weins hatte, die weg mussten. Meine Mitbewohnerin erzählte mir am Morgen danach, dass Lara eine sehr hohe Stimme habe und offenbar gerne singe, was Schlafen schwierig mache. Mich habe sie hingegen nicht mehr gehört, offenbar war ich am Tisch eingeschlafen oder Lara ließ mich (aus gutem Grund) nicht mehr zu Wort kommen.

Wir haben natürlich keinen Mann für sie gefunden, aber es war ein netter Abend. Auf Geheiß meiner Mitbewohnerin wird der nächste zu dritt stattfinden. Da habe ich allerdings etwas Angst vor.