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Zweifellos gibt es so etwas wie die Sucht nach Sport, was sich von der Sucht nach Drogen in sofern unterscheidet, als dass man den Sport ja nicht unbedingt in dem Moment der Aktivität gerne betreibt. Darum zahlen ja so viele Menschen Monatsbeiträge, meiden aber ansonsten das Fitnessstudio. Ich liebäugel‘ inzwischen auch mit dem Besuch eines solchen. Ich gehe jeden Abend an einem vorbei und denke, die warten nur so auf mich.

Ich kann die Sucht nach Sport ein wenig nachvollziehen. Es fällt mir schwer, nicht laufen zu gehen. Ich mache das seit mehr als 13 Jahren und zwar fünfmal pro Woche, wofür ich mich selber nicht hoch genug loben kann. Ich kann allerdings auch keinen anderen Sport, mein Gehirn ist nicht darauf ausgelegt, auf beispielsweise einen Ball zu reagieren.

Über die positiven Effekte des Laufens habe ich bereits ausreichend geschrieben und es geht mitnichten um Gewichtsverlust, dafür ist es der falsche Sport. Krafttraining, also der Aufbau von Muskelmasse wäre für den Zweck angezeigt. Mir geht es vielmehr um die Effekte auf – achtung! – die Seele. Denn die sind, wenn man es erst einmal hinter sich gebracht hat, durchweg positiv und zudem gibt es nichts besseres, als den Tag mit einem Lauf zu beginnen, gerade jetzt, wo die Luft kälter und frischer wird. Es ist nahezu orgiastisch; ich kann es jedem nur nahelegen.

Nun musste ich wegen einer nervigen Verkühlung, die aber in meiner Jahresbilanz eingepreist ist, eine Woche aussetzen, was einen Verlust von drei Läufen bedeutet. Das ist jetzt eine schwierige Rechnerei, warum es nicht fünf verlorene Läufe sind, hängt aber mit dem Lauf-Rhythmus zusammen, ich presse die Läufe an die Wochenränder und bin dazwischen krank. Egal.

Bevor man feststellt, dass man eine Erkältung hat, ist da immer dieser eine, letzte Lauf, bei dem es schon irgendwie sich seltsam ausnimmt. Man schwitzt mehr, es fällt einem schwerer als sonst. Zunächst denkt man, ja, schlechten Tag erwischt. Am Folgetag merkt man, ja, krank. Und es ist immer dieser letzte Lauf, der dem Körper vermutlich den Rest gegeben hat, was man eben leider erst nachher weiß.

Während man so erkältet daliegt, vielleicht einen grippalen Infekt hat, der, wie ich lernte, mit einer Grippe gar nichts zu tun hat, dann stellt man am zweiten Tag fest, dass an Laufen gar nicht zu denken ist. Vor etwa sechs Jahren wuchs sich eine Grippe in mir dermaßen aus, dass ich – natürlich kurz vor Weihnachten – mich im Krankenhaus wiederfand. Auch da dachte ich ans Laufen und war der Überzeugung, nie wieder laufen zu können, da mich ja schon der Toilettengang an die Grenzen meiner körperlichen Leistungsfähigkeiten brachte. Nun, man gesundet dann meist wieder und geht auch wieder das Laufen an, das freilich auch funktioniert.

Wenn das tägliche Laufen Bestandteil eines jeden Tages wird, bekommt man an Tagen ohne Lauf ein schlechtes Gewissen, gar ein schlechtes Körpergefühl, da man unweigerlich glaubt, man lasse sich gehen. Denn das Laufen wird ja auch zu einer Ideologie. Man verächtet plötzlich Bewegungsmuffel, obwohl man selber zwanzig Jahre sich dazu zählte und das nicht ohne Stolz. Jeder, wie er mag, keine Frage.

In den vergangenen drei Tagen habe ich mit mir verhandelt. Der erste Gedanke beim Aufwachen war:

„Bloß nicht laufen.“

Denn da kämpfte ich noch mit einer hartnäckigen Schleimsäule in meinen Gedärmen, die nicht raus wollte. Aber ausgerechnet da kann Laufen helfen. Dennoch, ich ließ es. Heute Morgen allerdings fühlte ich mich überraschend fit und der erste Gedanke war:

„Scheiße, keine Ausrede heute.“

Ich musste laufen. Zwischenzeitlich fiel jedoch in den Verhandlungen die Entscheidung, es doch besser zu vertagen, doch dann würde ich mein Wochenpensum nicht mehr erreichen können, es sei denn, ich ginge an einem Tag zweimal laufen. Auch das ist schon passiert. Da das aber spontan kommen muss und ich es nicht einkalkulieren sollte, biss ich in die Schuhe und lief dann eben doch. Laufen bei Erkältung; der Jogger würde abraten. Aber der Läufer?

„Schwerer Fehler“, glaubte ich beim Loslaufen, denn man merkt sofort, ob man fit ist oder nicht. Nach einer Weile freundete ich mich mit dem Gedanken an, dass ich semifit bin, aber da war ich schon zu weit weg, um abzudrehen. Und je länger ich lief, desto erfrischender wurde es. Und um es deutlich zu sagen: Natürlich geht man nicht mit Fieber laufen, das ist ja inzwischen jedem bekannt. Aber mit ausklingendem Husten und Schnupfen, was soll’s. Und ich bin der festen Überzeugung, dass so ein Lauf zum richtigen Zeitpunkt durchaus der Genesung zuträglich ist. Und natürlich gilt ein langsames Tempo, das sich aber leicht angeschlagen ohnehin von selber ergibt.

Spätestens wieder zuhause angekommen wird man dann überprüfen können, ob der Lauf eine gute Idee war und jetzt, eine Stunde danach etwa, meine ich feststellen zu können, ja, es war gut, fühle mich fitter als vorher, was zeigt, das richtige Pensum zum richtigen Zeitpunkt richtet cainen Schaden an. Und selbstredend bilde ich mir nach 13 Jahren einen gewissen Erfahrungsschatz ein. Anfangs mied ich es sogar, überhaupt bei kaltem Wetter zu laufen, was nun wirklich Unsinn ist, denn bis minus 15 Grad geht’s auf jeden Fall, mein kältester Lauf fand bei minus zwölf statt und der war fantastisch, auch wenn Weltrekorde da eher unwahrscheinlich sind. Denn das Pensum macht es.

Irgendwann während meines Studiums kam ich vielleicht aus Langweile auf die Idee, trotz schwerer Halsschmerzen laufen zu gehen. Muss jeder selber wissen, es war ein Versuch. Und der gepaart mit einer anschließenden heißen Badewanne war derart wohltuend, dass die Halsschmerzen danach weg waren. Im Laufe der Jahre hörte ich dann allerdings viel über Herzmuskelentzündungen, die leider irreversibel sind, also vielmehr ihre Folgen, sodass ich davon Abstand nahm, um mich dem jetzt wieder anzunähern. Ich behaupte auch, dass ein ans Laufen gewöhnter Körper das natürlich etwas besser wegstecken kann, zumal ich, ich kann’s nicht oft genug betonen, es extrem langsam angehe. Im Video erwähntes Durchschnittstempo entspricht einer Geschwindigkeit von 7,7km/h, man kann also im Grunde nebenher gehen.

Es sollte ja mal ein Laufblog werden, das seppolog, vielleicht ist ja noch der ein oder andere Läufer unter Euch, der in den Kommentaren seine Erfahrungen loswerden möchte, ich wäre durchaus interessiert!

Und der Vollständigkeit halber betone ich noch mal, dass natürlich mit Sport bei Krankheit nicht zu spaßen ist, das kann ein böses Erwachen (oder genau das eben nicht) zur Folge haben!


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