2016-01-27 11.50.00Linker Schuh (Abbildung ähnlich)

„Warum willst du den Artikel denn ‚Das Paketwesen‘ nennen?“, fragte mich Lara gestern Vormittag, als ich eigentlich damit beschäftigt war, Sabrina USA einen Roman über meine derzeitigen Befindlichkeiten via Facebook zu übermitteln.

„Weil ich dich in die Geheimnisse der Packstation einführe.“, sagte ich ihr.

„Und ich bin dabei das ‚Paketwesen‘?!“

Ich verstand sie nicht. Das Überhebliche an der Nummer war, dass ich mein Nicht-Verstehen auf sie schob. Auf meine Nachbarin Lara, an deren wachen Verstand sich der ein oder andere an dieser Stelle bereits erfreuen durfte.

„Nein, Lara. Paket-Logistik an sich.“

„Wesen?!“

„Ach, Wesen! Du meinst ein Wesen, das in einem Paket lebt! Nein! Ich spreche vom ‚Paketwesen‘!“

„Ja, das meine ich. Welches Wesen?“

„Im Wesentlichen egal, Lara. Ich nenne ihn nun so. Das Paketdingen halt. Pakete an sich.“

„Seppo, ich werde nicht aus dir schlau.“

„Das macht es doch so schön zwischen uns!“

„Nein.“

Packstationen sind ein Lebensthema von mir. Wer sie nicht kennt: Man bestellt seine Pakete in diese großen Automaten, wo man sie unmittelbar abholen kann, wobei man lediglich eine TAN ins System eingibt. Hintergrund ist der, dass meine Nachbarn meine Pakete in meiner Abwesenheit nur bedingt annehmen. Packstationen sind toll, ich nutze sie seit mehr als zehn Jahren. Das ändert sich nun.

Ich belästige mein Umfeld gerne mit Geschichten rund um die Packstation 112, die ganz in meiner Wohnnähe steht, derer auch Sabrina USA, bevor sie in die USA ging, große Kundin war. Schade, dass es nie zu einem gemeinsamen Besuch der Packstation 112 gekommen ist.

„Nennst du mich etwa das ‚Paketwesen‘?!“

„Lara, nein! Ich meine ‚Wesen‘ im Sinne von … ich weiß nicht … Steuerwesen. Es gibt so viele Wesen.“

„Menschenwesen?“

„Nein!!! Lara, man sagt das so. Nimm es hin.“

„Wenn du über mich schreibst, kann ich es nicht einfach so hinnehmen!“

„Das wird nun hingenommen.“

Ich habe auch Lara, die sich stets anbot, Pakete entgegen zu nehmen, versucht, für dieses tolle Produkt der „Deutschen Post“ zu begeistern, aber sie hat das System irgendwie nicht begriffen.

„Du willst es nicht verstehen! Wenn kein Nachbar das Paket annimmt, kann man erst am Folgetag zur Post gehen. Man verliert einen Tag. Und wenn ich mir technische Spielereien bestelle, will ich nicht einen Tag länger aufs Spielen warten, zumal ich ‚Prime‘-Kunde bin. Den dadurch gewonnenen Tag verliere ich ja direkt wieder!“

„Du bist was?“

„Prime-Kunde.“

„Oh, der feine Herr Seppo ist etwas Besonderes!“

„Ich wollt’s nicht so sagen, aber ja. Das trifft es.“

Ich beschloss, Lara als Packstation-Kunde zu registrieren. Sie war hoch erfreut darüber, was sie mir aber nicht zeigen konnte. Sie zeigte es mir mit Ablehnung, die ich aber überging. Manch einen muss man zu seinem Glück zwingen. Ich habe mal jemanden zu seinem Pech gezwungen, einfach um zu sehen, ob das geht. Es geht. Und auch über Unerwartungen muss ich mal schreiben. Fiel mir letztens auf, es gibt Erwartungen, aber niemand spricht über Unerwartungen.

„Du bist wie meine Mitbewohnerin, man muss dich vor vollendete Tatsachen stellen, damit du dich überzeugen lässt.“

„Deine Mitbewohnerin hasst mich!“

„Ich würde gerne widersprechen. Aber sie sagte kürzlich noch, dass du etwas sehr ‚Spezielles‘ wärst und ich mich daher mit dir verstehen würde. Ich glaube, das ging gegen uns beide.“

Wir … also eher ich registrierte Lara und nötigte sie, etwas zu bestellen.

„Was soll ich denn jetzt bestellen?!“

„Keine Ahnung. Was bestellen Frauen? Brauchst du Schuhe? Lippenstift? Du brauchst doch sicher Lippenstift. Deine Lippen sind ganz spröde.“

„Sind sie gar nicht! Aber ich könnte Schuhe gebrauchen.“

Schuhe, das sollte sich herausstellen, waren ein ganz schlechter und natürlich sexistischer Vorschlag von mir. Ich hatte nicht daran gedacht, dass die Auswahl von Schuhen sich bei den Damen etwas langwieriger gestaltet, als bei, sagen wir mal, mir. Und so führte Lara mich in die Welt der Damenschuhe ein, der ich aus gutem Grund bislang immer aus dem Weg gegangen war. Wenn ich Schuhe online bestelle, kommen für mich nur zwei Marken in Frage: „Adidas“ und „Pantofola d’oro“, denn nur bei denen kenne ich meine Schuhgröße. Was bei Adidas 43 1/3 ist, ist bei Pantofola d’oro 42. Für Lara kommen alle Marken in Frage, denn:

„Ich bestelle von jedem Schuh, der in Frage kommt, drei Größen.“

Zehn Paar kamen in die engere Auswahl. Das macht 60 Schuhe. Dreißig Kartons. Sie wird einen LKW brauchen.

„Lara, die Packstation, so toll sie ist, bietet keinen Platz für Waschmaschinen und 30 Schuhkartons. Da sind wir etwas limitiert.“

„Dann ist das doch für Frauen scheiße!“

„Bestellen denn alle Frauen zehn Paar?! In drei Größen?! Zalandos Aktie wird in die Höhe schießen! Meine Mitbewohnerin ist da genügsamer.“

„Ja, deine Mitbewohnerin ist ja auch so toll.“

Oha. Dicke Luft. „Ist sie auch!“

„Hat sie Schuhe?“

„Ja sicher hat sie Schuhe!“

„Wie viele Paar darf ich denn bestellen, damit du mit mir zur Packstation gehen kannst?“

„Eins.“

„Ich kaufe nur ein Paar Schuhe?“

„Okay, versuch‘ zwei. Vielleicht waren Schuhe auch keine gute Idee. Gebe ich zu. Du könntest dir 20 Lippenstifte bestellen. Du brauchst doch bestimmt noch 20 Rot-Töne.“

„Was soll ich denn mit 20 roten Lippenstiften?!“

„Haben Frauen nicht 20 rote Lippenstifte?“

Lara geht ins Bad und kommt mit einer Kiste (!!!!!) voll mit Lippenstiften wieder.

„So, Seppo, wo sind da 20 rote Lippenstifte?!“

Ich zähle durch und komme auf 24 rote Lippenstifte.

„Seppo! Das da ist doch nicht rot!“

„Natürlich ist das rot! Was soll das sonst sein?! Grün?“

„Es ist Koralle.“

„Koralle?! Ich sehe rot. Und ich sehe, dass du doch keine Lippenstifte mehr brauchst. Wer soll denn so viele Lippenstifte auftragen? Wie viele Lippen hast du? Ich sehe zwei.“

„Wenn ich ein weinrotes Kleid anziehe, fällt Koralle schon mal raus.“

„Ach, man malt sich passend zum Kleid an?! Wenn du ein schwarzes Kleid anziehst. Ein schwarzes, enges, leicht durchsichtiges Kleid …“

„Seppo!!“

„Also kein durchsichtiges Kleid. Aber ein schwarzes, sehr enges Kleid: Malst du deine Lippen dann schwarz an?“

„Dann nähme ich diesen graphitgrauen zum Beispiel.“

„Hast du auch aschgrau?“

„Aschgrau?“

„Ja, wie bei Loriot, die Sitzgruppe. Die war aschgrau und dann hätte sich das Ehepaar umgebracht. Bei Aschgrau bringt man sich um.“

„Ich verstehe dich nicht. Lass uns Schuhe aussuchen.“

Es gibt nur eines, das schlimmer ist, als Schuhe auszusuchen. Bikinis. Bald ist wieder Frühling und ich sehe mich schon mit meiner Mitbewohnerin in der Stadt beim Shoppen mit der Drohung, Bikinis kaufen zu wollen. Es wird ja nie nur einer gekauft, es müssen ja immer mindestens zwei sein. Und ich frage inzwischen schon gar nicht mehr, was mit den Bikinis aus dem Vorjahr ist, denn die Frage wurde als unpassend abgestempelt. Die Frage ziemt sich nicht, sie ist offenbar blöd. Auf diese Weise findet der Bikini-Kauf seit einiger Zeit immer ohne mich statt, was für alle Beteiligten das Beste ist. Denn Männer sagen in Umkleidekabinen oft nur deshalb „Sieht gut aus“, weil sie nach Hause wollen.

Aber es war mir durchaus ein Vergnügen, mit Lara online Schuhe auszusuchen, ich tue das gelegentlich mit meiner Mitbewohnerin. Pauschal streiche ich die ersten fünf aus Laras Favoriten-Liste, um mir einen besseren Überblick zu verschaffen.

„Zu langweilig … zu sandalig … nuttig. Nuttig! Die kannst du nehmen.“

„Sehe ich nuttig aus?!“

Schwerer Fehler.

„Nun, ’nuttig‘ heißt ja erstmal nur ’nuttig‘.“

Damit habe ich etwas Zeit gewonnen. Und weiter:

„Also im Sinne von … nuttig.“

„Du hältst mich für eine Nutte?!“

„Nein!!! Höchstens Edelnutte!“

„Seppo!!!“

„Ein Scherz. Wir beruhigen uns. Streich‘ die Nuttenschlappen.“

Wir einigen uns nach laaaaaaanger Zeit …

… auf drei Paar Schuhe, die wir ihr dann in die Packstation 112 schicken lassen.


Kommen die Schuhe an? Werde ich Lara von dem Packstation-Wesen als solches überzeugen können? Folgt Ihr mir bei Twitter und Facebook? Die Antworten: diese Woche hier!


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