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„Jahreszeitliche Übersiedlung aus der Stadt auf den Zielort“ ist Wikipedias Defintion des Begriffes „Sommerfrische“, der nichts anderes als „Urlaub“ meint. Die Brüder Grimm definierten ihn als „Erholungsaufenthalt der Städter auf dem Lande zur Sommerzeit“ oder „Landlust der Städter im Sommer“. Nun zieht es mich und meine Mitbewohnerin keineswegs aufs Land, sondern eher auf eine Insel: Malta. Mit weniger Einwohnern als Düsseldorf, also vielleicht ist es hier und dort dann doch eher ländlich (Ist es nicht, schrieb man mir gerade.).

Nach unserem vergangenen Urlaub im ebenso vergangenen Jahr haben wir uns mehrere Dinge geschworen: dass wir uns ein Urlaubskonto einrichten. Und dass wir möglichst früh buchen. Aber wie das so ist mit Vorsätzen, man verliert sie aus den Augen und vergisst, wie schnell ein Jahr vergehen kann.

Vor sechs Wochen etwa wagten wir die ersten Anläufe, über den diesjährigen Urlaub nachzudenken. Und ich mache keinen Hehl daraus, dass ich mich dabei eher im Hintergrund hielt, während meine Mitbewohnerin diversen Reiseportalen enorme Klickzahlen bescherte. Für mich waren nur wenige Kriterien entscheidend bei der Urlaubswahl: W-Lan im Hotel, Direktflug (und der nicht zu lang) sowie Transfer zum Flughafen (und der ebenfalls nicht zu lang).

Das Fliegen an sich ist mir nach wie vor eine unheimliche Unternehmung. Der Mensch sollte nicht fliegen. Da es aber nun einmal geht, komme auch ich nicht drum herum und sehe mich in Balde im Flieger sitzen, genauestens auf die Geräusche achtend, denn bei jeder akustischen Unregelmäßigkeit greife ich zum Handy und wähle die Nummer meiner Eltern, da sie wohl die letzten sein würden, die ich während des Absturzes anriefe. Das Vorletzte, was ich fühlen würde, wäre wohl eine gewisse Genugtuung, denn ich habe ja immer gesagt, es könne nicht gutgehen, sich dieser Technologie auszusetzen. Und ja, natürlich, Fliegen ist sicherer als alles andere.

Ich beobachte auch immer sehr genau die Blicke der Stewardessen. Sobald ich diese als besorgte interpretiere, greife ich zum Handy, um jenen letzten Anruf zu tätigen: „Mama, noch ist nichts offiziell, aber die Flugbegleiterin sieht besorgt aus. Ich stelle mich auf das Schlimmste ein. Daher muss ich Euch sagen, dass Ihr auf meinem Rechner zuhause neben einem Testament im ‚Firefox‘-Verlauf Seiten finden werdet, die nichts zu bedeuten haben …“

Aber es soll wohl gutgehen. Ich muss einfach für ein paar Stunden mich zusammenreißen.

Griechenland war lange das Ziel unserer Wahl. Neben Sizilien, Malta, Portugal und den Kanaren. Doch je näher unser Urlaubstermin rückte, desto schwieriger wurde es und desto panischer meine Mitbewohnerin, der das Kriterium „W-Lan“ völlig unwichtig war, das aber eine große Menge an Hotels ausgeschlossen hatte.

„Wofür den W-Lan?!“, wollte sie wissen.

„Vielleicht blogge ich ja im Hotel!“, ließ ich sie wissen.

„Blog‘ doch einmal nicht!“, schlug sie vor.

„Ich würde aber gerne mal betrunken aus’m Urlaub bloggen.“

„Wer will das denn lesen?!“

„Ich. Wenn wir wieder zuhause sind.“

Hatten wir dann ein passendes Hotel, war entweder der Ort in der Wallachei oder zu weit weg vom Flughafen, da ich nicht zu denen gehöre, die sich nach einem Flug noch sechs Stunden mit dem Bus zum Hotel transferieren lassen (was auf Malta im Grunde ausgeschlossen sein dürfte). Zu einem Urlaub gehört für mich auch eine relativ entspannte Anreise, sonst könnte ich ja direkt mit dem Bus nach Malta. Nach auf Malta.

Sizilien flog vor einer Woche von unserer Liste, da das Wetter dort inwischen sehr schlecht ist. Gestern Abend, wir hatten uns das Ultimatum gesetzt, zu buchen, kam aus purer Verzweifelung noch einmal Sizilien ins Spiel, ist aber Malta zugunsten wieder raus. Inzwischen weiß ich auch gar nicht mehr, warum Kreta gestrichen wurde. Könnte mit W-Lan zusammenhängen, oder weil nur noch die Sauf-Hochburgen freie Betten für uns hatten. Die Verzweifelung wuchs. Innerlich überlegte ich schon das Undenkbare. Einfach noch mal Mallorca. Cala Ratjada. War doch toll letztes Jahr! Wir wären auf der sicheren Seite. Aber will ich zu dem Touristen-Typ gehören, der mit 70 jedem erzählt:

„Wir sind 40 Jahre lang nach Mallorca geflogen. Hat uns super gefallen! Wir kennen da jeden Einheimischen persönlich! Aber die Welt, nein, die haben wir nicht gesehen …“?!

Wenn es eng wird mit dem Zeitplan, ist man erstaunlich schnell zu Kompromissen bereit. So verreisen wir nun einen Tag weniger als geplant und statt eines Doppelbettes gibt es nun zwei Einzelbetten, die vermutlich im Boden fest verankert sind. Kann aber auch sein, dass das ein anderes Hotel betraf, denn inzwischen ist mir völlig unklar, welches Hotel wir gebucht haben; meine Mitbewohnerin wird es wissen. Ein weiterer Kompromiss war der Verzicht auf einen Stern, denn andernfalls wäre es unangenehm teuer geworden. Mein Plan ist nun, mich als Hoteltester zu gerieren, um vor Ort best möglichen Service herauszuschlagen.

Gestern Abend, das Ultimatum drohte abzulaufen, starteten wir den Buchungsvorgang, nur um dann festzustellen, dass wir beide keine Kreditkarte haben, die als einziges Zahlungsmittel akzeptiert wurde. Mir sind Kreditkarten unsympathisch, ich will keine und bis gestern Abend brauchte ich auch nie eine.

„Letztes Jahr konnten wir doch auch anders zahlen!“, klagte meine Mitbewohnerin, die auch deshalb einem Nervenzusammenbruch nahe war, weil die PC-Maus gerade den Geist aufgab.

„Ach guck'“, sagte ich mit einer gewissen Begeisterung, „jetzt wissen wir, wozu so ein Touchscreen gut ist!“

Also touchten wir uns durch die Menüs bis zur Zahlungsaufforderung. Kreditkarte. Schwiiiierig bis unmöglich. Wir brachen nun also beide vorm Rechner zusammen und ich brachte bereits die Option Reisebüro ins Spiel.

„Ich geb Dir gleich Reisebüro“, bekam ich zur Antwort und so setzten wir uns das Ultimatum, es heute Morgen noch einmal zu versuchen.

„Wir werden schon irgendwie in den Urlaub kommen. Das klappt!“ Bestechender Optimismus meinerseits. Das schätze ich ja sehr an mir, darf ich mal sagen. Es wird schon alles gut. Und es wurde gut. Heute Morgen haben wir über eine Brückenfinanzierung gebucht und gezahlt. Ich habe allerdings nun keine Ahnung, wann genau wir mit welcher Linie eigentlich fliegen. Entsprechende Unterlagen seien am Flughafen hinterlegt.

„An welchem Flughafen?!“, fragte ich.

„Seppo. Düsseldorf.“

Nächstes Jahr machen wir das alles anders. Wir werden ein Urlaubskonto anlegen und schon Anfang des Jahres buchen.


Besucht mich gerne im sozialen Netzwerk, wo ich vermutlich das ein oder andere Urlaubsfoto posten werde. Denn wir haben ja W-Lan im Hotel!