2016-01-25-15.19.56.jpg.jpeg

Es war wieder ein sportreiches Wochenende, das da hinter mir liegt. Und ich war darauf eingestellt, dass ich auch am Sonntag noch unter schwersten Schmerzen leiden würde. Und ich tat es. Unter seelischen. Denn SIE, meine Mitbewohnerin, hat mich am Samstag im Matsch regelrecht plattgewalzt. Und leider nicht so, wie es sich in meiner Phantasie gerade abspielt.

Es gab diesen einen Moment, in dem ich die Grenze überschritten hatte. In dem ich dem Tod unangenehm nahe war. Während sie mit einer weiteren Übung fortfuhr. Teufelsweib!

Wie jedes Wochenende machten wir uns auch am zurückliegenden Samstag auf zum heimischen „Trimmdich“-Pfad, der für sich genommen durchaus anstrengend, aber für jeden machbar ist, der aber noch härter wird, absolviert man ihn mit einer Frau, die fünf Mal pro Woche sich in Kraftausdauer ergeht. Die abends mit Blessuren nach Hause kommt und am nächsten Morgen doch wieder aufsteht, als wäre nichts gewesen. Es fing harmlos wie immer an, man joggt einen Berg hoch und es kommt eine Übung mit dem harmlosen Namen „Froschhüpfen“.

„Genau das Richtige für den Einstieg!“, tönte ich. Stimmt ja auch, man wird relativ schnell warm bei der Nummer, bei der es darum geht, 60 Baumstämme zu überhüpfen. Man zählt mit. Als ich bei 40 war, korrigierte meine Mitbewohnerin mich mit dem Hinweis, es sei erst der 30. gewesen. Also nochmal genauso viel. Irgendwie machbar.

Nach dem 60., nach dem letzten, hätte ich nach Hause gehen können. Oder locker weiter traben können. Aber meine Mitbewohnerin:

„Jetzt noch drei Mal 50 ‚Burpees‘!“

„Burpees“. Klingt auch irgendwie niedlich, brachte mich aber bereits an den Rande eines Herz-Kreislauf-Kollapses. Das sind diese Dinger, bei denen man sich auf den Boden schmeißt, wieder aufspringt und die Arme wie ein Irrer in die Höhe reißt. Ich mache zehn und mir wird klar, dass ich die 50 unter gar keinen Umständen erreichen werde. Und hier kippte die Stimmung. Mir wurde bitter bewusst, dass ich mit ihr, einer Frau!, nicht würde mithalten können. Während ich also mich mit meinen Händen auf meinen Knien aufstütze und dabei nach Luft schnappe, als wäre ihr Vorrat jeden Moment aufgebraucht, schmeißt sie sich weiter zu Boden. Zwischen einem Satz guckt sie zur Seite und rotzt männlicher als ich es je könnte, in einen Busch. Und schmeißt sich weitere 50 Mal zu Boden. Und steht vor allem wieder auf. Purer Sex.

„Jetzt bist du dran.“, sagt sie.

„Am Arsch. Mein Kreislauf …“

Ich erwische mich bei memmenhafen Ausreden. Und schaffe nur drei Mal zehn. Mit einer weiteren Ausrede:

„Vielleicht ist es ein ungünstiger Zeitpunkt, nach dem ‚Froschhüpfen‘ ‚Burpees‘ zu machen.“

Aber was hilft’s?! Sie schafft es ja auch.

Und macht mir Mut: „Es wäre ja noch schöner, wenn du mit mir mithalten könntest, nachdem ich das seit drei Jahren mehrmals pro Woche mache!“ Und damit hat sie Recht. Dennoch bin ich missmutig, meine Stimmung im Keller. Ich will nicht nur mithalten, ich wollte eigentlich brillieren!

Nächste Übung: Arme in die Höhe, 100 Mal kreisen lassen, dabei hoch und runter bewegen. Die ersten 30: kein Thema. Doch dann werden die Arme schwer. Sie hält natürlich durch, während ich an meiner nächsten Ausrede bastele.

„Deine Arme wiegen auch nicht soviel wie meine!“

Mein Gott, glaube ich das wirklich?! Und wieder finde ich mich vorne herübergebeugt mich mit den Händen auf meinen Knien abstützend wieder.

„Ich setze kurz aus. Mein Kreislauf …“

Sie würdigt mich nur eines konzentrierten Blickes, während ich überlege, dass ich ihr zumindest beim Laufen überlegen bin. Ich denke darüber nach, sie kommende Woche mit einem 20 Kilometer-Lauf fertig zu machen. Wenn ich dann noch lebe, denn es kommt eine unangenehme Stelle auf diesem Trimmdich-Pfad: Der Berg.

Der Leser darf es sich so vorstellen: Arme und Beine schmerzen bereits massiv, über die Atmung hat man jegliche Kontrolle verloren, das Herz rast, ich höre es pumpen und frage mich ernsthaft, ob das noch gesund ist. Ich deute auf mein Herz und sage nur: „Laut.“

„Ja, ich hör’s.“

Und in diesem Zustand gilt es nun, einen Berg hochzulaufen. Noch geht’s dir gut, denke ich am Fuße des Hügels und blicke nach oben: Wenn du da bist, geht es dir nicht mehr gut. Und ich sollte Recht behalten. Oben angekommen verkrampft meine Atmung derart, dass ich für eine Sekunden den plötzlichen Tod beim Sport nicht mehr ausschließe und darüber nachdenke, für eventuelle Rettungsdienste meine Smartphone-Ortung einzuschalten. Wie schnell könnten Sanitäter hier oben sein?! Bis dahin würde ich tot sein. Und während ich noch so überlege, steht meine Mitbewohnerin bereits an einem Baumstamm und hüpft an ihm rum. Während ich dastehe. Mit den Händen auf meinen Knien. Nach Luft ringend. Und mein Kopf! Einerseits voller Blut, andererseits sehe ich nichts mehr. Das war’s. Kollaps, denke ich. Ach nein, ich hab‘ nur die Augen zu.

Wir laufen weiter. Und „laufen“ heißt hier nicht „gehen“.

Wir finden uns beide gegenüber liegend auf einer Bank wieder, die Füße verkeilt. „Situps“. Keine „Crunches“. Meine Meisterdisziplin. Und ja, hier ziehe ich sie ab. Hier bin ich unschlagbar. Da stört mich diese Schraube auch nicht in der Bank, die sich in meinen Rücken bohrt. Ein Triumph. Vorbei mein Genörgele, bei dem ich mir wie im Schulsport vorkam, wo ich dem Lehrer gegenüber argumentiere, warum ich wegen eines vergessenen Turnbeutels unmöglich am Sportunterricht teilnehmen könne.

Wie gewonnen, so zerronnen. Wir kommen zum „Hangeln“. Und ich Idiot sage auch noch:

„Ach, das kenn ich noch von den Kinderspielplätzen! Das ist einfach.“

Nun ja, ist es nicht. Weil ich die Arme nicht mehr fühle. Aber ich schiebe es geschickt auf meine Handschuhe, die beim Umgreifen der Stangen Falten werfen, die sich in die Hand bohren. Das stimmt sogar. Waren aber für meine Mitbewohnerin kein Grund, es nicht dennoch durchzuziehen. Zu meiner Verteidigung: Sie hat wirklich Sport-Handschuhe, bei denen genau das nicht passiert.

„Ich setze diese Übung aus.“, sage ich nur, während sie sich ein zweites Mal durchhangelt.

Wir finden einen Baumstumpf. Im Wald nichts Ungewöhnliches. Ich kündige an, die Übung nachzuholen, die ich vorhin ausließ, weil ich mit dem Tod rang. Ich kündige aber auch an, schnell mal schiffen zu gehen. Auf diese Weise schlage ich noch ein, zwei Minuten Pause raus.

Und mache die Übung. Die einfach ist – sofern man dem Leben näher als dem Tode ist.

Die letzten Disziplinen gingen mir dann wieder leicht von der Hand, alles, was mit Kraft, aber nicht unbedingt mit Kraftausdauer zu tun hat, ist mein Spezialgebiet: Liegestütze beispielsweise. Kein Thema. Hier schlage ich sie. Nicht im wörtlichen Sinne, obwohl ich an diesem Tag nicht weit davon entfernt war.

Am Ende, nach etwa 90 Minuten, haben wir herzhaft darüber lachen können. Über meine albernen Ausreden, die ich als solche ja selber im Moment des Aussprechens als solche erkannt hatte. Für mich war aber auch klar: Nun wird das Pensum angezogen, diesen Trimmdich-Pfad absolviere ich nun auch unter der Woche. Und sie weiß, dass ich das tun werde. Um sie plattzumachen.

Aber sie hat Recht in dem einen Punkt: Sie trainiert das seit drei Jahren. Die Kröte muss ich schlucken, dass ich da (noch!) nicht mithalten kann.

Aber auch sie sollte noch die Grenzen erreichen. Direkt nach dem Trimmdich-Pfad waren wir im von mir hochgeschätzten Lebensmittelladen „Food“, einer der letzten der „Metro“, wenn nicht auch schon verkauft. Unter der Last eines vollgeladenen Korbes drohte sie beim Ketchup-Regal zusammenzubrechen, während ich mich bei den Zeitschriften erholte.

Die Schlacht hat sie gewonnen, diesen Krieg jedoch noch nicht. Ich rüste auf. Und anders als vergangene Woche fühlte ich mich bereist am Sonntag wieder fit. Das ist ein erster Trainingserfolg. Ein erster von vielen. Und sie wird leiden. Diese Kampfmaschine. Der ich bei einer späteren Aktion demonstrierte, wer hier der Mann ist!

Dennoch, ich verneige mich vor Dir.


Seppo_logo_klein_Haare