Im Mai dieses Jahres schrieb ich über Haupthaar und wir sahen dieses Foto:

11096492_998342616857680_4397411373877310096_n

Es handelte sich nicht etwa um eine Fotomontage, sondern um eine so genannte „Lebend-Perücke“, was schlicht bedeutet, dass die Haarspenderin – in diesem Fall eine Kollegin von mir – mit ihrem Kopf noch am Spenderhaar hing. Durch geschicktes Arrangement eines Frisörumhanges ist sie nicht zu sehen, lediglich ein Stück Arm lukt noch hervor, da sie nebenbei auch Lebend-Arm-Spenderin ist.

Essenz des Artikels war, dass Männer mit Glatze auf Frauen attraktiver wirkten, obwohl ich der Meinung bin, dass mir obiger Scheitel absolut steht. Doch derzeit arbeite ich an der Reaktivierung meines Haupthaarwuchses ganz ohne Spenderhaar. Zwar wird mir immer wieder gesagt, ich habe gar keine Haare, doch tatsächlich verhält es sich so, dass ich sie habe, aber eben wie einen englischen Rasen kurz halte. Übrigens, die, die behaupten, ich hätte gar keine, behaupten auch, ich hätte rote. Das stimmt einfach nicht. Genau so, wie es immer heißt, ich würde nicht essen. Auch das stimmt nicht. Es sind Dinge über mich im Umlauf, die ich einfach nicht aus der Welt schaffen kann. Würde ich nicht essen, wäre ich doch nach einigen wenigen Wochen tot. Ich bin auch nicht der Typ für Hungerstreik, da ich sehr gerne esse, mich lediglich zügele, andernfalls wäre ich zehn Kilo schwerer. Während meiner Leistenbruch-Nummer habe ich innerhalb weniger Tage vier Kilo zugenommen, da ich nur lag und aß. Aber ich habe auch am Kopf, nämlich an Haupthaar zugenommen, da ich den Kopf nicht mehr rasieren konnte, was sich wiederum aus einem ärztlichen Dusch-Verbot ergab und wer sich den Kopf rasiert, weiß, dass ein Duschen danach unabdingbar ist. Und so stellte ich nach einer Woche fest, dass ich mehr Haare auf dem Kopf habe als angenommen. Zwar zieren mich unfassbare Geheimratsecken, einen Hubschrauberlandeplatz jedoch habe ich (noch) nicht.

Nach zwei Wochen stellte ich weiters fest, dass die Hände meiner Mitbewohnerin, die meinen Bart im Grunde hasst, sich sehr häufig auf meinem Kopf befanden und nicht mehr wie sonst im Bart. Sie hat mein Haupthaar entdeckt! Messerscharf reifte in mir der Plan, sie mit Haupt- vom Gesichtshaar abzulenken, sie den Bart vergessen zu machen.

Wie sehr mein Bart sie beschäftigt, zeigt ihr Verhalten, wenn wir fernsehen. Es muss selektive Wahrnehmung sein, aber da sehen wir gestern ein schwules Pärchen im Fernsehen, dessen einer Partner sich über den Bart des anderen beklagt. Das sind die Momente, wo ich im Augenwinkel sehe, wie meine Mitbewohnerin ihren Kopf langsam zu mir wendet und mich leicht böse anguckt. Sagen tut sie nichts mehr, denn sie hat das Verbot, sich mehr als einmal am Tag über meinen prächtigen Männerbart zu beschweren. Wenn ich dann meinen Kopf zu ihr drehe, verwandelt sich ihr abschätzender Blick in einen unschuldigen Blick (was Frauen ja sehr gut können, genau so, wie wir Männer immer wieder darauf reinfallen) gepaart mit den Worten:

„Ich habe nichts gesagt!“

„Ja, aber Du hast geguckt!“

„Ich kann Dich doch mal angucken!“

„Aber Du hast böse geguckt.“

„Nein, hab‘ ich nicht.“

In der Serie, die wir da gerade so guckten, rasierte sich dann aus gutem Willen der Bärtige seinen Bart ab mit der Begründung: „Da ich Dich liebe und Du den Bart nicht magst, nehme ich ihn für Dich ab.“ Und natürlich, wieder dreht sie ihren Kopf zu mir mit einem dieses Mal eher aufforderndem Blick, der mir sagen sollte:

„Wenn Du mich liebst, nimmst Du den Bart auch ab.“ (Wir Männer wissen Eure Blicke durchaus zu interpretieren, aber es ist oft einfacher, wenn wir uns dumm stellen.)

Doch weit gefehlt. Ich liebe sie nicht. Haha, kleiner Scherz. Mein Argument ist eher:

„Wenn Du mich liebst, spielen Äußerlichkeiten keine Rolle.“

Eigentlich ein Totschlagargument. Und Totschlagargumente sind in Diskussionen nicht angebracht, aber ich hatte keine anderen mehr.

Ich hatte letztens einen miesen Traum. Wir fliegen demnächst in den Urlaub. Mein Personalausweis zeigt mich ohne Bart, zeigt einen anderen Menschen. Zuletzt hatte ich beim Arzt Probleme mit meiner Versicherungskarte, da man mir nicht glauben wollte, dass ich auf dieser (auch ohne Bart) abgebildet sei. In jenem Traum stand ich am Flughafen im Check-In, wo man mich aufforderte, den Bart auf der Stelle abzunehmen, damit ich aussehe wie auf dem Perso. Ich glaube, ich sollte dringlichst meinen Perso aktualisieren. Aber ich will eben nicht diese neuen Dinger haben …

Vor etwa zwei Jahren ließ ich mein Haupthaar, das ich seit 1998 mit etwa 0,4 Millimeter eher unscheinbar trage, wachsen. Damit es nicht unmotiviert aus dem Kopf herausguckt, bearbeitete ich es mit Haarwachs. Strandmatte. Das tue ich nun wieder. Und stelle fest, dass meine Morgentoilette nun erheblich länger dauert. Vier Minuten duschen, abtrocknen, anziehen. Mehr war’s bis vor einem Jahr nicht. Meine Mitbewohnerin hingegen muss sich noch um (langes) Haar kümmern und sich noch ein Gesicht malen, das sie aber von Natur aus eigentlich schon hat. Viel braucht es bei ihr nicht und natürlich sieht sie am schönsten aus, wenn sie gerade aufwacht. Aber ich gebe zu, in dem Zustand könnte sie unmöglich zur Arbeit gehen (Kompliment wieder ruiniert.).

Dann kam bei mir der Bart. Inzwischen hat er eine Länge erreicht, die ihn zum Wasserspeicher befähigt. Ihn zu trocknen kostet inzwischen Zeit. Dann muss er noch mittels Produkt in Form gebracht werden. Die Morgentoilette dauert so also erheblich länger. Und nun kommt eben Haupthaar dazu. Auch das wird mit Haarwachs gebändigt, was eine gewisse Kunstfertigkeit erfordert, die mir noch nicht obliegt. Ich brauche morgens nun mehr Zeit. Und das stört mich. Fehlt nur noch, dass ich in Balde mich bei einem Frisör wiederfinde. Das allerdings wird nicht geschehen, denn spätestens, wenn ich nicht mehr weiß, was mit drei Zentimeter Haar zu tun ist, werde ich wieder zum Kahlschlag ansetzen und sagen „Mit Glatze ist eh sexier.“, obwohl der wahre Grund Pragmatismus ist.

Als ich vor zwei Jahren selbes Experiment durchführte – ich spare mir hier Fotos -, sagte eine gute Freundin, nennen wir sie S. Gruber, die an dieser Stelle völlig zurecht schmunzeln wird, da ich ein riesiges Lügengebäude ins Schwanken bringe, ich sähe aus wie ein Kakadu. Das hat mich nachhaltig beeindruckt. Kürzlich wurde ich nach meinem Sternzeichen gefragt, ich sagte „Löwe“ und wurde mehr oder weniger ausgeschmunzelt, da man mir entsprechende Eigenschaften wohl nicht zutraut beziehungsweise mich einfach nicht kennt. Offenbar reicht es bei mir eher für einen Kakadu. Was macht also ein Kakadu aus? Die „Süddeutsche Zeitung“ weiß es:

Charakterzug: vergnügungssüchtig
Papageien lieben anspruchsvolle Beschäftigung. Fehlt die in der Gefangenschaft, werden die Vögel aggressiv gegen sich selbst, gegen Artgenossen und Menschen. Wie ein gelangweiltes Kind, das seine Spielsachen demoliert, verwüsten unterforderte Papageien ihre Umgebun
g.“

Das trifft eben nicht auf mich zu. Nicht, dass ich etwas gegen Vergnügen hätte, aber ich bin auch nicht süchtig danach, ich bin auch großer Freund der Muße. Und meine Umgebung würde ich auch nicht demolieren. Kakadu trifft also nicht zu, traf damals aber zumindest optisch zu. Sie hatte Recht.

Nun sagte eine Kollegin mir gestern, der „Iro“ sei wieder im Kommen, ich könnte auf den Zug doch aufspringen. Ich will es mal testen. Allerdings hieß es dann auch, der „Vokuhila“ sei bald wieder salonfähig, was mich an ihrem Urteil dann doch wieder zweifeln ließ.

Letztlich habe ich eines gelernt: Man muss Dinge ausprobieren. Gehen sie schief, kehrt man eben zum Status quo ante zurück. Damit machte ich meiner Mitbewohnerin damals den Bart schmackhaft, ich würde, wenn’s nicht gefiele, zum alten Zustand ja wieder zurückkehren können. Zu ihrem Unglück gefiel es aber. Zumindest mir.


 

Besucht mich gerne auf meiner Facebook-Seite und/oder folgt mir auf Twitter: @SebastianFlotho