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(Mehrere Kollegen von mir werden nun enttäuscht sein, denn ich schreibe natürlich nicht über die sie betreffende Redaktion, sondern über einen ganz normalen Tag in der Redaktion des erfolgsverwöhnten seppologs. seppolog, das ist dieser Blog. Dieser!)

Immer wieder werde ich gefragt, wie ich an die Themen gelange, über die ich so episch schreibe, wie es mir gelinge, dass ich sie klickoptimiert und massenkompatibel aufbereite, dass es von Neidern nur so wimmelt, dass das seppolog inzwischen – natürlich! – kopiert wird, wie sonst nur die „Landlust“ aus Hiltrup. Dieser Artikel soll Fragen beantworten und einen typischen Tag in der seppolog-Redaktion dokumentieren. Und gib ihm!

06.30 Uhr – Der Tag beginnt

Chef-Autor Seppo flüchtet senil aus dem Bett, er braucht erste Ideen für den Artikel des Tages, für den es zwei mögliche Veröffentlichungszeitpunkte gibt: morgens oder nachmittags, so will es die Marketing-Abteilung des seppologs, nur so bekommt ein Artikel schnell viele Klicks. Seppo will die Massen erreichen und verbiegt sich dazu soviel wie möglich. Mitarbeiter haben ganze Leitfäden entwickelt, die einem aufzeigen, wie man sich prostituiert, damit die Reichweite steigt. Seppo verachtet diese Menschen, die auf der einen Seite einen auf kreativ machen, auf der anderen es aber der Masse recht machen wollen. Weil sie eines nicht verstanden haben: Masse kann nie das Ziel sein. Masse ist flach und verhindert intelligenten Humor, der Nachdenken einfordert. Die Masse denkt nicht.

Seppo betritt die Redaktionskonferenz und schreit erste Mitarbeiter an: „Wer bist du?! Ich kenne dich nicht! Geh‘!“ So macht er sich warm. „Welche Themenvorschläge habt ihr für mich?“

Getuschel unter den Mitarbeitern, kaum einer wagt sich als erster aus dere Deckung.

„Kommt schon, welche Themen bewegen jeden?!“

Ein erster traut sich: „Vielleicht was mit Nazis vom Mond?“

„Nicht schlecht. Das ist lebensnah, das ist logisch, nicht zu verworren, das kapiert jeder und bringt ‚likes‘!“, Seppo in heller Erregung. Solche Geschichten fordern seine Kreativität.

Ein Mutiger meldet sich zu Wort: „Fiktive Geschichten bringen weniger Klicks, Seppo. Ich würde eher ein Thema vorschlagen, das was mit Frauen und Männern zu tun hat. Und mit Sex irgendwie. Beziehungskram.“

Seppo erbost: „Mit anderen Worten, ich soll zum zehnten Mal über meinen feuchten Traum Lara schreiben?!“

„Ja, das geht immer.“

07.30 Uhr – Unterbrechung

Seppo unterbricht die Redaktionskonferenz. Kreative Krise. Klar, der populäre Beziehungskram bringt Leser, die Verweildauer auf den Seiten des seppologs explodiert nahezu. Beziehungen – aus Sicht eines Mannes beschrieben: gibt es viel zu selten, hier haben die Frauen noch zumindest ein Oligopol. Es wird Zeit, die Männer nicht mehr länger der Lächerlichkeit preiszugeben. Seppo überlegt, die Erlebnisse einer Zugfahrt niederzuschreiben. Er rotzt einen Artikel hin – der ein bombastischer Erfolg wird. Was seine Krise nur verschärft. Artikel, über die er kaum nachdenkt, sind grundsätzlich erfolgreicher als solche, an denen er lange arbeitet. Das ist kein Witz, das ist wirklich so.

08.15 Uhr – Verweint

Seppo betritt mit verweinten Augen den Redaktionsraum, die Konferenz kann fortgesetzt werden. Ein Marketingmitarbeiter ist dazugestoßen, er mahnt mit Blick auf die Uhr, dass es schon zu spät sei, um mit einem frischen Beitrag die Berufspendler zu erreichen, die das seppolog gerne in Bus und Bahn lesen.

„Die sind schon unterwegs, Seppo, die hast du verpasst.“

„Ich geb‘ dir gleich verpasst, Freundchen.“

Ein untersetzter Mitarbeiter schlägt ein neues Thema vor: „Schreib‘ doch wieder, dass du Gott getroffen hast.“

„HAB‘ ICH ABER NICHT!“, Seppo abermals empört.

„Wie?! Hast du ihn jemals getroffen?!“

Schweigen. Zweifel an Seppos Verstand. Seine Treffen mit Gott – doch reine Fiktion, oder glaubt er etwa wirklich …

09.15 – Dokumentationsabteilung

Wenn Seppo kein Thema hat, hilft ihm seine Dokumentationsabteilung, deren Mitarbeiter ihn ständig auf seinem Lebensweg im Alltag begleiten und notieren, was Seppo widerfährt. Denn eine Erfahrung hat Seppo früh gemacht: So ziemlich alles lässt sich irgendwie verwurschten. Man muss es nur realisieren, bewusst wahrnehmen. Den Alltag. Manchmal vergisst er das und da helfen die Notizen.

Ein Beispiel. Nach Silvester erwachte Seppo volltrunken und dachte daran, dass Frauen manchmal feucht sind. „Feucht wie ein Schwamm“, sagt Seppo laut auflachend zu seiner Mitbewohnerin, „klatschnass!“, die das gar nicht soo witzig findet. Seppo überlegt: „Da kann man doch was zu bloggen?“ Einen Tag später aber merkt er, dass das tatsächlich nicht lustig ist, offenbar hatte ihn der Alkohol getrogen. „Nass wie ein Schwamm. Das ist sogar frauenverachtend. Oder schwammverachtend. Außerdem können Schwämme auch trocken sein. Wie eben auch Frauen. So oder so, kein Thema zum Bloggen.“

Die Dokumentationsabteilung schlägt ein Ereignis aus dem Dezember vor. Die Überschrift hat sie auch schon parat: „Die Säfte der Frau“.

„Was für Säfte?!“, fragt Seppo.

„Naja, das ist eben die Doppeldeutigkeit. Es geht um das ‚Hohe C‘, das du deiner Mitbewohnerin immer stiehlst. Das könnte ein neuer Artikel der Reihe ‚Beziehungsfragen‘ werden.“

Seppo verwirft das. Für’s erste. Klar, Beziehung geht immer, aber – und das verkündet er immer wieder in der Redaktionskonferenz um

10.00 Uhr

„Kreativität! Wandel! Neues ausprobieren! Nicht immer dieselbe Leier. Da stumpft der Leser ab!“

Seppo hält seine erste Predigt des Tages. Über die Relevanz von Klicks. Von „likes“.

„Keine Klicks gleich schlecht. Keine ‚likes‘ gleich schlecht. Aber: Wir müssen immer Neues probieren! Klar verschrecken die Mondnazis Leser. Der gewitzte Leser aber bleibt. Weil er offen für Neues ist. Die Mischung macht es aus. Aus Fiktion und Wirklichkeit.“

Später widerspricht er sich. Wie immer in seinen Predigten.

„Was interessieren mich Klicks?! Klicks sind wie TV-Quoten, verlieren an Relevanz. Sie sind der falsche Maßstab. Es ist unmöglich, verschiedene Leserschichten gleichzeitig zu erreichen. Was der Omse gefällt, kann dem Jüngling nur missfallen.“

10.30 Uhr – Regierungserklärung

Seppo ist eingegroovt. Weil seine Predigt so gut ankommt, bauscht er sie zur Regierungserklärung auf. Und gibt die Marschrichtung für 2016 vor.

„Alles ausprobieren. Der Kreativität keine Grenzen setzen. Nazis auf dem Mond, die den Mars unterwerfen? Warum nicht. Wenn der nächste Artikel wieder die Massen anspricht, haben auch Nischen-Beiträge ihre Berechtigung.“

Zumal sie ihm viel mehr Spaß machen. Wenn es skurril wird, bizarr und völlig unlogisch wird. Das kratzt ihn auf, das bringt ihn durch den Tag. Während das Marketing weint und auf die Abrufzahlen verweist.

„Transparenz, liebe Freunde! Transparenz ist wichtig. Und daher habe ich mich entschieden, morgen einen Artikel über den Redaktionsalltag des seppologs zu schreiben!“

Große Erleichterung, ein Thema ist gefunden, Seppo wird wieder umgänglicher, einige wenige beschreiben ihn sogar als „freundlich“, andere bemerken gar nicht seine Anwesenheit. Solche sind ihm am liebsten.

„So, zum Abschluss der Redaktionskonferenz muss noch jemand gefunden werden, der heute mit mir schläft.“

Das geht in der Regel schnell, der Andrang ist groß und Seppo befriedigt.

11.00 Uhr – Das Schreiben beginnt

Ist ein Thema gefunden, wird ein Artikel angestrebt, der gerne mehr als 1.000 Wörter umfasst, mindestens aber 750, was aber selten vorkommt. Der reine Schreibvorgang dauert maximal 20 Minuten, alles ist im Fluß, hier also im Fluß des Schreibens. Merkt Seppo, dass es ein guter Artikel wird, beginnt er, aufgekratzt zu schwitzen, da er die Veröffentlichung nicht abwarten kann. In diesem Fall steht die Veröffentlichung noch vor dem Korrekturlesen und vor dem Verstichworten.

11.20 Uhr – Text fertig

Hochgradige Erregung. Seppo braucht ein Beitragsfoto. Er geht in das Foto-Archiv und schreit die Mitarbeiter dort an.

„Ich brauche was zu ‚Redaktionsalltag‘!“

Zum Glück, die Mitarbeiter haben noch ein altes Facebook-Titelbild, das es hier auch tut. Das Foto spielt grundsätzlich kaum eine Rolle. Nur als es einmal einen Dildo zeigte, war es klickrelevant. Ansonsten ist es eher lästige Pflicht für jemanden, der gerne schreibt.

Foto muss hochgeladen werden. Das geht im Grunde schnell, doch „merkt“ WordPress teilweise unterträglich langsam, dass ein neues Foto in der Mediathek gelandet ist. Seppo rastet abermals aus, verflucht die Funktion „Beitragsbild festlegen“, er will so schnell wie möglich veröffentlichen.

11.30 Uhr – Bild ist da

„Publizieren“. So heißt die entscheidende Schaltfläche. Die will er nun klicken. Doch ein Marketing-Mitarbeiter stürmt herein:

„Noch nicht!“

„Wie, noch nicht?!“

„Der Artikel von gestern Abend muss sich erst noch setzen!“

Ja, das ist auch so eine Sache. Zwischen Artikeln sollten jeweils ein bis zwei Tage vergehen, auf jeden Fall mehr als acht Stunden. Jeder neue Artikel geht ansonsten zu Lasten des vorigen.

„Am Arsch! Das interessiert mich einen Fotzendreck. Der neue ist gut, er wird publiziert!“

Seppo veröffentlicht. Er hat keine Geduld, auch wenn er es besser weiß. Kompromiss: Der vorangegangene Artikel wird mit einem großen Foto geteast, sodass er mehr Aufmerksamkeit bekommt, auch wenn der neue schon online ist.

11.40 Uhr – Bangen

Die ersten entscheidenden Minuten nach dem Publizieren eines Artikels. Nach 200 Beiträgen hat Seppo eines gelernt: Wenn nicht innerhalb der ersten fünf Minuten soundsoviele Klicks und soundsoviele „likes“ zusammenkommen, ist ein Beitrag gescheitert und abgeschmiert. Warum das so ist? Seppo weiß es nicht. Aber es ist so. Er beobachtet das Klick-„likes“-Verhältnis. Wird es zu groß, weiß er: Artikel gescheitert.

13.00 Uhr – Erklärungsversuche

Warum ist ein Artikel nicht gut angekommen? Warum so wenige Aufrufe am ersten Tag? Zur falschen Zeit veröffentlicht? Thema zu subtil? Leser einfach dumm? Marketing-Experte mahnt:

„Nie den Leser beleidigen!“

Seppo: „Ja, wen denn dann?! An mir kann es wohl kaum liegen.“

Das Kollegium schweigt. Widerspruch mag er nicht.

Vielleicht zu fiktiv die Geschichte, die nicht ankam. Die Leser schätzen, das hat Seppo inzwischen raus, das Leichte, das Alltägliche, das wirklich jeden betrifft. Was sich in der Menge der Kommentare stets widerspiegelt.

13.30 Uhr

Seppo entdeckt im Hinterzimmer ein Pornographie-Blog, in dem es um harte Sex-Geschichten geht. Er vergisst nun seine Statistiken und verliert sich in der Welt der Pornographie. Er klickt auf „Blog folgen“, weil er keine Geschichte mehr verpassen will. Ja, vielleicht ist das ein Ansatz für das seppolog im Jahr 2016: Harter Sex.

14.00 Uhr

Seppo ist erschöpft von Pornographie. Leer gewissermaßen. Er stellt fest, dass Porno-Geschichten schwierig sind. Weil man nicht vorspulen kann. Und entscheidet, dass beim seppolog alles beim Alten bleibt. Nur besser wird.


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