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Ich weigere mich ja, über Dinge ständig zu meckern. Ich nehme vieles hin und halte das auch für sehr deutsch und nicht immer für unsympathisch. Und irgendwie haben wir es so ja auch geschafft, dass ein für unsere Breiten unbedeutendes Presse-Produkt zum zweiten Mal einen Bundeskanzler, dieses Mal in seiner weiblichen Erscheinung, zur „Person des Jahres“ gekürt hat. Was hier eher belächelt wird, obwohl wir da durchaus stolz drauf sein könnten. Aber mit Stolz haben wir es nicht so, den haben wir mal im Übermaß aufgebraucht.

Eine überflüssige Maut für „Ausländer“, ein von vorne bis hinten verkorkstes Bildungssystem, ein ineffizientes Gesundheitssystem (das dennoch zu den besten der Welt gehört), eine Armee, deren Gewehre um die Ecke schießen, das Land mit Sicherheit nicht ansatzweise verteidigen könnte – alles geschenkt. Nehme ich so hin. Aber: Dass ich trotz Kunde der „Packstation“ der „Deutschen Post“ jedes im Jahresschnitt dritte Paket und jedes einzelne in der Weihnachtszeit eben doch in einer Filiale abholen muss, bringt mich auf die Barrikaden. Denn darum geht es doch der Post: dass man eben nicht in die Filialen kommt.

Ich mache mir nichts vor, jedes Unternehmen hat einzig Gewinnmaximierung zum Ziel. Das ist legitim. Dabei wird selbstverständlich keine Rücksicht auf Arbeitnehmer genommen. Das war schon immer so und wird auch so bleiben, bis das Konzept Erwerbsarbeit nicht mehr funktioniert. Wer sich da Illusionen macht, wird enttäuscht. Und natürlich ist es im Interesse dieses weltgroßen Logistik-Konzerns „Deutsche Post“ oder meinetwegen auch „DHL“, dass es möglichst wenig Menschen beschäftigt. Darum stellt die Post die „Packstationen“ auf. Und die Dinger sind wirklich massiv praktisch. Jeder Idiot kann damit umgehen und seine Lieferungen schneller erhalten.

Aber natürlich klappt es nicht. Die Post stellt zu wenige auf, gerade zur Weihnachtszeit sind die Dinger ständig überfüllt. Gleichzeitig aber verfügt die Post ganz offensichtlich über zu wenig Personal, um die Packstation-Geschädigten zu bedienen, die wie ich mittags die Pakete abholen wollen, die eben nicht in der Packstation gelandet sind. Das an sich ist ja schon irgendwie kurios. Was es zu vermeiden galt, wird Dauerzustand.

Weil ich solche Erledigungen immer mit einem Lauf verbinde (wofür die Post nichts kann), komme ich also neongrün und leicht verschwitzt in die Postfiliale am Bahnhof, die auch die Hauptfiliale ist. Hier bekomme ich zumindest im Ansatz meinen ersten Nervenzusammenbruch, als ich die lange Schlange vor dem einen Schalter sehe. Ich richte mich also auf etwa 20 Minuten des Wartens ein. Wie naiv von mir.

In weiter Entfernung sehe ich die glückliche Kundin, die gerade bedient wird. Ich sehe wildes Gestikulieren und ahne schon, dass es keine bloße Paket-Abholung ist. Ich ahne, da will jemand etwas verschicken. Offenbar hat sie es nicht richtliniengetreu verpackt und lässt sich bei der Gelegenheit noch das Tarifsystem der Post erläutern. Ich werde ungehalten und lege einen bösen Blick auf, den die vor mir Wartenden bereits haben. Gleichzeitig bedaure ich diese eine Post-Angestellte, die von so vielen zornigen Menschen angeblickt wird. Denn sie kann natürlich am wenigsten dafür. Dennoch finde ich es legitim, es ihr bei erster Gelegenheit vorzuwerfen, dass die Post hier völlig versagt hat. Denn wem sonst? Sie muss es dann weiter nach oben tragen. Auch naiv. Denn natürlich weiß das Unternehmen genau, was es tut und es schmeichelt dem Gewinn, wenn möglichst wenige für den Gewinn arbeiten. Sie kann nichts dafür. Also konzentriere ich meinen wachsenden Hass auf die Dame vor mir. Ich sehe ihr an, dass sie ein wahnsinnig kompliziertes Anliegen haben muss. Außerdem macht mich ihr kindlicher Haarreifen aggressiv. Wie kann sie vor mir in einer Schlange einen so albernen Haarreifen tragen?! Gut, ich muss aussehen wie ein Junkie. Völlig verschwitzt, laute Weihnachtsmusik im Ohr und dann noch neongrün. Dann dreht die sich auch noch zu mir um und sagt:

„Hier stehe ich.“

Ja, das sehe ich ja. Warum informiert sie mich darüber?! Sie ist nicht zu übersehen mit ihrem albernen Haarreifen.

Dann geht sie plötzlich zum „Schwarzen Brett“ der Postbank, die mit der Post schon lange nichts mehr zu tun hat, und erkundigt sich über Immobilien. Aha, sie wollte also nur sicherstellen, dass ich sie zurück in die Schlange lasse. Ausgerechnet sie, mit ihrem sehr wahrscheinlich komplizierten Anliegen.

Hinter mir stehen zwei Herren, die sich ebenfalls aufregen. Sie lassen es sich allerdings im Gegensatz zu mir auch anmerken. In gebrochenem Deutsch verfluchen sie für alle hörbar das deutsche Dienstleistungswesen, das so mies gar nicht ist, wie wir es immer reden. Ich überlege, ob ich sie darauf hinweise, dass sie mit ihrem „Hermes“-Paket ohnehin am völlig falschen Ort sind, verzichte aber darauf, weil sie vermutlich ihre Gründe haben werden. (Es stellt sich nachher heraus, dass sie die nicht hatten. Sie wurden zum nächsten „Hermes“-Kiosk verwiesen.)

Ein anderer Kunde ist bereits bedient – im Wortsinn – und kämpft mit einem „Trolley“, auf den er drei unangenehm große Pakete aufladen will. Ich überlege, ihm zu helfen, sehe aber davon ab, da ich in großer Sorge bin, widerlichst nach Schweiß zu riechen. Denn sooft wasche ich meine Laufklamotten aus lauforganisatorischen Gründen nicht. Also sehe ich ihm zu, wie er Hilfe bedarf, weil ihm ständig der „Trolley“ unter den Paketen wegrollt, bis sich dann ein anderer, wohl duftender Mensch seiner erbarmt, was mein Gewissen etwas erleichtert. Ich hätte ja.

Etwa fünf Minuten später schlängelt sich ein Herr mit zwei Paketen in der Hand an der Schlange vorbei, während ich in Gedanken damit hadere, dass ich demnächst auf ein Vonda Shepard-Konzert muss. Großes Hallo in der Schlange, jeder fühlt sich berufen, den armen Mann anzupöbeln, ob er sich denn nicht wie jeder andere hinten anstellen könne. Das wiederum finde ich schon wieder amüsant, weil so vorhersehbar. Ich nehme an, er will sich lediglich seiner Last entledigen, um sich dann anzustellen und natürlich ist das auch der Fall. Die Menge beruhigt sich also wieder und guckt weiter böse die Postangestellte an, die sich vermutlich jedes Jahr aufs Neue auf Weihnachten freut.

Ich habe lediglich zwei kleine Pakete erwartet, denn sonst könnte ich die Abholung natürlich nicht mit einem Lauf verbinden. Der Plan war also, mit zwei Paketen in den Händen den Lauf fortzusetzen. Mache ich oft, ist kein Problem.

Nun herrschte eine gewisse Diskrepanz zwischen meiner Erwartung und der Realität, als ich endlich drankomme und die Dame mir zwei mittelgroße Pakete übergibt. Ich überlege kurz noch, nachzuhaken, warum denn immer die Packstation 115 überfüllt sei, kenne aber die Antwort:

„Für Packstationen sind wir nicht zuständig.“

Ja, wer denn dann?! Die „Deutsche Bahn“?! Schon mal versucht, die Service-Hotline der „Packstationen“ zu finden? Das ist irre! Vor Jahren lag in meinem Packstation-Fach mal eine Sendung, die gar nicht an mich adressiert war. Ich ging mit dem fremden Paket zur Post und man sagte mir, man sei dafür nicht zuständig! IRRE! Exakt das meine ich immer mit Humor des Alltags! Darüber sollte man nicht trüb werden, das ist schlicht lustig. Das ist, als würde der Lokführer nach dem Zugunglück sagen:

„Ich bin nicht für das Führen der Lok zuständig.“

Ich frage die Dame also nicht und ahne, dass ich in diesen Wochen noch oft bei der Post anstehen werde. Nun stand ich erst einmal vor dem Problem, die zwei Pakete joggend nach Hause zu bekommen. Irgendwie geht das auch, nur leidet der dynamische Laufstil massiv unter den Paketen rechts und links unter den Armen. Natürlich, dann verheddert sich noch das „iPod“-Kabel, während man Böses ahnend das Klappern der Bart-Öl-Fläschchen wahrnimmt, die natürlich durch das Laufen entsprechend im Paket durchgeschüttelt werden.

Ich find’s immer toll, wenn die Postangestellten bei der Paketausgabe fragen, wie groß denn das Paket sei. Das weiß ich natürlich nicht, denn ich hab’s mir ja nicht geschickt, und sage immer, dass es sich zumindest nicht um eine Waschmaschine handele. Ich weiß nicht, wie „Amazon“ mein Bartöl verpackt hat. Denn selbst „Zalando“ verschickt Schuhkartons nicht in Schuhkarton-Größe, sondern packt den Schuhkarton noch in einen ungleich größeren Karton. Bartöl an sich ist sehr handlich. Nur packt „Amazon“ das Bartöl in einen Karton, in den auch eine Waschmaschine passen könnte.

„Ist wohl doch eine Waschmaschine?“, sagt die Dame schmunzelnd.


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