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„Acumó fredés“ – Ich nehme alles. Da hier auf Maltos, wie die Malteser ihre Insel verniedlichend nennen, kaum einer des Englischen mächtig ist, musste ich mich ins Maltesische reinfuchsen. „Acumó fredés“ ist der einzige Satz, den ich mir einprägen konnte, wenn man mich aufforderte, etwas zu bestellen, sagen wir mal, zum Beispiel in einem Restaurant. Auf die Weise gelang mir ein zügiger Einstieg in die auf Maltos so beliebten Speisen wie Fisch und Kaninchen mit einer Komposition aus Salamander-Eiern. Nicht jedermanns Sache, aber Urlaubsseppo (TM) probiert alles und erbricht anschließend nötigenfalls.

Der Urlaub neigt sich dem Ende zu und es kommt mir zugute, dass ich jemand bin, der auch gerne wieder nach Hause kommt. Dort erwartet meine Mitbewohnerin und mich dezenter Sonnenschein bei etwa 16 Grad, sodass wir einer sanften Landung entgegen sehen. Das Wetter hier dreht sich gerade in eine für jetzt erst Anreisende ungünstige Variante: Es regnet. Das ist für uns insofern problematisch, als dass wir heute noch einmal ins Meer springen wollen, was wir auch noch tun werden, um unseren Kater zu bekämpfen, da wir gestern den Rest unserer Urlaubskasse in Cocktails umgesetzt haben.

Da es in jedem Etablissement natürlich freies W-Lan gibt, kenne ich nun rund zwanzig Passwörter im Grunde schon auswendig, weiß aber daher auch abschließend nicht, wie ich 2.000 Wi-Fi-Minuten binnen 1.500 Minuten aufbrauchen soll; das entsprechende Angebot unseres Hotels werde ich also bis zur Abreise nicht mehr wahrnehmen, geschweige verstehen können.

Vermissen werde ich neben der üblichen Leichtigkeit, die ein Urlaub in der Sonne so mit sich bringt, das kleine Universums des Frühstücksaals, wo man nach drei Tagen jeden kennt. Da ist diese Familie aus Süddeutschland mit ihren zwei Söhnen, deren Frisuren meine Mitbewohnerin jeden Morgen aufs Neue aggressiv gemacht haben. Ihre in der Tat ungewöhnlichen Frisen waren mir egal, doch ihr Verhalten am Buffet trieb mich wiederum in den Wahnsinn, wo ich dann meine Mitbewohnerin traf. Jeden Morgen gab es ein kleines Gimmick zum Frühstück: Brownies, Muffins, Grillen oder wie heute Windbeutel. Windbeutel halte ich für eine Sensation, die ihresgleichen sucht. Leider tun auch das die zwei Brüder aus Süddeutschland mit ihrem für Süddeutschland unüblichen friesischen Dialekt.

„Vielleicht kommen sie ja eher aus Norddeutschland?“, mutmaßt meine Mitbewohnerin.

„Ich werde meine Einordnung in die süddeutsche Schublade nicht an unserem letzten Tag revidieren!“, schmettere ich ihr hingegen.

Die zwei Brüder, nennen wir sie Franz und Fritz, stehen minutenlang vor der Schüssel mit Windbeuteln und tellern sich einen nach dem anderen auf, während ich dahinterstehend immer nervöser werde. Ich leide unter Futterneid, das habe ich von meinem Vater, der mir schon früher am Mittagstisch mit seiner Gabel Speisen von meinem Teller geklaut hatte, nachdem er zu mir sagte: „Guck‘ mal da draußen! Was ist da denn los?!“ Klein Seppo dreht sich um, Seppo sen. stiehlt in dem Moment sein Essen.

Vor der Windbeutel-Schüssel bin ich also versucht, Fritz und Franz in die Seite zu schlagen, damit sie endlich den Weg freigeben und mir vor allem noch Windbeutel übrig zu lassen. Aber das könnte mir schnell als sexuelle Belästigung ausgelegt werden, sodass ich geduldig genervt warte, bis auch Franz seine drei Windbeutel aufgetellert hat. Dumm von ihm, denn ich nehme direkt sechs. Und schicke hernach meine Mitbewohnerin los, um weitere sechs für mich zu holen. Doch Fritz und Franz sollte man nicht unterschätzen, sie ziehen nun mit einem jeweils zweiten Teller los und blockieren abermals die Windbeutel-Schüssel, die sich bedrohlich leert.

„Man schmeckt die Salmonellen förmlich raus“, sage ich zu Fritz und Franz. Doch sie wissen mit Salmonellen nichts anzufangen.

„Letzte Woche habe ich nach den Windbeuteln die ganze Nacht durchgekotzt“, ich nun beiläufig, „Versaut Euch nicht den Urlaub!“

Leider bekam das Fritzfranz‘ Vater mit, dem ich schon auf einer Busfahrt unangenehm aufgefallen war: „Sie sind ein ganz mieser, deutscher Tourist!“

Doch bin ich ein typisch deutscher Tourist? Urlaubsseppo (TM) muss das verneinen. Viele Dinge, die mich in der Heimat stören würden, sind mir hier egal. Die Armut der Einheimischen – egal. (Puh) Die vollgekackten Toiletten? Egal, ich setze mich hier auf jede Klobrille und leiste meinen Beitrag. Leider haben hier viele Herren-WCs gar keine Klobrillen, sodass ich hier und da schon auf die Damen-WCs ausgewichen bin. Die zwar über eine Klobrille verfügen, aber ebenso vollgeschissen sind. Gestern Bootstour nach Comino, einer Nachbarinsel, die etwa so groß ist wie die Wurzel aus Grönland und Islanf. Elf Uhr Abfahrt. Wir beobachteten aus einem Café heraus, wie die ersten deutschen Touristen schon um zehn Uhr das Boot enterten, um einen möglichst tollen Sitzplatz zu ergattern. Urlaubsseppo (TM) hingegen verfügt, erst um zehnvorelf das Boot zu betreten. Denn einen Platz bekommt man auch dann, wenn man sich an die Reling stellt und sagt:

„Bei Wellengang kotze ich immer.“ Die Reihen lichten sich dann sehr schnell, sodass man im Grunde freie Platzwahl hat.

Zu großer Tradition hat es bei uns der vormittägliche Kaffee am Strand gebracht, da der Kaffee beim inklusiven Frühstück im Hotel nichts mit Kaffee gemein hatte. In der Regel saßen wir in einem Laden, der sich „Mexi.co“ schimpfte und uns immer wieder mit seinem Personal überraschte. Spätestens gestern Abend, als uns der Mann die Cocktails brachte, den wir eigentlich von der Kasse unseres Supermarktes hier im Ort kannten. Vor einigen Tagen wurde uns der Kaffee von dem Typen serviert, der uns tags zuvor noch als Busfahrer nach Valletta chauffiert hatte. Das Essen brachte uns jemand, auf dessen T-Shirt der Name der Bar vom anderen Ende des Ortes gedruckt war („Maya-Bar“). Entweder gehört das hier alles einem riesigen Konzern (Maltos ltd.) oder jeder hat mehrere Jobs. Gleichzeitig. Denn auch der, der gerade den letzten Stern von unserem Hoteleingang entfernt, hat uns in Valletta schon einen Espresso serviert. Und ich lüge wirklich nicht, wenn ich von vorgestern berichte, als wir nach der Rechnung fragten und ein Angestellter zögerlich versprach, sie uns zu bringen, und uns dann die Rechnung mit der Bitte übergab, zu prüfen, ob das auch wirklich unsere sei, denn er arbeite hier nicht. Das ist kein Witz. Es war unsere Rechnung, die wir auch brav beglichen mit den hier auf Maltos üblichen 70 Prozent Trinkgeld. An welchen Laden das Geld nun ging, war uns letztlich egal.

Die Zeitumstellung. Auch hier auf Maltos wurden die Uhren zurückgestellt, auch in der Nacht von Samstag auf Sonntag. Das wäre uns fast entgangen, doch auf dem Haus-TV-Kanal des Hotels lief neben der Wettervorhersage, die wir uns immer reinzogen, auch eine Hinweistafel, die uns geradezu bedrängte, die Uhr umzustellen.

Kleiner Exkurs: Ich verachte die Menschen, die noch eine Woche nach einer Zeitumstellung sagen „Eigentlich ist es ja erst x Uhr!“ Exkurs Ende. Obwohl, eigentlich ist es gerade nicht elf, sondern zwölf. Eigentlich landen wir morgen nicht um zehn, sondern um elf.

Kleiner Haken an der Hinweistafel beim Haus-Kanal: Sie wird noch immer ausgestrahlt. Nun weiß ja der simpel Gebildete Mensch, dass die Uhr nur einmal um eine Stunde zurückgestellt wird. Doch unsere Familie aus Süddeutschland, die zugegebenermaßen eher aus Friesland kommt, war der Meinung, die Uhr ein zweites Mal – in der Nacht vom Sonntag auf gestern – zurückzustellen. Könnte ja sein, dass man das auf Maltos so macht und der Haus-Kanal weist ja auch unablässig darauf hin. Ich gebe zu, es gibt Staaten, da herrschen Diktatoren, die nach Gutdünken ganz neue Zeitrechnungen einführen und auch ich liebäugelte auch schon damit, das Jahr 36 n.S. einzuführen, doch fürchtete ich, dass niemand mitziehen würde. Wie auch immer, die Familie um Fritz und Franz verpasste auf diese Weise das Frühstück und realisierte, dass sie die Uhr von gestern auf heute besser nicht noch ein drittes Mal zurückstellen sollte.

Wir springen nun, da das Wetter sich gebessert hat, ein letztes Mal in den Indischen Ozean, der Maltos umgibt, um dann in der kommenden Nacht zu einer ungemütlichen Uhrzeit hier am George W. Bush-Airport gen Heimat abzuheben.


Auf meiner Facebook-Seite findet Ihr einige Fotos und Videos aus meinem Urlaub!