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Ich kiffe nicht. Nicht aus ideologischen Gründen, sondern weil es sich so ergab. Und es ergab sich, dass ich mitnichten kiffte, während der andere mit Nichten kiffte. Mit Nichten zu kiffen, hat etwas anrüchiges. Obwohl, wenn sie alt genug sind …

Ich trinke gerade „Fritz Limo“, während irgendwo jemand auf der Welt möglicherweise Fritz‘ Limo trinkt. Am Wochenende trank ich beim Burgeressen eine „Fritz Cola“. Oder schreiben sie „Kola“? Nein. Die Produkte schmecken weniger süß als die von „Coca“, bilde ich mir ein. Ich hole mir morgens nach dem Laufen immer irgendein ungesundes Getränk. Ist zur Tradition geworden. Andere kiffen, ich trinke „Fritz“. Mit einer Fliege übrigens und es ist mir zu mühselig, die da rauszufischen. Ebenso wie diesen Zitronenkern, von dem ich wirklich nicht weiß, wie er ins Glas gekommen ist. Möglicherweise hat er die Spülmaschine überstanden.

Aber warum kiffen beim Laufen? Rauchen während des Laufens verbietet sich, da es die Atmung schwer beeinträchtigt, vermutlich nicht positiv. Kiffen dürfte denselben Effekt haben. Allerdings habe ich gestern erfahren, dass beim Laufen „Cannabinoide“ freigesetzt werden. Und selbstredend habe ich nicht die leiseste Ahnung, was die sind. Neuesten Erkenntnissen zufolge sind sie aber verantwortlich für das Läufer-Hoch, aus unerfindlichen Gründen auch „runner’s high“ genannt. So oder so, damit sind die Endorphine raus aus der Nummer, die bislang das Hochgefühl bei Läuferns ausgelöst haben sollen, das Hochgefühl, das wissenschaftlich übrigens auch ernsthaft angezweifelt wird.

Endorphine wirken wie Morphium und führen (angeblich) bei einem längeren Lauf zu einem Zustand, bei dem der Läufer denkt, er könne ewig so weiter laufen. Morphium kennen wir aus der Schmerztherapie, es unterdrückt den Schmerz und damit auch die Anstrengung des Laufens. Nebenbei: Ich finde Laufen erstmal immer anstrengend, nur selten komme ich in den trügerischen Genuss jenes Hochgefühls. Oder nie. Denn der Haken an den Endorphinen ist, dass sie aufgrund ihrer Molkekül-Größe nicht wirken können – sie gelangen nicht ins Hirn, wo sie aber hin müssten, um diesen Effekt zu bewirken.

Cannbinoide sind ähnlich dem Cannabis, nur körpereigen, und können die „Blut-Hirn-Schranke“ überwinden, also tatsächlich ins Hirn gelangen, wo sie dann schmerzunterdrückend wirken. Getestet hat man das mit Mäusen bla bla, scheint also eine stichhaltige Theorie zu sein, deren Beweis aber noch aussteht.

Doch bin ich wirklich schon glücklich während des Laufens? Zumindest in diesen Tagen kann ich das für mich verneinen, da ich mir eine „Tempowoche“ auferlegt habe. Kurze Fünf-Kilometer-Läufe, die dann aber im Dauersprint. Bereits nach drei Minuten fühle ich mich dem Tode näher als dem Leben und verhandle mit mir über eine eventuelle Gehpause, die aber in einem Sprint nichts zu suchen hat. Ampeln kommen wir da immer wie gerufen, denn da muss ich ja stehen bleiben. Ich gehöre nicht zu den Verirrten, die an Ampeln auf der Stelle weiterlaufen. Ein bisschen Würde würde ich mir gerne bewahren, um sie zu anderen Gelegenheiten zu verlieren. Außerdem sieht es noch kurioser aus, wenn man auf der Stelle sprintet.

Aber gerade, wenn man sich Ampeln wünscht, schalten sie auf Grün, sodass man weiterlaufen muss. Von Cannabinoiden keine Spur. Ich habe da ein absolut reines Gewissen.

Die letzten 500 Meter sind die schlimmsten. Ich blicke auf die Uhr, um festzustellen, dass selbst zehn Meter unfassbar weit sein können. Dann stelle ich auch noch fest, dass das Durchschnittstempo fünf Sekunden unter dem gestrigen liegt, sodass ich allen Ernstes jetzt noch mehr Gas geben muss. Das sind die Momente, wo plötzlich vor einem eine Mutter samt Kind auf Fahrrädern aufkreuzt. Das Kind, offenbar noch nicht lange ohne Stützräder unterwegs, schlawängelt von links nach rechts, wobei es nur fast umkippt, und die Mutter macht es nicht besser, weil sie ihr Rad mit Einkaufstüten beladen hat und ich meine, zwischen zwei „Lidl“-Tüten auf dem Gepräckträger noch ein zweites Kind ausmachen zu können.

Ich klimpere mit meinem Schlüssel, um mich bemerkbar zu machen, was ein großer Fehler ist. Denn die Mutter bricht in Panik aus. Schlawängelt jetzt noch mehr, da sie mein wahnsinnig hohes Tempo realisiert. Weiß nicht, wohin sie ihr Kind delegieren soll. Sie ruft ihm zu „Rüber!“, doch das Kind legt sich nicht auf links oder rechts fest, fährt erst rechts rüber, dann links rüber und übererfüllt damit die Wünsche seiner Mutter. Die weiß nun auch nicht, wohin mit sich und ihren Einkäufen. Beide treffen sich in der Mitte des Weges, krachen fast zusammen und entscheiden sich dann wieder für die entgegengesetzte Richtung, damit es nicht zum Zusammenstoß kommt. Und das ist meine Chance. Während die Mutter nach links „rüber“ zieht und fast in der „Düssel“ landet, navigiert das Kind (eher zufällig) nach rechts und verfehlt nur knapp den Hund, der sich zu allem Überfluss in das Geschehen einmischt. Ein kleiner Kläffer, der mir nicht zum Problem wird, denn da reicht im Notfall ein kleiner Tritt. Von dem lasse ich mir mein Tempo nicht drosseln. Und er sich seine Morgentoilette von mir nicht versauen. Während der Hund unbekümmert an den Wegrand kackt, nutze ich nun die Rettungsgasse, die Mutter und Kind für mich geöffnet haben, um endlich meine letzten 300 Meter hinter mich zu bringen. 300 Meter sind nichts. Aber läuft man sie unter Schmerzen und einer Atmung, die den Ansprüchen des Blutes, was das Sauerstoffbedürfnis angeht, nicht gerecht wird, und einem schon leicht schwindelig wird, sind 300 Meter gnadenlos lang.

Und natürlich, nach so einem Sprint sollte mal locker auslaufen. Lese ich überall. Aber druppjeschiss, ich bin durch. Ich stoppe, reiße die Arme nach oben, schließe die Augen und hoffe auf die Einstellung meines Ruhepulses. Und stelle dann fest, wie herrlich das Wetter ist.

Ich laufe gerne bei 35 Grad. Aber ich laufe ebenso gerne bei kalten Temperaturen. Das kälteste, was ich hatte, waren minus zwölf Grad und da wird es schon hart. Aber eben auch schön. Derzeitige Temperaturen sind ein Optimum, wenn es schon kalt sein muss: diese frische Luft. Herrlich. Das besorgt mir ein Hoch. Die Vorfreude auf die heiße Dusche danach, so wie auf die kalte im Sommer.

Letztlich ist es doch so: Ich werde oft gefragt, woher ich die Disziplin nehme für das fünfmalige Laufen pro Woche. Das ist relativ einfach. Man muss es irgendwann für sich entscheiden. Sobald man das Pensum senkt und damit dem inneren Schweinehund nachgibt, hat man gegen sich verloren und das Einfallstor für weiteres Versagen ist geöffnet. Somit ist es für mich morgens gar keine Frage, ob ich laufe oder nicht. Es findet statt, das Laufen. Unabhängig von Wetter und Temperatur. Denn leider geht Laufen immer. Selbst Schnee ist keine Ausrede, im Gegenteil, Schnee ist Abwechslung – wie Wetterextreme überhaupt. Herrlich, bei einem massiven Regenguss im Sommer zu laufen oder bei einem satten Herbststurm. Schlimm ist nur Monotonie, das graue Wetter der vergangenen Wochen. Da könnte ich kotzen und rufe geradezu nach Cannabinoiden. Denn Laufen ist während des Laufens oft einfach mal beschissen und langweilig. Es geht aber um den Moment danach, um die kurzfristige Belohnung, die man ja sofort erhält. Man kann mit Kopfschmerzen loslaufen, nach dem Lauf sind sie weg, sofern die Ursache nicht eine sehr schwerwiegende ist. Man kann nach einer geräderten Nacht loslaufen und sich grottig fühlen beim Laufen, nach dem Lauf geht es einem immer blendend. Ohne Kater. Toller Rausch also.

Was mich nicht davon abhält, mich am kommenden Wochenende volllaufen zu …


Optische Lauf-Impressionen von mir findet Ihr wie einiges andere auch auf meiner Facebook-Seite! Und ja, ich erhoffe mir „Likes“. Klappt ja auch ganz gut bisher! Ich wünsche einen schönen Wochen-Endspurt. Am Dienstag. Wie groß kann Verzweifelung sein?!