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Was treibt eigentlich diese Lara, die seit nunmehr zwei Monaten das Vergnügen hat, meine unsere Nachbarin zu sein? Nun, sie war zuletzt etwas beleidigt, da nicht sie, sondern eine andere Nachbarin unsere Wohnung während des Urlaubes hüten durfte. Es gab da im Vorfeld ein schwieriges Gespräch und ich kam mir dabei vor, als hätte

a) ich sie nicht zu meiner Braut auserkoren

oder b) nicht sie, sondern eine andere Freundin zur Trauzeugin gemacht.

Bei unserem letzten Treffen vor der Sommerfrische sprach ich das Thema erst gar nicht an, ahnte aber, dass sie es tun würde und so kam es auch, in der ihr eigenen, sympathischen Art:

„Und wann gibst Du mir Deine Wohnungsschlüssel, damit ich Blumen gießen kann?“

Zunächst einmal stieß mir etwas unangenehm auf, dass sie nach wie vor von meiner Wohnung spricht und ignoriert, dass ich sie nur zur Hälfte bezahle.

Unsere Schlüssel!“, sagte ich.

„Mir reicht aber Dein Schlüssel“, sie dann.

Touché!

„Pass auf, folgende Situation: Frau Fahrenscheit [unsere andere Nachbarin] wird das einer alten Tradition folgend für uns erledigen.“

„Hört, hört. Nun gut, okay. War ja nur ein Angebot.“

„Du kannst ja über Weihnachten die Wohnung hüten!“, schlage ich gönnerhaft vor.

„Weil ich ja Weihnachten nichts besseres zu tun habe!“

Das Gespräch behielt diese Richtung bei und ich nahm alle Schuld für diese Missstimmung auf mich, weil es das Meta-Gespräch, das dann auch noch folgte, erheblich abgekürzt hatte. Das habe ich in elf Jahren zusammen mit derselben Frau gelernt:

„Ja, Du hast Recht. Ich trage die volle Verantwortung für diese Missstimmung. Was kann ich tun, um wieder Weltfrieden herzustellen?“

„Du nimmst mich nicht ernst!“, sie erbost.

Puh. Da musste ich wieder lügen:

„Doch!“

Denn es fällt mir schwer, sie ernstzunehmen. Was nichts mit mangelndem Respekt zu tun hat, aber die Frau ist ein Phänomen. Ich finde sie großartig, aber sie erfüllt das Klischee einer blonden Sex-Bombe. Und ich möchte ja behaupten, dass „Sex-Bombe“ ein absolutes Kompliment ist. Ich muss es wissen, bin ja selber eine.

Bei einem weinseligen Abend fragte ich sie dereinst, da meine Zunge sich leider sehr schnell lockert, ob ihr eigentlich bewusst sei, dass sie puren Sex ausstrahle.

„Nein. Ich tue was?“

„Naja, Deine Wohnung sieht aus wie ein Porno-Set. Und Du wie … also toll. Du siehst toll aus!“

„Wie ein Porno-Sternchen?!“, will sie wissen.

„Wäre das eine Beleidigung?“

„Aus einem Edel-Porno?“

„Ja.“

„Dann sehe ich es als Kompliment.“

Ich habe mich am nächsten Morgen entschuldigt, fühlte mich aber bestätigt.

„Ich habe durchaus mal überlegt, als Porno-Darstellerin zu arbeiten!“, schob sie tagsdarauf hinterher.

„Dann nehme ich meine Entschuldigung zurück, ich schreibe Dir ein Empfehlungsschreiben.“

„Du willst also mit mir schlafen?“

Ich habe Frauen diesen Wunsch durchaus schon mitgeteilt, aber nie so direkt.

„Nein, nein. Sicher, unter völlig anderen Umständen, aber so wird das schwierig.“, erkläre ich mich. Und wechsele das Thema: „Draußen regnet’s.“

Zurück zu der Frage, wie ich es wieder gutmachen könne, dass sie nicht unsere Wohnung hüten darf.

„Du lädtst mich zum Essen ein.“

Wir werden Dich zum Essen einladen!“, ergänze ich.

Und dazu kommt es. Heute Abend. Es wird Wein geben, damit ich es ertrage, wenn sie das erste Mal auf meine Mitbewohnerin trifft. Ich bin gerne und oft der Hahn im Korb, in diesem speziellen Falle habe ich Angst. Ich bin sogar jetzt, am Arbeitsplatz, nervös, was da in etwa drei Stunden geschehen wird.

Der Grundkonflikt besteht darin, dass sie in den vergangenen Wochen gelernt hat, meine Mitbewohnerin zu hassen. Es gibt keinen Grund. Aus männlicher Sicht gibt es keinen Grund. Weibliche Logik, die ich bis vor einiger Zeit zu verstehen glaubte, mag das Rästel entschlüsseln können. Allein, mein Verstand vermag das nicht. Der Tatbestand ihres Hasses auf meine Mitbewohnerin nährt im Gegenzug deren Hass auf sie, also auf Lara. Zumindest diesen Hass kann ich nachvollziehen und ja, ist irgendwie auch toll, denn ich habe ja nichts getan, was mir auch absolut fernliegt.

Leserinnen haben mir bereits unterstellt, ich würde Lara belästigen. Weil ich ihr immer wieder die Tür aufmache. Wenn hier jemand jemanden belästigt, dann ist es eher umgekehrt der Fall, aber tatsächlich eher so, dass ich mich jedes Mal schwanzwedelnd wie ein Hund freue, wenn sie mich mit ihrer engelshaften Erscheinung beglückt. Weil ich weiß, das kann ich wieder ausschlachten für das seppolog. Und weil sie mich immer unfreiwillig erheitert.

Als meine Mitbewohnerin und ich vor rund einer Woche aus dem Urlaub wiederkamen, trafen wir noch mit Koffern in der Hand Lara im Hausflur.

„Na, wo soll’s denn hingehen?“, fragte sie neugierig aufgeregt.

„Hallo! Also es soll ziemlich genau hinter diese Tür da gehen.“

Wir sehen Fragezeichen in ihren Augen. Ich kläre auf, während meine Mitbewohnerin entnervt die Wohnung betritt:

„Lara, wir kommen gerade aus dem Urlaub. Du erinnerst Dich?“

„Achja, wie war es auf Sizilien?“

„Malta.“

„Doch nicht Griechenland?“

„Äh, Lara, ich muss höchstdringlich schiffen! Ich schreib‘ Dir gleich wegen des Raclette-Essens!“

„Nächsten Freitag passt mir.“

„Ja, uns auch. Glaube ich. Ich habe keinen Einfluss auf unsere Terminplanung.“

In der Tat haben wir bei uns in der Küche einen „Janosch“-Kalender hängen, in dem meine Mitbewohnerin eifrig mein Leben verplant, ohne dass ich davon Notiz nehme.

„Ich sage Dir uns immer unsere Termine!“, rechtfertigt sie sich dann immer. Und sie hat Recht. Sie gibt mir immer eine sehr detaillierte Übersicht über die kommenden vier Wochen. Was sie nicht bedenkt: Ich kann mir nur etwa zwei Termine auf einmal merken. Von denen ich dann mindestens einen vergesse. Und so kommt es häufig vor, dass ich mit Partys, Konzerten (!) und Familienfeierlichkeiten überrascht werde. Daraus lerne ich aber, denn ich gucke jetzt immer etwa zweimal im Jahr auf den „Janosch“-Kalender, wo ich dann aus allen Wolken falle. Nun steht auch drin für den sechsten November:

„Lara *kotz*“

Das hat meine Mitbewohnerin geschrieben. Ich sollte es noch entfernen. Denn ich sehe schon Lara heute Abend, wie sie den Kalender entdeckt:

„Oh wie süüß! Ach wie schön ist Panama! Ihr habt einen ‚Janosch‘-Kalender! … Moment, ‚Lara *kotz*‘?!“

„Wir glauben, dass Du ‚Kotz‘ mit Nachnamen heißt.“

Ich muss es schwärzen und nun meine Mitbewohnerin positiv auf diesen Abend einstellen. Und beide Damen abfüllen. Und dann wird ein Männertraum wahr!