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Mal wieder etwas für die Läufer unter uns, zumal das seppolog ursprünglich mal ein Laufblog werden sollte, was jedoch die Zielgruppe massiv einschränkt. Dennoch, die Bilanz eines Laufjahres kann ich bereits in den Oktoberwochen ziehen, da ich mir jetzt schon ungefähr ausrechnen kann, auf wie viele Läufe ich es in diesem, meinem 14. Laufjahr, bringe: Ich werde meine Zielmarke verfehlen, die bei 205 Läufen pro Jahr liegt, eine Zahl, die ich in der Regel auch erreiche. Klingt allerdings wenig, wenn man bedenkt, dass das Jahr 365 Tage hat. Da ich aber nur fünfmal pro Woche laufe, wäre ein Maximum von 260 Läufen drin. Davon geht aber noch eine sechswöchige Laufpause ab, also 30 Läufe weniger – 230. Dann sind da noch die obligatorischen Verkühlungen, die ich nur teilweise beim Laufen ignoriere, wohlwissend um die Gefahr einer Herzmuskelentzündung. Aber mit ’nem Schnupfen kann man durchaus noch laufen. Zwei Erkältungen kosten um die zehn Läufe, sodass wir bei 220 liegen. Nun spare ich mir aber auch gerne das Laufen um die Weihnachtsfeiertage, sodass noch einmal fünf Läufe abgezogen werden müssen – 215. Weitere zehn Läufe werden durch Urlaub unmöglich, da ich in der Sommerfrische mich zum Laufen nicht aufraffen will, zumal ich nicht Laufschuhe mitschleppen möchte. 205.

Gerade hatte ich meinen 143. Lauf, die Zielmarke ist angesichts der noch anstehenden Erkältung und des nahenden Urlaubes auf Barbados nicht mehr zu erreichen. Schuld an der Misere sind viele Faktoren, die ich so nicht eingeplant hatte. Es begann mit einer unsympathischen Achillessehnen-Entzündung im Frühjahr, die das Resultat ausgelaufener Schuhe war. Kaum hatte ich neue Schuhe, wurden mir diese gestohlen. Kaum hatte ich abermals neue, überraschte mich eine unangekündigte Grippe. Und was so gar nicht vorgesehen war, war mein Leistenbruch, der mich zwölf Läufe kostete. Blättere ich durch mein Lauf-Tagebuch, das ich analog und mit Akribie führe, stoße ich auf zahlreiche dieser Ausnahmen, die mir meine Bilanz verhageln.

Auf der anderen Seite – und das wiegt die fehlende Quantität durch Qualität auf – bin ich in keinem Jahr so viele Rekorde gelaufen, nie war ich mit höherem Tempo unterwegs als 2015. Das setzt mich natürlich für 2016 unter Druck.

2015 war auch das erste Jahr, in dem ich meiner Mitbewohnerin gestattete, mit mir zusammen zu laufen, da sie ja meint, auf meinem Spezialgebiet des Laufens mitmischen und mir Tempoerfolge streitig machen zu müssen. Letzteres motiviert natürlich, denn keinesfalls darf sie in irgendeiner Laufdisziplin besser werden als ich. Wenn dieser GAU eintritt, muss ich mich leider von ihr trennen und mir eine langsamere suchen.

Ich begann 2002 meine Laufkarriere. Damals studierte ich noch und hatte eine unsympathische Beziehung hinter mich gebracht, in der ich sehr fett wurde, da wir viel gegessen haben. Anders als sie habe ich aber nicht danach meinen Finger in den Hals geschoben, um mich der Kalorien zu entledigen. Böse gesagt sah sie nicht einmal so aus, als würde sie sich den Finger in den Hals stecken. Kotzen ist unattraktiv, die dahinter steckenden Probleme waren aber so schwerwiegend wie überflüssig. Es ist mir ein Rätsel, wie man seinem Körper so etwas antun kann, aber es ist wohl weit verbreitet. Der Grund der Trennung aber war eher der, dass sie mir verboten hatte, „Die Harald Schmidt-Show“ zu gucken, die damals kurz vor ihrem Höhepunkt und dann auch Ende stand. Ein Jammer. Suzanna war der Trennungsgrund, wenn man so will.

Doch nicht meine zaghafte Leibesfülle war der Grund des Laufens, das mit einer „Tchibo“-Laufhose seinen Anfang nahm, sondern die Frage, wie beweglich will ich im Alter noch sein. Ich war 22 und dachte offenbar schon sehr weit. Oder ich hatte für mich festgestellt, dass ich für einen 22-Jährigen recht unbeweglich war, was ich hier schildere.

Inzwischen bin ich 36, die Frage, was mit 60 noch geht, ist gar nicht mehr so unberechtigt, auch wenn die Fachliteratur, die bei mir ein komplettes Regal füllt, sagt, dass auch ein Sechzigjähriger noch das Laufen anfangen kann, um mit 80 noch fit zu sein. Doch besser, man beginnt schon als Jugendlicher, was ich freilich aufgrund massiver Unsportlichkeit und fehlender motorischer Fähigkeiten verpasst habe. Und eine Frage konnte ich mir bereits beantworten, die ich in meinen goldenen Zwanzigern mir stellte: Wie fit bin ich mit Mitte 30? Ich will nicht drumherum reden: unfassbar fit! Das Laufen zahlt sich langfristig aus, aber eben auch kurz- und mittelfristig. Zwischenzeitlich ließ mein Durchschnittslauftempo zwar nach, seit zwei Jahren allerdings, nach Umstellung auf eine andere Lauftechnik, geht es wieder nach oben, inzwischen bin ich schneller als in meinem vormals schnellsten Jahr 2004. Vielleicht ist auch das der Grund dafür, dass ich nicht ansatzweise die sprichwörtliche Angst vor der 40 habe, die ich ohnehin respektlos finde, denn was wünschen wir uns, wenn wir 70 sind? Noch einmal 40 zu sein. 40 ist nichts, zumal ich mit 40 noch aussehen werde wie 35 ;)

Das zunehmende Alter mache ich lediglich an einer Sache fest: Ich finde mich immer öfter auf Partys wieder, auf denen die jüngsten Gäste gerade erst das Licht der Welt erblickt haben. Wo Kinder sind, aus deren Sicht ich ein Erwachsener bin, also alt. Denke ich daran, wie ich als Kind meine Onkels und Tanten sah, erinnere ich mich, dass es für mich unfassbar alte Menschen waren. Ich bin 36 und aus irgendeinem Grund ist mir der 36. Geburtstag meiner Mutter noch in guter Erinnerung. Sie war damals alt für mich. Sie ist nach wie vor meine Mutter, nur deutlich älter. Interessanterweise sehe ich aber ihr Alter nicht. Ihr Enkel hingegen, mein Neffe also (gerade sechs), nennt sie „Oma“. Meine Mutter ist eine Oma. Erschreckend. Und ja, wenn man genau hinsieht, ist sie auch grau. Was ich als Sohn aber irgendwie nicht wahrnehme. Genau so, wie ich ignoriere, dass ihre Uhr tickt. Lauter als meine. Und dann irgendwann kommt der Moment, wo ich sie zu Grabe trage, wenn ich möglicherweise an die 60 bin, also alt und immer noch Sohn. Dann allerdings Waise. So ist der Lauf der Dinge und so nachdenklich sollte das hier eigentlich alles nicht werden, zumal ich gerade erst meine Oma zu Grabe trug. Ich kann mich noch an ihren 64. Geburtstag erinnern, fast so alt wie meine Mutter jetzt. Wie gesagt, der Lauf der Dinge, der nur dann gestört wird, wenn die Reihenfolge nicht eingehalten wird. Denn das wäre das eigentliche Drama, da sei Gott vor.

Auf Partys treffe ich also auf Kinder, die vor meinen Augen gestillt werden, bin plötzlich Gast auf Kindergeburtstagen und Weihnachten spiele ich den Weihnachtsmann. Immer öfter werde ich gefragt, wann ich denn Nachwuchs einplane und stelle dann fest, dass ich das grundsätzlich tue, mich aber noch zu jung fühle. Ich bin gerade so in der Lage, Verantwortung für mich zu übernehmen, dann soll ich das jetzt für einen Neuling auf Erden tun?! Nun ja, ich würde in die entsprechende Rolle wohl reinwachsen. Er käme in einen sportlichen Kinderwagen, den ich dann beim Laufen (darum sollte es hier ja eigentlich gehen) vor mich her schöbe, was ja sehr schädlich für Kleinkinder sein soll, die sich aber bitte nicht so anstellen sollen, wenn ich mal einen Hang runterjogge und versehentlich den Kinderwagen loslasse, der dann natürlich den Naturgesetzen folgend Opfer der Schwerkraft wird.

Laufen hat in meinem Leben absoluten Vorrang. Vor allem und jedem. Ich bin viele Jahre morgens um fünf aufgestanden, um noch vor der Arbeit laufen gehen zu können. Ein hoher Preis, allerdings habe ich noch nie so gut geschlafen wie in jener Phase. Meine derzeitigen Arbeitszeiten erlauben mir vormittägliches Laufen, doch auch das wird wieder anders werden, sodass ich dem frühen Aufstehen treu bleiben werde. Zumal der Wecker meiner Mitbewohnerin das erste von drei Malen um kurz vor sechs morgens klingelt, sodass ich dann eh auch aufstehe. Mit einer blendenden Laune. ;) Oh, das ist einen eigenen Artikel wert. Aufstehen ohne Kaffee und die Folgen: Mann sticht Frau nieder, die ihn liebevoll wecken wollte. Demnächst hier!