2015-12-21-13.01.11.jpg.jpeg

Mit Erschrecken stellte ich gestern fest, dass ich im vergangenen Jahr lediglich 45 Euro für den Weihnachtsbaum bezahlt hatte, der zudem noch viel schöner war als das Monstrum, das wir uns gestern ins Wohnzimmer gestellt hatten, für das wir aber 60 Euro hinblätterten, weil ich beim Kauf von Bäumen grundsätzlich ohne Verstand handele. Ich handele relativ oft mit Verstand, allerdings schon, bevor mein Verstand zu einem endgültigen Standpunkt gekommen ist. Vielleicht lag ich deswegen in der vergangenen Nacht bis halbsechs wach, was insofern unsympathisch ist, als dass um sechs Uhr der Wecker klingelte. Schlaflos im Bett zu liegen ist vergleichbar mit dem Sitzen im Auto in einem Stau, also völlig aberwitzig. Da ich aber meine tief schlafende Mitbewohnerin nicht wecken wollte, blieb ich einigermaßen reglos neben ihr liegen und arbeitete mich an meinen Einschlaf-Ritualen ab.

Das erste ist das klassische Zählen. Nun zähle ich aber keine Schäfchen, sondern Zahlen beginnend bei eins. Ich habe es bis 3.000 geschafft. Allerdings sollte man schon bei 2.000 auf den Trichter kommen, dass das Verfahren offenbar ungeeignet ist. Jedoch dachte ich gestern Nacht, wenn ich schon bei 2.000 bin, könnte ich die 3.000 auch vollmachen. Ich liebäugelte bereits mit der 5.000, was mir dann aber zu anstrengend schien und schon gar nicht zielführend.

Bei 2.856 musste ich zudem feststellen, dass ich Hunger hatte. Ich muss derzeit Platz für den Weihnachtsspeck schaffen, also erst abnehmen, um ab Donnerstag wieder zunehmen zu können. Ich reguliere mein Gewicht stets über die Kalorienzufuhr, über Kohlenhydrate und Proteine mache ich mir keine Gedanken, gesund muss es auch nicht sein. Mich interessiert nur die Zahl morgens und abends auf der Waage. Und die kann ich sehr gut steuern. Aber so erklärte sich der Hunger, der bei Zahl Nummer 3.000 unermesslich wurde, ich also aufstand und dabei über meine Tasche vor dem Bett stolperte und mich krachend an einer Kommode auffing. Blick zur Mitbewohnerin: Sie schien es überhört zu haben. Beneidenswert tiefer Schlaf.

Las mal darüber, warum Männer eher einen leichten Schlaf haben: weil sie auch nachts auf ihre Herde aufpassen, also schnell wach sein müssen. Meine Herde ist überschaubar und überdies diverser Kampfsportarten mächtig, also müsste sie es sein, die im Verteidigungsfall die Initiative ergreift. Nicht ich. Ich würde vermutlich nur laut schreien, wenn jemand ungefragt die Wohnung betritt. (Übrigens sind das so Dinge, die ich nur um des Schmunzelns wegen schreibe, die mich immer wieder in ein ungünstiges Licht rücken und ein leicht verfälschtes Bild von mir abgeben. Denn in Wahrheit würde ich für meine Mitbewohnerin morden.)

Mit Blessuren in der Küche angekommen stelle ich fest, dass wir außer „Knack & Back“-Aufbackbrötchen nichts im Haus haben. Das Aufbacken war für mich aber nun keine Option, zumal es sich um „Sonntagsbrötchen“ handelte und der Montag bereits einige wenige Stunden alt war. Davon mal abgesehen gehören die „Knack & Back“-Brötchen zu jenen Produkten, deren Verpackung ich nie unfallfrei aufbekomme. In der Anleitung steht: „Dose öffnen und drehen“. Ja, aber wie öffnen?! Wenn nicht gerade tiefe Nacht herrscht, schlage ich das Teil immer auf die Kante der Arbeitsplatte, sodass es aufplatzt. Das konnte ich zu später Stunde unmöglich tun. Also dachte ich über Milch nach. Im Fernsehen trinken die Menschen nachts immer Milch, wenn sie nicht schlafen können. Mein Magen allerdings reagiert auf Milch manchmal recht ungünstig, was ich zu dieser Stunde keinesfalls riskieren wollte. Mir blieb noch ein Schokoladen-Nikolaus. Der aber gehört meiner Mitbewohnerin und ich hatte bereits zwei von ihr gegessen, die ich ihr selber geschenkt hatte. Sie lässt sich mit dem Verzehr zuviel Zeit, sodass ich irgendwann nicht mehr widerstehen kann. Diesen letzten aber wollte ich ihr lassen und aß nur den Kopf. Was nicht genügte. Also bediente ich mich bei den Weihnachtskeksen. An dieser einen Sorte, die ich im Grunde nicht mag. Was sie gar nicht weiß. Nun weiß sie es. Die mit den Nüssen. Aber gut, wenn nichts anderes da ist. Wobei: Da war noch die Salami. Ich schob mir eine Packung Salami-Aufschnitt rein und nahm mir vor, die dazu passenden „Knack & Back“-Brötchen möglicherweise heute nachzuliefern. Aber so ganz ohne Aufschnitt?! Nun könnte ich ja heute einkaufen, aber ich bin so unfassbar gerädert, dass dieses Vorhaben wohl kaum umgesetzt werden kann.

Ich betrachtete den Backofen. Weil wir Hähnchen am Vorabend hatten, war dieser sehr dreckig. Ich habe auch nachts ein Problem mit dreckigen Backöfen und überlegte kurz, mich dessen anzunehmen, verwarf es aber, da mir „Sidol Küchenkraft“ fehlt. Noch ein Grund, heute einzukaufen.

Des Weihnachtsbaumkaufes zweites Video:

 

Kekse mit Salami mussten also reichen; ich betrat wieder das Bett, dieses Mal sehr leise.

Nach einer weiteren Stunde beschließe ich, meinen „iPod“ zu suchen, um mich mit Hörbüchern in den Schlaf lesen zu lassen. Entsteige dem Bett, stolpere über die Tasche, fange mich krachend an der Kommode auf, deren einziger Daseinsgrund die Tatsache ist, dass ich mich immer an ihr auffangen kann und gehe ins Wohnzimmer. Und da hätte ich mal besser das Licht eingeschaltet, denn ich habe den monströsen Weihnachtsbaum vergessen, in den ich mit langsamen Tempo reinlaufe. Riesen Schreck, so wach war ich in dieser Nacht noch nicht. Dieser Baum macht mir Angst. Er ist alles andere als besinnlich. Er scheint zu sagen: „Ich gehöre in einen tiefen, dunklen Wald“. Nun ist er aber schon geschmückt und überdies frei von Wurzeln. Er wird bei uns sterben.

Ich finde den „iPod“ und stelle unvergnügt fest, dass ich nur „Alf“ als Hörspiel darauf habe, was aber okay ist, da ich ständig mit der Familie Tanner einschlafe. Ich höre passenderweise also die Weihnachtsfolge. Nun ist aber ausgerechnet die eher traurig. Da ist eine Frau gestorben und dann ist da noch das todkranke Kind. Das stimmt mich nachdenklich und außerdem verheddere ich mich beim im Bett Wälzen permanent in dem Ohrstöpsel-Kabel. Und zu allem Überfluss schwitze ich auch noch wie ein Schwein. Die Bettdecke ist auf Winter ausgelegt, doch die Nacht ist offenbar tropisch. Und so quietsche ich beim Wälzen im Bett.

Unter quietschender Begleitung, und schon lange ins historische Präsenz gerutscht, gerate ich in einen Halbschlaf. Und vielleicht kennt Ihr das, wenn sich Realität und Traum vermischen und man im diffusen Nichts hängt. Ich sehe Szenen eines Computerspiels vor meinem Auge, was mich irgendwie nicht in den Tiefschlaf rutschen lässt. Überlege dann, das zu tun, was viele Männer als Einschlafhilfe machen, sehe dann aber davon ab, allein, mir fehlt die Kraft.

Um halb sechs gehe ich aufs Klo und verarzte meinen kleinen Zeh mit einem Pflaster, nachdem ich vor die Kommode gekracht bin und beschließe, das Abenteuer Nacht zu beenden.


Die exklusiven Videos zum Weihnachtsbaum: auf meiner Facebook-Seite!

Seppo_logo_Nikolaus Schnee