IMG_6431Meine Mitbewohnerin, um die es hier geht, und ich. Sie leicht verfremdet.

Ich wollte an sich eine Abhandlung über Logik schreiben, was mir dann aber zu simpel erschien, sodass ich mich für „Frauen“ entschied, wobei da vermutlich viele Fragen offen bleiben werden. Frauen streiten pro Jahr mehr als 1.000 Minuten. Einige Exemplare sicherlich auch am Stück, also rund 18 Stunden. Da blieben noch sechs Stunden Schlaf. Männer hingegen streiten nur 419 Minuten pro Jahr und das überrascht ja niemanden mehr. Liegt vielleicht auch daran, dass Männer teilweise gar nicht bemerken, dass sie sich in einem Konflikt (mit einer Frau) befinden …

Ich bin großer Fan von Frauen, wobei es da natürlich Ausnahmen gibt. Mit der für mich wohl wichtigsten Frau habe teile ich Mietverhältnis und Leben, wobei wir in elf Jahren noch nicht einmal gestritten haben, sodass wir auf mehr als sechs Stunden Schlaf kommen. Dass es mit uns so unerträglich gut funktioniert, liegt natürlich an mir.

Nein, es ist ihr Verdienst. Sie erträgt so einiges und das auch noch mit Fassung. Und sie lässt mich alles machen, Teile davon unterstützt sie auch noch tatkräftig. Und ihr geht eine Eigenschaft ab, die ich – ohne verallgemeinern zu wollen – bei nicht wenigen Frauen erlebe und mitunter durchaus sexy bis irgendwie geil empfinde: Zickigkeit. Kann sehr reizvoll sein, das tatsächliche Zusammenleben aber zumindest mit mir erschwerden, da ich Zickigkeit, mieses Nomen, als irrational empfinde und Irrationales an sich ablehne, weil Zeitverschwendung. Dennoch brauchte ich 35 Jahre, um zu kapieren, dass es nur eine Reaktion auf Zickerei geben kann: nämlich keine. Stillhalten. Aussitzen. Irrationale Reaktionen lehne ich ab, sie machen mir in extremer Form sogar Angst. Als ich mich von Freundin Nummer eins trennte, fürchtete ich massive, irrationale Reaktionen. Von „vor ’nen Baum fahren“ bis „Seppo ermorden“ hielt ich alles für möglich. Aber sie warf dann doch nur gerahmte Bilder von uns nach mir und mobilisierte ihren gesamten Freundeskreis gegen mich, der mir die übelsten Dinge unterstellte. Ich sei chronischer Fremdgeher gewesen und so weiter. Doch das war nicht der Fall, auch wenn ich es versucht hatte, aber leider bei keiner landen konnte.

Überrascht war übrigens bei der versteckten Preiserhöhung bei den Taschentüchern der Marke „Tempo“ derjenige, der ein zehntes Mal onanieren wollte, um dann festzustellen, dass nur noch neun Tücher in jeder Packung sind.

Meine Mitbewohnerin ist meine ideale Ergänzug. Da, wo ich schwarzsehe, kontert sie mit einer unfassbaren Gelassenheit. Da, wo ich gelassen bin, öffnet sie mir die Augen, damit ich wieder schwarzsehe, wo es angebracht ist. Und so stehe ich in ihrer Schuld. Und ein weiser Mann schrieb im seppolog, dass mann im Zustande des Verliebtseins für eine Frau alles tut. Am Dienstag tue ich etwas, was mir widerstrebt, ich aber gerne für sie mache. Ich besuche mit ihr ein Vonda Shepard-Konzert. Es reichte offenbar nicht, dass ich mit meiner Mitbewohnerin „Ally McBeal“ geguckt habe, nun müssen wir die Sängerin aus jener Serie uns live antun. Dieses Glück hat meine Mitbewohnerin aber nicht mir zu verdanken. Sondern einer Kollegin von mir, der Emily, die in dieser Hinsicht Wunder bewirken kann. Allerdings stelle ich mir die Frage, ob sie mir in wirklich guter Absicht den Konzertbesuch ermöglicht hat, oder ob sie sich nicht ganz zu Unrecht für diverse Taten meinerseits rächen wollte ;)

So oder so, meine Mitbewohnerin profitiert davon und noch mehr, da ich sie begleiten werde. Das sind die Taten des liebenden Mannes.

Wie auch damals, als ich mich als „Fleurop“-Blumen-Lieferant ausgab und meine Mitbewohnerin in der FH mit einem Blumenstrauß überraschte. Sagen wir mal so, ich hatte etwas gutzumachen. Außerdem schlüpfe ich gerne in Rollen und somit hatte ich auch etwas davon. In Der Lokalpresse wurde es allerdings anders aufgenommen:

„Irrer Blumen-Lieferant stürmt Fachhochschule“

Es gab damals Komplikationen, ich kam nicht auf dem direkten Wege in das FH-Gebäude. Aber gut, der Gedanke hinter der Aktion zählte.

Dienstag also Vonda Shepard und vielleicht kann ich während des Konzerts ja bloggen oder schlafen oder die Weltformel finden. Auf jeden Fall und bei aller Ironie gilt mein, unser!, Dank Emily. Auch eine tolle Frau mit einem wahnsinnigen Humor.

Genau wie die zweite für mich nicht unwichtige Frau. Die allerdings hat im Namen der Liebe etwas Trauriges getan: Sie hat vor ziemlich genau zwei Jahren für einen Amerikaner das Land verlassen. Also dieses Land. Ich glaube, sie staunt selber noch über diesen waghalsigen Schritt, den sie aber nicht bereut. Auch das zeigt, was Mensch aus Liebe alles tut. Unfassbar. Das jedoch hat für mich einen großen Vorteil. Sie ist weit weg, aber kann dank sozialer Medien, und klar, ich meine „Facebook“, mir nicht ganz entkommen. Und so stehen wir im Regen. Also … im regen Kontakt, der mir sehr wichtig ist und mir in einer Sache sehr geholfen hat. Wir beide teilen die Eigenschaft, Konflikten weiträumig aus dem Wege zu gehen und Schmach und Ärger runterzuschlucken, bis wir daran verzweifeln. Mir ist das passiert. Damit ich aber nicht alles runterschlucke, teile ich meinen Ärger und auch diverse Sorgen mit ihr und hier und da hat sie mir auch sehr helfen können. Das könnte ich mit einem Mann übrigens nicht. Und nun hat diese Frau auch noch diese wahnsinnig wichtige Eigenschaft der Selbstironie inne, die kleine Katastrophen so erträglich macht. Und wenn es nur das Verlassen der Linie 708 ist, um am Mintropplatz zu kotzen. Oder wenn es nur eine Ratte in der Küche ist, die sich an den Möhren vergeht …

Sie hat sich ein Jahr lang mein Leid angehört (zumindest wurde es bei Facebook als „gesehen“ markiert), da sie anders als meine Mitbewohnerin nicht entkommen konnte. Weil sie schon weg war. Und so schrieb sie mir auch einmal „Schreib‘ alles, ich bin weit weg!“ Vielleicht bereut sie diesen Satz, denn ich nahm ihn sehr ernst, und wer glaubt, ich schreibe im seppolog schon lange Texte, der macht sich keine Vorstellungen von den Textmassen, die das Überseekabel passieren. Wenn Geheimdienste mitgelesen haben, werden sie großen Spaß daran gehabt haben, könnten uns aber nun auch erpressen mit ihrem Wissen.

Meine Mutter einmal außer Acht gelassen, sind das also zwei Frauen, denen ich zu danken habe. Und vielleicht ist es die Weihnachtszeit, die einen melancholisch werden lässt. Während meine Mitbewohnerin Vonda Shepard rauf und runter hört, um am Dienstagabend mitsingen zu können. Da sei Gott vor. Aber zu sehen, wie sie sich freut, macht mich dann letztlich auch glücklich. Abgesehen davon ist Vonda Shepard ausgesprochen nett.


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