2015-12-13 14.51.30

Lara versteht sich darauf, aus allem eine große Sache zu machen. Für Erstleser: Lara ist, also war, meine neue Nachbarin. Sie strahlt, also strahlte, unfassbar viel Sex aus, was mich stets umgehend mit dem Penis denken ließ, was übrigens ein großer Vorteil des Mannes ist: Er kann mit zwei Organen denken, leider nie gleichzeitig.

Alle Lara-Geschichten im seppolog.

Lara war auch immer ein bisschen dumm. Und dumm ficke gut, sagt man, was ich an Lara nicht mehr werde überprüfen können.

Ich vermeide es, im seppolog bis auf wenige Ausnahmen über Freunde und Kollegen zu schreiben, denn einige lesen mit. Lara hat anfangs nicht gewusst, dass ich über sie schreibe. Doch dann fand sie meine Facebook-Seite. Lara hieß natürlich nicht wirklich Lara. Sondern anders. Das war meine einzige Tarnung. Doch die durschaute sie überraschenderweise und erkannte sich in meinen Texten wieder. Nun ist das aber nicht der Grund für Laras Tod. Sie hatte sich, verhalten zwar, über ihre Darstellung gefreut und sagte mir zuletzt:

„Ich mag vielleicht nicht die Hellste sein, und ja, ich ficke vermutlich wirklich gut, wovon Du Dich wahrscheinlich nicht wirst überzeugen können, wie ich Deine Mitbewohnerin einschätze. Aber leider bin ich auch zu dumm, um mich umzubringen.“

„Es gibt da viele Möglichkeiten, ich könnte Dir helfen. Und ich würde es in der Weihnachtszeit tun. Mein Favorit des Selbstmordes wäre …“

Aber das schreibe ich hier nicht, weil ich natürlich keine Tipps geben will und selber noch keine Methode ausprobiert habe. Und wenn, wäre es wohl offenbar nicht erfolgsgekrönt gewesen. Hierzu Hinweis am Ende des Textes beachten!

Lara hatte in einem Punkt Recht: Sie war zu dumm, um sich das Leben zu nehmen. Also half ich nach.

Es war Montagmorgen, als ich aus dem Fenster guckte, um meiner Mitbewohnerin hinterherzuwinken. So kitschig sind wir. Meine Mitbewohnerin deutete nach oben auf ein Fenster über uns. Ich kam gar nicht mehr dazu hochzublicken, da flog Lara schon an mir vorbei und prallte auf den Bürgersteig.

„Ach verdammt!“, rief sie unten angekommen.

Sie lebte noch, stand auf und fragte:

„Kannst Du den Türöffner betätigen? Ich hab‘ keinen Schlüssel mitgenommen.“

Warum auch, ihr Plan sah ja schließlich vor, den Bürgersteig nicht mehr aus eigener Kraft zu verlassen. Also öffnete ich ihr die Tür und ließ sie rein.

Nachdem uns am Dienstag eine Waffenlieferung erreicht hatte und ich Lara die Pistole gab, hörte ich am Mittwoch einen Schuss, dann lautes Fluchen im Treppenhaus.

„Ich habe nicht getroffen!“, rief sie und schoss weitere Male.

Mir wurde es zu laut, ich konnte nicht in Ruhe meinen Gedanken zur Liebe nachgehen, ging zu ihr hoch und sagte:

„Dann lass mich Dich jetzt erschießen, dann haben wir es hinter uns. Du nervst.“

Ich setzte ihr die Knarre an den … leer. Sie hatte ihr Pulver verschossen.

„Na, toll. Aus welcher Entfernung hast Du denn gezielt?! Wie kann man denn nicht treffen? Hast Du auf Dein Spiegelbild geschossen?!“

„Nein. … Hätte ich müssen?!“

Donnerstag. Lara ruft mir auf dem Asphalt liegend zu: „Fahr‘ los!“ Ich trete also aufs Gaspedal, es rumpelt kurz und ich sehe Lara im Innenspiegel hinter meinem Auto.

Und ich höre sie fluchen.

„Es hat doch gerumpelt! Wie kannst Du noch leben?!“

„Du hast mir die Absätze abgefahren!“

Freitag. Lara fragt meine Mitbewohnerin, ob ich die Erlaubnis bekäme, mit ihr zu schlafen, da sie gehört habe, dass ich, einmal in Stimmung, Frauen bis in die Besinnungslosigkeit nagele. Ob ich noch ’ne Schippe drauflegen könne. Meine Mitbewohnerin überlegt kurz und wiegelt dann ab, sie sei exklusiv berechtigt, mit mir zu schlafen. Und ich füge hinzu, dass das mit der Besinnungslosigkeit durchaus stimme.

Lara war mit uns Raclette-Essen. Da offenbarte sie mir, dass sie davon wisse, dass ich teilweise wenig schmeichelhaft hier über sie schreibe und unzureichend verfremde. Stimmungsmäßig war der Abend ein Debakel. Sie war sauer. Ich hatte vollstes Verständnis und bat ihr an, sie sterben zu lassen. Das sei ja wohl Verfremdung genug.

Doch das Schicksal kam mir zuvor. Und das ist tragisch. Der Tod ist immer ein bisschen mein Thema, der ein oder andere wird es schon gemerkt haben. Weil der Tod leider jederzeit kommen kann. Plötzlich oder qualvoll oder beides. Er ist immer da. Wir haben keine Chance. Es kann mich gleich erwischen, wenn ich den Weihnachtsbaum nach Hause trage. Weil ich vor lauter Baum den LKW nicht sehe. Ich könnte aber gleich schon beim Duschen ungünstig ausgleiten. Das Aufschlagen meines Kopfes würde das letzte sein, was man von mir hört.

Lara erwischte es ebenfalls sehr plötzlich, als sie sich die Haare fönte, was sie offenbar schon immer in der Badewanne getan hat. Das ist doppelt dumm und sie sagte immer: „Mir ist schon klar, dass man das Radio nicht direkt auf dem Wannenrand stehen haben sollte.“ Bis zu dem Fön hat sie das nicht abstrahieren können. Nun ist es leider so, dass man nicht immer sofort tot ist, wenn einen der Stromschlag in der Badewanne trifft. Das ist ein Mythos. Man kann es überleben. So auch Lara, die wütend der Wanne entstieg und dann natürlich über das Fön-Kabel stolperte und unglücklich mit ihrem leeren Kopf auf den Stiel der Klobürste krachte. Der bohrte sich dann – es klingt lustig, ist es aber nicht – durch ihren Kopf, der wenig Widerstand leistete. Lara starb somit sehr schnell und mit viel Tamtam, was ihr ähnlich sieht.

Das Makabere ist, dass ich mich nun frage, wie ich sie hätte sterben lassen. Ich hätte sie bei einem Fallschirmsprung umkommen lassen. Weil sie am falschen Seil gezogen hätte, oder so. Keine Ahnung, es ist jetzt auch müßig, darüber nachzudenken.

Ich habe noch keine Weihnachtsgeschenke. Bis auf eines. Das, was ich Lara schenken wollte. Umsonst gekauft; tragische Ironie.

Die Beisetzung wird am Dienstag sein. Danach gehe ich zu einem Vonda Shepard-Konzert. Ich weiß nicht, was schlimmer ist.


Wer ernsthaft mit dem Gedanken des Suizids spielt, dem entgehen nicht nur weitere seppolog-Geschichten, sondern auch mögliche Chancen auf ein unverhofft besseres Leben. Beratung gibt es bei der Telefonseelsorge: 0800 111 0 111. Außerdem hilft die Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention. Einen Versuch ist es wert, bevor man den letzten, ultimativen Schritt geht und damit auch andere Menschen ins Unglück stürzt.


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