Da das Grundeinkommen in Deutschland nach wie vor seiner Einführung harrt, fuhr ich auch heute zu dem, was ich nicht „Arbeit“ nenne, das aber formal alle Bedingungen von Erwerbsarbeit erüllt. Ich tue etwas, wofür mich jemand mit mehr Geld, als ich es habe, entlohnt. Via Überweisung, ganz unkompliziert und bereits versteuert. Ich arbeite im gemachten Bett. Soweit so gut.

Und so ist auch ein Montag für mich kein blauer Montag, auch wenn ich es heute Morgen im Auto kaum fassen konnte, dass das Wochenende so nah (gestern) und doch so fern (in fünf Tagen) ist. Ich kenne andere Zeiten in meinem Leben, die auch wiederkehren werden. Wenn man sich den Montag schön rechnet. Wenn man denkt „Es ist praktisch schon Montagabend“, obwohl es erst Montagmorgen ist.

Ich habe mein Auto über das Wochenende nicht gesehen, räumliche Trennung, Abstand eben. Und da ich einer Gegend wohne, wo das Abtreten von Außenspiegeln oder das Einschlagen von Autoscheiben zur Wohn- und Lebensqualität dazugehört, gehe ich immer mit einem flauen Gefühl zum Auto. Und mit der Frage, welches Teil sie mir wohl dieses Wochenende abgeschraubt haben. Bis auf zwei Vorfälle ging es bislang gut. Erleichtert und mit dem Gefühl, dass ja schon im Grunde Dienstagmorgen sei, bestieg ich das japanische Auto und würde doch so gerne einen „Volkswagen“ fahren.

Mehrere Dinge beschäftigen mich auf der Fahrt zur Arbeit. Neben dem Gedanken, dass der Mittwoch im Grunde zum Greifen nahe sei, ist da noch die Begegnung mit Ecki Propstein am Samstag, der irgendwie ein Irrer ist. Und die Ampelschaltung, die ich heute so gar nicht verstehe. Denn alle Ampeln sind irgendwie … aus. Weder rot, noch grün. Nicht einmal gelb. Wie verhält man sich, wenn sämtliche Lichtsignalanlagen kein Licht signalisieren? Sind sie dann zu beachten? Und wenn, wie? Also: Augen zu und Gas, wird schon gutgehen, ich fahre grundsätzlich nur auf Vorfahrtstraßen, um mir weitere Überlegungen während des Fahrens zum Thema Vorfahrt zu ersparen. Damit fahre ich bislang ganz gut.

Nur eines ist heute anders. Neben den Ampeln. Es beginnt mit der Frau in dem „Corsa“, die neben mir an einer ausen Ampel steht. Wir warten beide auf Grün, auch wenn es gar nicht rot ist. Sie sieht zu mir herüber, hupt dezent und bekommt so meine Aufmerksamkeit. Die behält sie dann auch, da sie exakt so aussieht, wie Frauen meines Geschmackes aussehen sollten. Und Mädels in einem „Corsa“ sind ohnehin irgendwie sexy. Klar, sie flirtet mich an. Ist ja nicht so, als würde das sonst nie vorkommen. Ohne Sack über’n Kopf kann ich ohnehin nicht mehr das Haus verlassen, ohne belästigt zu werden. Das ist der Preis der Schönheit. Dorian Gray grüßt. Ich grüße zurück.

Also lächle ich das Mädel an, zwinkere kurz und spanne meinen Bizeps an, wobei ein seltsamer stechender Schmerz durch meinen Nacken zieht, etwas, was mir öfter passiert. Ich beiße die Zähne zusammen und lasse mir bis auf ein Quieken nichts anmerken, was sie aber nicht hört. Sie zeigt auf mich. Nein, sie zeigt irgendwie über mich hinweg. Was will sie?

Also öffne ich das Beifahrer-Fenster, das sich aber der Öffnung entzieht. Warum? Weil ich offenbar irgendwann den Schalter zur Tankdeckel-Öffnung gesucht habe, den ich jedes Mal aufs Neue finden muss. Das hängt damit zusammen, dass ich extrem selten tanke, da ich kaum fahre. Und jedes Mal suche ich diesen Schalter und erwische stets zunächst die Kindersicherung der elektronischen Fensterheber. Nervös frickele ich an diversen Schaltern ‚rum, verstelle dabei die Ausrichtung des Beifahrer-Außenspiegels und merke nicht, dass „Corsa“-Girl bereits weggefahren ist.

Ich richte den Spiegel also wieder neu aus und überlege, dass ich diesen Vorfall zumindest bloggen kann, wenn er sich mir schon nicht gänzlich erklärt.

Ich fahre weiter und muss staubedingt auf Höhe einer Bushaltestelle halten. Eine dort Wartende zeigt auf mich. Nein, über meinen Kopf hinweg. Was wollen die alle?! Also öffne ich die Tankklappe, verstelle den Außenspiegel und öffne das Fenster. Komme aber nicht mehr dazu, zu fragen, auf was hier gezeigt wurde, denn der Verkehrsfluss erwartet meine Weiterfahrt.

Ich lasse das Fenster geöffnet, da ich mit einem weiteren Fingerzeig über meinen Kopf hinweg rechne. Das Fahren mit geöffneter Tankklappe: kein Problem. Und wer braucht schon einen korrekt ausgerichteten Außenspiegel. Derweil stelle ich fest, dass der Donnerstagabend noch sehr weit weg ist.

Abermals muss ich halten. Ich blicke aus dem Fenster und suche vergebens Menschen, die mir sagen könnten, was heute über meinem Kopf so zeigenswert ist. Da muss etwas auf meinem Dach sein. Ein Kind? Ich habe keins, unmöglich also, dass ich dort eines abgestellt und vergessen habe. Überhaupt stelle ich genau aus diesem Grunde nie etwas auf meinem Dach ab.

Es kommt jemand. Ich rufe aus dem Fenster:

„Wo würden Sie hinzeigen, wenn Sie jetzt irgendwo hin zeigen müssten?“

Fragende Blicke bei meinem Gegenüber.

„Watt willsu?!“

Oha, ich habe offenbar einen unsympathischen Zeitgenossen mit einer für ihn unlösbaren Aufgabe konfrontiert.

„Auf Maul?!“, erkundigt er sich.

Panisch schließe ich Tankdeckel, öffne versehentlich mit einem Hebel die Motorhaube, schließe das Fenster, öffne das Fenster hinten rechts und trete aufs Gas. Gewalt immer aus dem Wege gehen, am besten bereits der puren Androhung von Gewalt.

Mit Fragezeichen im Gesicht entere ich den Parkplatz meines Arbeitgebers. Und sehe die Bananenschale. Die ich nun dort liegen lasse, bis der Wind sie fortträgt.

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