Wenn man mir aus dem Wege gehen will, gab es bis heute eine absolut verlässliche Methode, dieses zu tun: Man besuchte einfach einen Flohmarkt, denn mich dort anzutreffen war unwahrscheinlicher als mich mit einem Lächeln im Gesicht in einem Flugzeug vorzufinden. Hatte vor Jahren mal einen Stehplatz auf einem Kurzstreckenflug bei „ThepAir“. Ich glaube, heute wäre das gar nicht mehr erlaubt. Was ist wohl aus „ThepAir“ geworden?! Wir werden das nicht mehr klären. Hoffentlich anders als bei diesem Ding:

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Es ist eine Geldkassette. Nennen wir sie ab sofort „Box“. Nein, „Kästchen“. Es ist ein geheimnisvolles Kästchen. Ich habe es vom Flohmarkt. Es ist gefüllt. Jedoch: Es ist verschlossen. Und wann spart es sich ungünstiger am falschen Ende, als wohl dann, wenn man ein geheimnisvolles Kästchen erwirbt und auf den zugehörigen Schlüssel verzichtet?! Wohl selten. Meine Mitbewohnerin daher heute:

„Kauf‘ es mit Schlüssel. Warum denn ohne?! Welchen Sinn ergibt das?!“

„Ich kenne diese Geldkassetten. Die kriegt man schnell geknackt. Ohne Schlüssel sparen wir 20 Cent! Sag‘ Du mir nochmal, ich sei kein findiger Schnäppchenjäger!“, erwiderte ich.

Der Händler mischte sich ein: „Sie bekommen natürlich den Schlüssel umsonst dazu! Was soll ich mit ’nem bloßen Schlüssel?!“

Ich nahm meine Mitbewohnerin zur Seite: „Das ist ein ganz billiger, durchschaubarer Trick. Wenn es im Sinne des Händlers ist, ist es nicht in unserem Sinne. Also ohne Schlüssel.“ Während ich das so sagte, wurde ich allerdings nachdenklich: „Wenn er allerdings nur so tut, als sei es in seinem Sinne, um mich glauben zu machen, es sei in seinem Sinne, damit ich anders handle … nein, Moment. Er will, dass ich denke, er will den Schlüssel verkaufen, damit ich denke, er will es eben nicht und ich es genau deshalb tue! Was für ein ausgekochtes Schlitzohr! Aber ohhhne mich! Da muss er früher aufstehen!“

„Ich nehme Dich nie wieder mit zum Flohmarkt!“, meine Mitbewohnerin trocken. Und genervt. Sehr genervt.

Ich erhob also meine Stimme wieder dem Händler zugewandt: „Handelsmann: Wir sind uns einig, ich nehme die Schatulle ohne den Schlüssel!“

Das musste gesessen haben, damit hatte er mit Sicherheit nicht gerechnet! Sicher, ich kann nicht gut handeln, wenn’s um die Preise geht. Das halte ich ohnehin für überflüssiges Theater. Daher überraschte ich schon den ein oder anderen Verkäufer und noch mehr meine Mitbewohnerin mit „Ich gebe Ihnen das doppelte!“. Aber die Menge dessen, was ich kaufe, bestimme immer noch ich. Soll er doch sehen, was er mit seinem Schlüssel nun anstellt! Ich brauche ihn nicht!

Der Flohmarkt war am Messegelände, und zwar ganz genau an Parkplatz „P1“. Leider kenne ich das Messegelände nur allzugut und ich winkte ab, als meine Mitbewohnerin vorschlug, nachzusehen, wo genau „P1“ denn sei.

„Ganz am Anfang. Muss ganz am Anfang sein. Eins halt.“, fand ich sehr logisch. An der Messe dann angekommen, stellte sich heraus, dass ich in sofern Recht hatte, als dass P1 am Anfang war, jedoch am Anfang des anderen Endes des Geländes, sodass wir noch einen heiteren Fußmarsch vor uns hatten.

„Gut, das war jetzt etwas ungünstig verlaufen, wir lassen uns aber nicht aus der Ruhe bringen.“, wollte ich deeskalieren, während die ersten Verkäufer bereits schon einpackten, als wir dann endlich ankamen. Bis auf dass ich für Gott eine Wasserpfeife besorgen wollte, hatten wir keine konkreten Kaufvorhaben; es ging da mehr ums Gucken.

Stimme aus dem Off: „Oder ums Gesehenwerden?“

Nein, ums Gucken. Gucken, wie der Pöbel so kauft. Ich zu meiner Mitbewohnerin:

„Mir ist wichtig, Kontakt zum einfachen Mann zu halten. Wir sind da hier genau richtig. … Moment, was ist das?!“

Ich sehe das geheimnisvolle Kästchen. „Ist da was drin?“, frage ich den einfachen Mann.

„Ja, vermutlich. Machen Sie es auf! Schlüssel liegt dabei.“

„Nein! Das macht doch den Reiz aus! Ich kaufe es und gucke erst zuhause rein.“

„Sagen wir zwei Euro?“

„Ich gebe Ihnen das doppelte!“

Meine Mitbewohnerin interveniert: „Nein, einen Euro fünfzig.“

Ich: „Drei!“

Sie: „Seppo!!!! Ich mache das! Einsfünzig, mehr nicht. Okay?“

Ich: „Ohne Schlüssel!“

So kam es zu diesem Kauf, der mich jetzt, wieder zuhause, schwer beschäftigt. Abgesehen davon, dass ich auf Gott warte, der seine Wasserpfeife bei mir abholen kann, sitze ich nun vor dem geheimnisvollen Kästchen, das ich nicht zu öffnen weiß.

„Mit Schlüssel hätte es vereinfacht.“, denke ich laut gegenüber meiner Mitbewohnerin nach.

„Jeder andere hätte es so gemacht. Warum musst Du es immer anders machen?!“

„Mich reizte das Geheimnisvolle. Vielleicht ist Geld darin?“

„Weil es eine Geldkassette ist?!“

„Ja. Vielleicht aber auch Stasi-Dokumente! Hättest Du lieber Geld darin oder Stasi-Dokumente, die belegen, dass unser ungeborener Sohn bei der Stasi war?“

„????“

„Also Geld? Vielleicht auch gefälschte Ausweise von NS-Größen, die nach Argentinien wollten? Und dann kam ihnen Beate Klarsfeld in die Quere und hat ihre gefälschten Ausweise weggeschlossen.“

„Vielleicht ist nur Müll drin. Wie öffnest Du es?“

Und das eben wird die Frage dieses Abends sein. Hochspannung garantiert, wenn wir uns wiedersehen – in: Das geheimnisvolle Kästchen II!