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Meine Mitbewohnerin und ich waren Bettwäsche kaufen. Kein großes Ding, möchte man meinen, kann so schwer nicht sein. Zumal wir seelenverwandt sind. Was wir nicht sind. Ich suche noch meinen Seelenverwandten. Kein aktives Suchen, eher ein passives Suchen. Ich fürchte, ich werde nicht fündig. Aber ich hab‘ ja noch mich. Beim Begriff „Bettwäsche“ denken wir beide sofort an Wäsche fürs Bett. Also nicht für im Bett, sondern für das Bett an sich. Also für die Decken. Und die Kissen. Es könnten ja auch Nachthemden gemeint sein, wobei die dann eher „Nachtwäsche“ oder „Nachthemden“ heißen. „Bettwäsche“ ist also klar definiert. Nicht auszudenken, wir wären in den „Kaufhof“ gegangen, ich nach unten, wo stets die Bettwäsche zu finden ist, sie nach oben, wo es vermutlich die Nachthemden gibt. Wir hätten uns aus den Augen verloren und im schlimmsten Fall nie wieder gefunden. Gar nicht dran denken.

Übrigens tragen wir keine Nachthemden. Wir schlafen in gummierten Ganzkörperanzügen. Weil es dann so schön quietscht, wenn wir uns im Bett wälzen.

Da nun also der Begriff der „Bettwäsche“ geklärt ist, finden wir uns im Keller des „Kaufhofs“ in Düsseldorf wieder. Ein Bettenfachgeschäft kam für uns nicht in Frage, da man da Gefahr läuft, von Verkäufern penetriert zu werden.

Wir waren mal in einem Stuhlfachgeschäft in Münster ohne jedwede Kaufabsicht. Wir wollten nur sitzen. Es gab da interessante Stühle, die wir so noch nie gesehen hatten. Viele eigneten sich nicht einmal zum Sitzen, sodass wir in Betracht zogen, dass wir uns versehentlich auf einen Tisch gesetzt haben. Aber es war nun einmal kein Tischfachgeschäft, sondern ein Stuhlfachgeschäft, es muss ein Stuhl gewesen sein. Auf dem wir nicht ungestört sitzen konnten, da die Stuhlfachgeschäftverkäuferin, die freilich keine Stuhlfachgeschäfte an den Mann bringt, sondern nur die Stühle an sich, uns belästigte mit Fragen „Wie sitzen Sie denn so zuhause?“ Ja, mein Gott, wie sitzt man denn so zuhause? Meist in einem rechten Winkel. Oder man liegt auf einem Stuhl übermannt von massiver Müdigkeit, die nur noch eine zumindest angedeutete Rückenlage zulässt.

„Wir sitzen meist im Sitzen“, antworte ich der Fachverkäuferin, der in dem Moment klar wurde, dass wir keine Kaufabsicht hegen.

„Wenn Sie nur sitzen wollen, dass kommen Sie besser am Sonntag, da haben wir Schautag.“

Das ist überhaupt ideal. Sonntags dürfen Verkäufer einen gar nicht belästigen. Sie müssen zusehen, wie wir nur gucken. Weil wir ja auch sonntags nicht kaufen dürfen. Wenn meine Mitbewohnerin und ich also das nächste Mal einfach nur sitzen wollen, würde das an einem Sonntag geschehen.

„Müssen wir jetzt gehen?“, will ich wissen.

„Wenn Sie nichts kaufen wollen, würde ich Sie bitten zu gehen“, gibt sie mir zu wissen.

„Joa. Dann gehen wir jetzt.“

„Swap“ hieß damals der Stuhl, der uns so begeistert hatte. Hatte so eine Wipp-Funktion, die aber unweigerlich zu unruhigem Sitzen führt.

Seit Jahren schlafen meine Mitbewohnerin und ich in der Bettwäsche meiner Frühzeit. Durchaus funktional, aber rein optisch irgendwann fragwürdig. Daher kam es zum Bettwäsche-Kauf im Keller vom „Kaufhof“, wo wir mit einem unüberschaubaren Angebot an Bettwäsche konfrontiert waren. Unsere Kriterien waren: Reißverschluss und schick. Und vielleicht Satin und für den Winter etwas unsatinmäßiges. Ich habe an diesem Tag viele Stoffe und deren Bezeichnungen kennengelernt und kam irgendwann durcheinander. Ich war überfordert. Biber war mir noch klar. Jersey, kein Ding. Seersucker? Irgendwie Baumwolle. Batist, schwierig. Schaft- und Jacquard-Gewebe, Hirn abgeschaltet. Mir schwante, es wird nicht einfach. Gewohnt pragmatisch schlug ich meiner Mitbewohnerin also vor, von jedem Stoff eine Kollektion zu kaufen, so würde das passende schon dabei sein.

Was ich auch beim Kauf von Hemden hasse, war hier ebenfalls ein Problem: Die Dinger waren eingeschweißt, wir konnten den Stoff also nicht erfühlen. Gegen meine Art fragte ich eine Verkäuferin, wie sich denn Schaft-Gewebe anfühle.

„Wie Jacquard-Gewebe, nur weniger aufwendig.

„Ah, danke.“

Wir beschlossen, uns auf uns bekannte Stoffarten zu beschränken, was die Auswahl dann auch wesentlich einfacher machte, da sich ganze Regalwände dadurch für uns disqualifizierten. Nach einer Stunde des Suchens. Und es sollten weitere folgen.

„So, wir brauchen welche Größe? Zwei Meter mal was?“, erkundige ich mich bei meiner Mitbewohnerin, die die Maße unserer Decken vermutlich im Kopf hat.

„Zwei Meter? Nicht einssechzig?“

„Lang oder breit?“

„Haben wir Zwei-Meter-Decken? Breit?“

„Oder war die Matratze zwei Meter? Brauchen wir eigentlich ein Spannbettlaken?“

„Ein Meter vierzig. Nein, das waren die alten Decken.“

„Unsere alten Decken waren ein Meter vierzig breit? Ist das viel?“

„Sie waren Dir ja nicht mehr breit genug.“

„Dann haben wir jetzt mehr.“

Nach einer weiteren halben Stunde findet sie den Zettel, auf dem sie die Maße notiert hatte, sodass mein Vorschlag, einfach alle Größen zu kaufen, nicht mehr angebracht war.

„Woran erkennen wir nun, ob sie Reißverschluss haben, oder nicht?“, frage ich meine gut organisierte Mitbewohnerin.

„Es steht drauf.“

„Ach, es steht drauf. Auf den Verpackungen?“

„Ja, wo denn sonst?!“

„Ja, wo sonst. Stimmt auch wieder … stimmt, hier steht’s. Nehmen wir die?“

„Ne, hässlich.“

Wir suchen eine weitere Stunde und stellten fest, dass ausgerechnet bei so etwas belanglosem wie die optische Gestaltung von Bettwäsche unsere Vorstellungen massiv auseinandergehen. Innerlich schließe ich bereits damit ab und akzeptiere, dass meine Jugend-Bettwäsche wohl auch mein Totenbett schmücken wird. Dann lieg ich da so tot in „Fix und Foxi“-Bettwäsche. Das zöge meine gesamte Totenruhe ins Lächerliche. Die Trauergäste stünden um meinen Leichnam herum und wären mit der Frage beschäftigt, ob neben Fix und Foxi auch Lupo auf der Wäsche abgebildet ist. Ist er. Auf dem Kissen.

Abermals werde ich gewohnt pragmatisch und schlage meiner Mitbewohnerin vor, die jeden meiner Bettwäsche-Vorschläge ablehnt:

„Sollen wir ‚Kaufhof‘ kaufen? Dann haben wir alles zuhause und können in Ruhe weitersuchen.“

„Nicht witzig.“

„Ich finde schon, aber vielleicht ist der Zeitpunkt für Scherze nicht der richtige.“

„So ist es wohl.“

Ich setze mich, während sie weiter sucht, auf ein Ausstellungsbett und muss an einen Loriot-Sketch denken, in dem zwei Ehepaare sich um ein bis zwei Betten kloppen, die ihnen ein Herr Hallmackenreuther verkaufen will. Der Alltag ist loriotesk.

Ich gebe mich wieder pragmatisch und staune über mich selbst, als ich salomonisch vorschlage, jeder sucht nun einen Bezug aus und der jeweils andere hat ihn zu akzeptieren.

Zuhause nach dem Auspacken stelle ich dann fest, dass meiner hässlicher als ewartet ist und ihrer mir besser gefällt, als ich zuzugeben bereit bin. Und ich hoffe, dass sie nicht merkt, dass meiner keinen Reißverschluss hat.

„Das steht auch nicht drauf.“