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Wann merkt man, dass man alt ist? Zumindest älter als Jüngere? Wann realisiert man, dass man eben doch nicht 20 geblieben ist, auch wenn man immer selbst von sich glaubt, sich das Jugendhafte bewahrt zu haben?

Ich selber bin absolut davon überzeugt, dass mein geistiges Alter dem körperlichen weit hinterher hechtet. Und das muss stimmen, denn kein vernünftiger Mensch würde das so offenherzig zugeben.

Doch auf der Rückfahrt aus Niedersachsen, Hameln ganz genau, wo wir Silvester verbracht hatten, wurde ich im Zug mit dem konfrontiert, was man als „junge Menschen“ bezeichnet. Ein Typ und ein Mädel, kein Pärchen, haben uns auf unserer Rückreise unfreiwillig zwar, aber sehr gut unterhalten.

Ich rege mich ja hier und da über den Gebrauch von Anglizismen auf, ganz einfach, weil es albern ist. Ich bin damit sehr alleine, ich weiß das und bringe mich eventuell deshalb um. Aber noch nicht heute. Denn meine Mitbewohnerin, die im Zug neben mir saß, hat das Gespräch der jungen Nachwuchsmenschen in Teilen protokolliert. Denn sie weiß inzwischen, was ich verwerte und was nicht. Und das verwerte ich mit Sicherheit. Jetzt.

Der Junge, der gerade frisch studiert, wenn ich das richtig seinem Gespräch entnommen habe, hatte irgendwann die „Beats auf voller Lautstärke“, was seiner „Sis und der Ma der Sis“ nicht gefallen hatte. Und das regte ihn „fucking auf“, was nur verständlich ist. Obwohl es genau das nicht ist. So reden sie heute offenbar. Er sah gar nicht danach aus. Was zeigt, dass ich das gar nicht einschätzen kann.

Seine Sis habe aber letztlich für ihn Partei ergriffen, was er richtig „cute“ von ihr fand, womit er natürlich absolut Recht hat, ist ja wirklich ein netter train seiner „Sis“. Zumal nebenbei im Fernsehen etwas lief, was wohl „deep shit“ war.

Nicht verstanden habe ich die Passage, in der er erzählte, dass er seine „energy-dosen nur an gepflegte menschen auf konz“ gebe. Meint er wirkliche Dosen? „Red Bull“? Oder die Dosis seiner Energie?! Und was ist „konz“?! Hier wird deutlich, dass es durchaus Sinn ergibt, wenn sich eine Gesellschaft auf eine Art gemeinsame Sprache einigt. Vielleicht hat er Welt bewegendes von sich gegeben, das aber auf immer unverstanden bleibt! Und dann sagt er dem übrigens aus Russland stammenden Mädel: „Bei dir is eher so waking up“. Kapier‘ ich auch nicht. Dass sie nicht schläft, ist offensichtlich, klar ist sie wach! Zumal er ihr ja tolle Geschichten erzählt. Und sie werden noch intimer. Er hat Ärger mit seinen „parents“ und überhaupt neige er dazu, Menschen gegenüber zu heucheln. Aha. Nun wird es interessant, denn das Mädel hakt nach.

„Heuchelst du auch mir gegenüber?“

Ich blicke zu den beiden herüber, verliere jede schamhafte Diskretion. Denn das würde mich nun auch durchaus interessieren. Und er, völlig ehrlich: „Ja.“

Das gibt dem Gespräch eine Wende. Vorher hatte ich den Eindruck, zwischen den beiden entwickelt sich etwas, das auch in seinem Interesse war. Das war offensichtlich, wie er sich an sie ranschmiss. Aber hier hätte er lügen müssen. Idiot! Zuviel der Ehrlichkeit. Sie verliert jedes Interesse an ihm, das Gespräch erlahmt. Welche Frau wird schon gerne belogen? Bumms. Jetzt bräuchte er ne „energy-dose“, hat aber offenbar keine.

Wenn Männer, junge Männer, sich an Frauen ranmachen, um sie werben, verhalten sie sich meist idiotisch. Ich kenne das von mir. Ich bin ein Musterbeispiel der Idiotie in diesem Zusammenhang. Mitunter verliert man auch ein wenig an Würde. Immer dann, wenn man sich zugunsten der Frau verbiegt und es mit der Aufmerksamkeit für diese maßlos übertreibt, was gerade von außen betrachtet ausgesprochen trottelig wirkt. Wenn mann dann noch anfängt, der Frau übermäßig viele Geschenke zu machen, wird’s peinlich. Und das beste: Mann weiß es in dem Moment, es ist einem aber egal. Denn mann hat ja ein Ziel. Vermutlich ist dieses Werben um das andere oder manchmal auch gleiche Geschlecht in uns Männern drin. Die ganze Tierwelt ist ja auch ein Werben, warum sollte es beim Menschen anders sein?! Vielleicht ist aber auch diese manchmal tölpelhafte Aufmerksamkeit das, was Frauen dann „süß“ nennen. Wir Männer tun dann so, als würden die das Attribut „süß“ ablehnen. Aber da wir natürlich wissen, dass „süß“ bei Frauen positiv in ihrer Konnotation besetzt ist, freuen wir uns insgeheim darüber. Und gewichten es dann noch viel stärker, als es gemeint war.

So gesehen hat sich der junge Mann im Zug gar nicht so übel verhalten; er hat ihr nicht nach dem Mund geredet, seine Würde behalten, das Mädel aber verloren. Sie haben eh nicht zueinander gepasst, soviel kann ich mit meiner Altersweisheit im Rücken beurteilen.

Merken Frauen es eigentlich, wenn Männer plötzlich auffallend aufmerksam sind? Deuten sie es richtig? Genießen sie es gar? Nutzen sie es aus? Vermutlich gibt es solche und solche, auch ich habe beides erlebt. Und schätze die Frauen, die es freilich nicht ausnutzen.


Von einem Besuch meiner Facebook-Vertretung rate ich weitestgehend ab!

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