Dieser Artikel wird noch verständlicher nach Lektüre von „Das Konzert“ und „Und jetzt aus IHRER Sicht: Das Konzert“. Beide Artikel beschreiben ein Konzert, das ich besuchen musste durfte aus verschiedenen Blickwinkeln. Wir schließen die Trilogie mit dem selbstverständlich fiktiven Blickwinkel von Vonda Shepard, die dieses Konzert am Dienstagabend in Düsseldorf gab.

III

Ich war in der vergangenen Woche zu Gast in der TV-Show „NRW live“, bei Europas größtem Regionalsender aller Welten, sogar denen, die es noch zu entdecken gilt. Dort gab ich ein, zwei meiner Songs zum Besten, während hinter mir ein zur Salzsäule erstarter Moderator mit Vollbart saß, dem ein gewisses Taktgefühl offenbar völlig abgeht.

Vonda Shepard mit meiner Top1-Kollegin Emily Whigham!

Habe überlegt, ihm zu erzählen, dass in meiner Heimat, den USA, bereits der Anti-Bart-Trend eingesetzt hat, habe aber den Eindruck, dieser Mann, der wohl „Beppo“ heißt, will unter keinen Umständen mit mir reden. Das soll er bitter bereuen, ich lade ihn und eine weitere Person seiner Wahl zu einem Konzert am Dienstag ins Düsseldorfer „Savoy-Theater“ ein. Da kann er aus Höflichkeit kaum „nein“ sagen und ich erkenne in seinen Augen, wie er innerlich kollabiert, als er dankend zusagt.

Bis zum Konzert hatte ich diesen Niemand natürlich schon wieder vergessen, da ich ansonsten auf meiner Gästeliste nur wirklich wichtige Menschen zusammengetragen habe. So fragte mich kurz vor Einlass meine Managerin, wer denn dieser „Floto“ auf der Gästeliste sei. Aus Sicherheitsgründen ließ ich diese Person von den Scharfschützen dauerhaft ins Visier nehmen. Später im Theater-Saal sehe ich in der Gäste-Reihe dann jenen „Floto“ und erkenne ihn wieder. Es ist „Beppo“ von „CenterTV.NRW“, einem Sender, der aus einem Container sendet. Er sieht sehr runtergekommen aus (Beppo, nicht der Container) und blickt ständig auf die Uhr. Ich nehme mir vor, ihm einen langen Abend zu bereiten.

Zunächst bitte ich meinen „Supporting Act“ Ryan McMullan, noch langsamer als ohnehin schon zu singen. Und er solle auf keinen Fall seinen Standard-Witz über Arbeitslose machen. Er antwortet mir irgend etwas, was ich wegen seines seltsamen Dialektes nicht verstehe. Überhaupt ist es ein riesen Missverständnis, dass er mich auf meiner Tour begleitet. Als er mich fragte, hatte ich etwas völlig anderes verstanden und einfach „yes“ gesagt, was er wiederum als Zusage interpretiert hatte. Also nehme ich ihn einfach mit und bezahle ihn mit „Beck’s“. Einzige Bedingung: Er muss mir mit dem Zug hinterher reisen.

Ryan bringt allen Ernstes nun doch den Arbeitslosen-Witz und das ausgerechnet heute, wo ich einen Erwerbslosen-Verein geladen hatte. Nach seinem Auftritt packt er schnell seine Klamotten zusammen, da er noch den Zug erreichen muss. Als wir uns hinter der Bühne noch kurz treffen, warnt er mich vor einem Typen in Pullunder in Reihe drei, der sich wie ein nervöser Terrorist gebare. Wir sind alle nervös in diesen Zeiten.

Ich singe meine neuen Hits, dann die guten von früher. Immer mehr begeisterte Menschen erheben sich von ihren Sitzen, lediglich Beppo im Pullunder verharrt im Sitz. Und eines macht mich stutzig: Er klatscht gegen den Takt. Und ich weiß, dass auf diese Weise Terroristen miteinander kommunizieren. Ich blicke hoch zu den Scharfschützen, die hinter dem Ton-Mischpult sitzen (und mich gleichzeitig auch mischen) und gebe den Pullunder-Guy zum Abschuss frei. Ausgerechnet im Moment des Schusses steht Beppo auf, wobei sein Klappsessel an seinen unfassbar sexy Hintern kracht. Er schreit auf und scheint dabei etwas am Boden umzustoßen, bückt sich, und kracht mit seiner unfassbar hübschen Sitznachbarin zusammen, die ihn offenbar dafür tadelt. Irgendeine Flüssigkeit laufe in ihren Schuh, höre ich sie sagen, weil ich ja so gut Deutsch verstehe. Schuhbombe! denke ich. Ich gebe meinem Sicherheitspersonal das vereinbarte Zeichen für „Gefahr!“: Ich reiße mein Bein hoch, bis mein Knie mein Gesicht berührt. Um Panik zu vermeiden, bittet man mich, mehrere Zugaben zu geben.

Hinter der Bühne gibt es Ärger. Das Theater-Personal ließ meinen Vor-Act nicht das Theater verlassen, weil dieser wohl in fremden Zungen gesprochen habe. Niemand versteht hier dessen Dialekt. Ryan verpasst seinen Zug und droht nun damit, nochmals aufzutreten. Da diese Drohung aber niemand versteht und vereiteln kann, stürzt er zu mir auf die Bühne und stimmt in meine „Ally McBeal“-Klassiker ein.

Artig bedanke ich mich für den Applaus, überlege kurz, in welchem Land ich gerade bin und entscheide mich für Deutsch: „Dankescheyn!“ Aus dem Publikum höre ich ein

„Dankeschön!“

Diese Deutschen. Wissen alles besser. War offenbar Pullunder-Beppo. Vielleicht doch nur ein harmloser Irrer, der sich gerade vorstellt, wie es wohl ist, mit mir zu schlafen. Das wird der Spinner nie erfahren, ich habe so etwas wie Selbstachtung. Außerdem: Pullunder! Geht gar nicht. Aber jetzt erst Recht, denke ich und trällere ein Lied auf Deutsch.

Mein Management hat mir gesagt, ich soll irgend etwas mit „Bratwurst“ sagen, wenn ich in Deutschland auftrete. Also frage ich, ob man hier Bratwurst mit Erdnussbutter essen würde. Das Publikum gröhlt, nur Pullunder-Guy guckt auf die Uhr und gähnt.

„Germany is incredible!“, rufe ich, da es auf einem Zettel steht, den man mir zugesteckt hat. Das Publikum kann es kaum fassen, dass Germany incredible ist und gröhlt wieder. Pullunder-Guy ruft:

„In how far incredible?! Incredible gut or incredible kacke? Please do not leave that open!“

Was will er?! Ich rufe einfach nochmal

„Bratwurst!“

Die Menge bejubelt mich.

„Bratwurst, wie geyt’s?“

Die Menge jubelt noch lauter. Doch ich bin durch. Es war anstrengend. Pullunder-Guy Beppo hat gewonnen. Er hat durchgehalten. Wie hat er das geschafft?! Viele andere Männer haben bereits den Saal verlassen. Doch er sitzt noch da. Es kann nur die Kraft der Liebe zu seiner Begleitung sein, anders ist es nicht zu erklären, dass er meinen Gesang so lange erträgt!


Das ist natürlich alles wahnsinnig fiktiv und richtig ist, dass meine Mitbewohnerin es meiner unvergleichlichen Kollegin Emily zu verdanken hat, dass wir dieses Konzert besuchen durften und nicht ansatzweise mir. Und mitnichten ist es so, dass man Vonda Shepards Gesang „ertragen“ muss. Es war toll. Zweifellos. Nicht unbedingt meine Musik, aber ansonsten ein toller Abend. Und soviel ich weiß, waren auch keine Scharfschützen zugegen. Achja, Witze über Terror in Zeiten des Terrors? Darf man das? Ja. Denn das Lachen vergeht uns noch früh genug.


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