Ich bin ja großer Freund von Qualitätsjournalismus und beobachte mit Grauen die Tatsache, dass uns immer öfter „redaktionelle“ Inhalte untergejubelt werden, die von Agenturen, beauftragt von entsprechenden Unternehmen, oder von letzteren direkt selber geschrieben wurden. Das fängt bereits bei simplen Produkt-Tests an, bei denen die zu testenden Produkte von den Unternehmen selbst bereitgestellt worden sind. Das kann durchaus noch unabhängig bleiben, ist aber schon eine gefährliche Nähe zum Hersteller, der seine Produkte ja bereits freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat. Viele „Youtube“-„Stars“ verdienen ja auf diese Weise mitunter Unmengen von Geld, weil ihnen schlicht egal ist, dass sie ihre Adressaten verarschen. Es ist ganz simpel Betrug. Ich finde es sogar hinterhältig. In der schreibenden Zunft beginnt das dort, wo „Anzeigen“ nahezu im gleichen Layout wie die redaktionellen Inhalte gestaltet sind, damit der Leser nicht merkt, dass er gerade verarscht wird. Es ist hinterhältige Verarsche. Wir werden für dumm verkauft. Es wird bewusst versucht, Werbung zu verschleiern, uns in die Irre zu führen. Ich kotze, weil das leider rechtens ist. Gerade in Zeiten, wo völlig verblödete Menschen von „Lügenpresse“ sprechen, was ein sich wiederholendes Muster ist, wenn Radikale die Meinungshoheit erobern, ist das ein grober, hausgemachter Fehler. Ganz nebenbei: Journalismus ist ja nie unabhängig. Es steht immer ein Mensch hinter dem, was wir konsumieren an Informationen. Der Trick ist, sich dessen bewusst zu sein, Medien verschiedener Einflüsse parallel zu konsumieren und zu vergleichen.

In das seppolog stecke ich Geld. Nicht viel, es ruiniert mich nicht. Das sind Gelder für Werbeanzeigen oder für diverse erweiterte Funktionen. Und mein großer Mitarbeiter-Pool will finanziert werden. Ein Verlustgeschäft. Bis jetzt.

Ab sofort lasse ich mich von einem Unternehmen finanzieren, das sich mir gegenüber unerwartet großzügig zeigt, mich – ich sage das ganz offen – mit Geld zuscheißt. Im Gegenzug werde ich hier und da mit meiner eigenen Meinung hinterm Berg halten und die des Unternehmens in den Vordergrund rücken. Und ja, hier und da werde ich den ein oder anderen Markennamen erwähnen, natürlich in einem positiven Zusammenhang.

Das ist das Ergebnis eines halben Jahres an Verhandlungen. Es begann mit dieser E-Mail, die ich im vergangenen Herbst erhielt und ich hier verkürzt wiedergebe:

Sehr geehrter Herr Floto,

mit großem Interesse verfolgen wir Ihren Weblog „Seppoblog“ und würden uns freuen, mit Ihnen in Kontakt treten zu können. Gemäß unserer Unternehmensphilosophie unterstützen wir junge, aufstrebende Netz-Aktivisten bei Ihrer Arbeit. Wir sind uns sicher, daß wir dabei beide voneinander profitieren können …

Und so weiter. Zunächst war ich ablehnend, da das Unternehmen nicht einmal in der Lage war, meinen Namen sowie den vom Blog korrekt zu schreiben. Ich fühlte mich nicht ganz ernst genommen und erkundigte mich bei anderen Bloggern, ob sie schon einmal einen ähnlichen Schrieb bekommen haben. Einen solchen allerdings nicht. Ich fragte also bei dem Unternehmen nach, ob man sich meinen Blog wirklich genau angesehen habe und die Reichweiten überhaupt kenne. Man entschuldigte sich für die Fehler und bat um Einsicht in meine Statistiken.

Geldgeil, wie ich gar nicht bin, reichte ich diese nach und nun zeigte man sich begeistert.

Hallo, Herr Flotow!

[…] Nach Einsicht in Ihre Zahlen sind wir mehr denn je von einer fruchtbaren Zusammenarbeit überzeugt […]

In einem weiteren Antwortschreiben meinerseits, das nun auf dem Postwege stattfand, ließ ich es mir nicht nehmen, den Namen des Unternehmens nun auch falsch zu schreiben, da auch „Flotow“ eine falsche Variante meines Namens ist, aber immerhin die beliebteste falsche. Etwas unwirsch kam zurück:

Hallo, Herr Flotow!

Sollte es zu einer Zusammenarbeit kommen, würden wir Sie bitten, sich die korrekte Schreibweise von „XXXXXX“ einzuprägen, um keine Verwirrung zu stiften …

Ich schrieb zurück:

Sehr geehrter Herr XXXXXX,

solange Sie sich meinen Namen nicht draufschaffen, wird es schwierig mit uns …

Zurück kam ein lachendes Emoticon, man hat den Fehler offenbar bemerkt und hoffentlich die entsprechende Sekretärin, die natürlich auch in männlicher Form dafür verantwortlich sein könnte, gefeuert. Denn ab sofort schrieb man mich richtig. Was mich wunderte. Also, dass man mir überhaupt noch schrieb. Und mich einlud in die Düsseldorfer Firmenzentrale.

Nun ist es so, dass ich in der Tat nicht geldgeil bin und die Veranstaltung sehr gelassen – entgegen meine eigentliche Natur! – anging. Völlig erwartungslos, da ich immer wusste, dass ich mir ins seppolog nicht würde reinquatschen lassen. Exakt das ist ein ganz wesentlicher Grund dafür, dass ich das hier überhaupt mache. Das also war für mich völlig indiskutabel. Und ich kündigte an, dass ich über das Gespräch, das wir führten, mit Sicherheit bloggen würde. Was ich hier nun tue. Stark verkürzt als Gedächtnisprotokoll. Wir dürfen uns nun vorstellen, wie ich in ein großes, helles Büro gebeten werde, in dem mich Herr Borgmann empfängt. Ich schätze ihn auf etwa 45 Jahre, den Mann in Anzug und Krawatte. Ich humpele ins Büro, da meine Leistenbruch-OP zu dem Zeitpunkt noch relativ frisch ist.

Herr Flotho! Mit „th“, nicht wahr?

Ja. (ich lache höflich, finde es aber tatsächlich humorig) Danke für das „jung und aufstrebend“ in Ihrer E-Mail! Aber ich bin weißgott kein „Netz-Aktivist“!

Doch, Sie wissen das nur nicht! Nehmen Sie Platz!

Im Ernst, das bin ich nicht.

Das entscheiden dann wir, Herr Flotho. Cookies?

Ah, Kekse!

Natürlich. „Kekse“. Aber Sie wissen auch, dass „Kekse“ an sich ein englisches Wort ist?

(Verdammt, ja, ich weiß das. Damit hatte er mich.) Ja, von „cakes“. Eingedeutscht, als die Deutschen noch Wert auf ihre Sprache legten.

(Heiteres Gelächter.)

Herr Flotho, Sie humpeln? Ich weiß natürlich, warum. Wir haben Ihren Blog gelesen!

Ja, es geht aber. Ich könnte mich jetzt hier aber schlecht auf meine Seite legen und hoffen wir, dass ich nicht die Toilette benutzen muss.

(Zögerndes Gelächter, er hat es nicht verstanden.)

Wie kann ich mir denn eine Zusammenarbeit vorstellen?

Herr Flotho, ganz simpel. Von „Arbeit“ muss man da gar nicht sprechen. Habe hier einen Muster-Vertrag. Diese Zahl dürfte interessant für Sie sein.

(Er markiert mit seinem Füller (!) eine Zahl, die in der Tat meine bisherige Überzeugung nicht nur erschüttert, sondern beiseite fegt.)

Ah! Oha. Hmm.

Ich spreche ganz offen, Herr Flotho: Ist Ihr Kühlschrank immer voll?

Was? Ja also ich nage mitnichten am Hungertuch. Der Blog ist ein Hobby! Mehr nicht!

Und er soll Ihr Hobby bleiben, Herr Flotho. Mit einem kleinen Zusatzeinkommen, gell?

(Er sagt „gell“, mag ich nicht. Aber diese Zahl! Die mag ich!)

Wie läuft das ab? Ich schreibe über Leistenbruch und erwähne dabei Ihre Produkte, die überhaupt nicht in den Kontext passen?!

Im Grunde verhält es sich exakt so, Herr Flotho. Nur, dass Sie den Kontext natürlich ein wenig anpassen sollten.

 

Ich bin ja mitunter sehr pragmatisch und vertrete nur wenige Überzeugungen. Nur die, von denen ich wirklich umfassend Ahnung habe. Es gibt unzählige Dinge, zu denen ich keine Meinung habe. Ich halte es für gefährlich, zu wirklich jedem Scheiß eine Meinung zu haben, denn man kann unmöglich über jeden Sachverhalt vollumfänglich informiert sein. Denn nur dann kann man sich ja eine Meinung erlauben. Ich verdeutliche das immer gerne in Stammtisch-Gesprächen mit der so genannten Griechenland-Rettung (als würde das Land untergehen …). Sogar die Bundestagsabgeordneten wussten teilweise nicht, über was sie da gerade abstimmten, wenn es um Rettungspakete ging. Es rettete nur noch der Fraktionszwang. Wie kann auch ein Abgeordneter immer alles wissen?! Die Materie ist so dermaßen komplex, dass ich doch nicht mit gutem Gewissen sagen könnte, dieses oder jenes Vorgehen sei das Richtige. Ich hab‘ Wirtschaftspolitik studiert, aber wer versteht schon das globale Finanzwesen … Aber eine Überzeugung von mir ist tatsächlich die, dass ich mich nicht so einfach kaufen lasse. Es kommt da auf den Einzelfall an. Und mein Leben hängt nicht am seppolog.

Aber diese Zahl! Die war Grund für mich, ab sofort hier tendenziell bis zum Erbrechen zu schreiben. Hab‘ ich ja eh schon immer. Hier ist ja nichts objektiv. Ab sofort wechsle ich lediglich die Tendenz und freue mich über die Zusammenarbeit mit

batelUnd was gibt es Schöneres nach einem Lauf durch die Kälte, wie ich ihn gerade hinter mir habe, als in eine schöne, kratzfeste Badewanne zu steigen?


Seppo_medien_klein_hut

 

 

Hier noch eine ganz persönliche Nachricht an einen Freund: „Firma Batel, guten Taaaaaag!“ Es waren schöne Zeiten!