seppologwerbung 2

In einer Einleitung zu diesem Blog schrieb ich dereinst innerhalb von wenigen Sekunden ohne großes Nachdenken einen Satz nieder, den mir viele abgenommen haben:

“Alles ist komisch, insbesondere das Tragische ist komisch, was es aber mitunter nicht weniger tragisch macht und somit spendet Komik in der Tragik nur bedingt Trost.” 

Ich brauchte schlicht etwas Einleitendes und doch hat der ein oder andere nach einem tieferen Sinn in dem Konstrukt gesucht und auch etwas gefunden. Ich bin tatsächlich der festen Überzeugung, dass persönliche Katastrophen nicht erst mit etwas Abstand, sondern unmittelbar erträglicher werden, wenn man das Komische in ihnen sieht. Ich unterhielt mich mit einer Freundin darüber, der großes Leid widerfahren war und diesen Satz so gar nicht komisch fand. Und sie hat Recht. Um mich mal eben selber zu quälen, stelle ich mir kurz mal vor, meine Mitbewohnerin, mit der ich mehr teile, als nur die Wohnung, würde, sagen wir mal, vor ein Auto geraten und eher unglimpflich davon kommen. Jegliche Komik, gar Humor, würde mir im Halse stecken bleiben und ich meines Lebens so schnell wohl nicht mehr glücklich. Die großen Schicksalsschläge haben mit Komik nichts zu tun und sind durch nichts schönzureden. Und es gibt so mannigfaltige Möglichkeiten, die einem das Leben nachhaltig und unwiderruflich versauen können. Denen wir mit nichts in der Hand ausgeliefert sind. Und man weiß gar nicht, was schlimmer ist: dass es einen selber trifft oder den liebsten Menschen. Aber vor diese Wahl werden wir erst gar nicht gestellt, wir werden nicht gefragt.

Ich war neun Tage im Urlaub und in der glücklichen Situation, am Strand darüber nachdenken zu können, was wirklich wichtig im Leben ist. Und es sind eben nicht die Dinge, die man zunächst für wichtig hält. Es sind die fundamentalen. Man weiß es ja im Grunde, aber man vergisst es im Alltag, der gespickt ist mit Dingen, die einen in regelmäßiger Oftmaligkeit (endlich habe ich diesen Begriff unterbringen können) beanspruchen. Muss man sich es vorwerfen, dass man im Alltag den Blick für das wirklich Wichtige verliert? Möglicherweise ist es genau richtig so, dass wir abgelenkt sind durch Alltagsgedöns. Der Preis ist jedoch diese fatale Überraschung, mit der einen Schicksalsschläge eiskalt erwischen. Mir persönlich ist daran nicht gelegen, ich habe sie permanent im Hinterkopf, ohne jedoch deshalb mit depressiver Stimmung durchs Leben zu gehen. Dass es sich jeden Moment ändern kann, das Leben, ist mir bewusst. Ich frage mich nicht „Warum ausgerechnet ich?!“, sondern „Warum erst jetzt?!“

Vor rund zehn Jahren geriet ich aus eigenem Verschulden vor ein Auto. Leider war es kein parkendes, sondern ein fahrendes Auto. Bis auf ein Hirn-Trauma, das einiges erklärt, und ein paar Blessuren trug ich nichts davon bis auf eine Lehre. Und für einige Wochen das fantastische Gefühl, dass mich nichts umbringen könne. Mir war klar, dass das ein irrationales Gefühl, vor allem ein trügerisches, ist; aber dennoch genoss ich es. Und ich sah die Komik an der Nummer. Denn an meinem Fahrradlenker baumelte eine Tüte mit einer Tiefkühlpizza von „Dr. Oetker“ und mehren Ausführungen von „Bifi“. Nachdem das Auto mich erfasst hatte, lagen sämtliche „Bifis“ auf der Straße verteilt, was nicht zu Unrecht auch die Polizei amüsant fand. Eine „Bifi“ hab‘ ich mir bis heute als Andenken aufgehoben. Sie zu essen, wäre vermutlich mein sicherer Tod.

Wie vielleicht viele von uns trage auch ich ein Paket Scheiße mit mir ‚rum, das mich mitunter in eine gewisse Missstimmung versetzt und mich mein Schicksal verfluchen lässt. Nun denke ich aber grundsätzlich eher positiv, sodass ich einfordere, dass mein Scheiße-Level sein Soll erfüllt hat und ich vor weiterer Scheiße bewahrt bleibe, was sich fantastisch mit dem vorletzten Absatz widerspricht. Denn mit nicht einmal 40 zu glauben, man sei druchs Gröbste durch, ist natürlich etwas naiv. Und schon wieder komisch.

Meine Mitbewohnerin stößt sich anders als ich nicht permanent irgendwo den Kopf, aber daran, dass ich alles ins Komische, nicht Lächerliche, zu ziehen versuche. Vielleicht ist es ein Extrem, mir aber ein lieberes als das Gegenteil, alles so ernst zu nehmen. Denn angesichts des alltäglichen Katastrophenpotenzials, von dem es Wunder nimmt, das es nie voll ausgeschöpft wird, beim einen jedoch voller als beim anderen, nehme ich die Dinge lieber nicht so ernst und warte, bis die richtig ernsten Dinge kommen, auf die ich – siehe oben irgendwo – dann gerne innerlich vorbereitet bin. Meine Mitbewohnerin rief mich vor einigen Wochen an und sagte nur „Ich rufe gleich zurück, der Notarzt kommt gerade.“ und ich war zwar unter Schock, aber mir war immer bewusst, dass immer was passieren kann und es nun soweit war. Komisch fand ich in der Situation, in der ich zügig zum Unfallort fahren musste, allerdings die Tatsache, dass ich mir ohne Scheiß eine Mikrosekunde die Frage gestellt habe, ob ich meinen Bart vorher noch style. Ich sah natürlich davon ab, aber es zeigt, was Schock mit einem macht und wie alltägliche Handlungen in einem drinstecken. Und es war nicht ohne Komik, wie ich am Unfallort auf einem Behindertenparkplatz

Exkurs: Ich dachte heute beim Laufen darüber nach, dass man nicht mehr „behindert“ sagen soll. Ich müsste nun wissen, wie Behinderte zu der Frage stehen, bevor ich mir ein Urteil erlaube. Auf der anderen Seite hieß es immer „behindert“ und ich empfinde es als unerträgliche Modeerscheinung und unerträgliche politische Korrektheit, wenn nun ein Begriff benutzt werden soll, mit dem etwas ausgdrückt werden soll, während es möglichst minimalinvasiv ausgedrückt werden soll. Ich will etwas beschreiben, soll dabei  aber tunlichst vermeiden, die Wahrheit auszusprechen. Irre! Ich lasse mich da aber gerne eines besseren belehren.

parkte und ein Kioskbesitzer mich rüde darauf hinwies. Ich blaffte zurück, dass ich gerade alles dürfe und ärgerte mich kein Stück darüber, dass ich beim Aussteigen die Fahrertür gegen so einen bekackten Blumenkübel donnerte. Das war eher komisch angesichts des Anlasses, der mich überhaupt zu diesen Ort brachte. Da hat sich Unglück doch recht schnell relativiert. Eine Macke in der Tür ist mir lieber als eine Macke an meiner Mitbewohnerin. Und dennoch, über ihr massiv geschwollenes Klitschko-Auge konnten wir schon in der Notaufnahme (nervös) lachen, auch wenn ich dabei noch fragte:

„Du hast Dich noch nicht im Spiegel gesehen, oder?“

„Nein.“

„Dann vergeht Dir das Lachen möglicherweise doch noch!“

Es verging ihr nicht. Im Gegenteil, sie hat ein Foto gepostet. Sie hat von mir gelernt! Alles ausschlachten, gerade das Private, denn das ist lustiger als alles, was man sich ausdenken kann!


Weitaus weniger gedankenschwanger geht es auf meiner Facebook-Seite zu mit kurz angerissenen, ausführlichen Hintergrundbeiträgen und Psychogrammen von Hauskatzen und solchen, die es noch werden wollen.