fernsehseppo

Dem ein oder anderen Leser fällt durchaus auf, dass ich beim Beginn eines Artikels nicht weiß, wohin die Reise geht. Oftmals lande ich am Ende eines Textes im Nirgendwo, da die Initialzündung eines Beitrages oftmals lediglich die Überschrift ist. Genau dieses Planlose macht für mich persönlich den Reiz des Schreibens aus; einfach das niederzuschreiben, was mir in dem Moment durch den Kopf geht. Und es überraschte mich zu hören, dass auch Sandra aus Düsseldorf-Oberkassel so ziemlich jeden Artikel liest. Hallo, an dieser Stelle.

Noch viel planloser geht es bei meiner eigentlichen Tätigkeit, meiner Erwerbsarbeit, im Fernsehen zu. NRW live heißt die Sendung, der ich wochentäglich beiwohne, bei der mir gelegentlich Dinge rausrutschen, die gnadenlos unüberlegt sind. Da ist es nur eine Frage der Zeit, bis man sich Unmut zuzieht, wenn man beispielsweise einen Handgranaten-Witz macht, weil einem leider in der Nachrichtenlage entgangen ist, dass Stunden zuvor ein Handgranaten-Anschlag zum Glück nicht gezündet hat. Da fährt man dann nach Hause und denkt sich, du Narr, du alter Narr. Aber ich hatte es schlicht nicht gewusst. „Das versendet sich“, sagen einem dann die Kollegen und ja, meist haben sie Recht.

Ich gehöre (völlig überraschend!) zu den Menschen, die nicht sagen: „Ich kann mich selber im Fernsehen nicht sehen, nicht ertragen.“ Das Gegenteil ist der Fall, denn auch ein Maurer sagt ja nicht nach dem Errichten einer schönen Mauer: „Ich kann mir unmöglich meine Mauern nach dem Bau ansehen.“ Natürlich will ich wissen, wie Dinge funktionierten, die ich tat, oder wie sie eben völlig in peinlichem Schweigen versandeten. Zudem will ich sehen, ob meine Frisur saß. Wie in diesem Beispiel:

Schleichwerbung ist das mitnichten, so wie auch dieses nicht:

Würde „Odol“ mir allerdings Geld im Gegenzug bieten: Dann wäre es Schleichwerbung!

Es ist ja nun einmal so, dass ich vor einigen wenigen Jahren auf den Trichter gekommen bin, dass man Dinge ausprobieren und dabei das völlige Scheitern einkalkulieren muss. Früher war ich da anders. Auch das seppolog ist auf diese Weise entstanden. Einfach mal machen, vielleicht liest es ja jemand, vielleicht wird es auch eine peinliche Nummer. Inzwischen kann ich sagen, gut, dass ich es gemacht habe und ich staune nach wie vor über die Masse der Resonanz. Gerade der gestrige Artikel traf einen Nerv, was mir im Vorfeld schon klar war, da ich eine unumstrittene Position dort einnehme. Doch dass der Artikel auch bei Twitter und Co. seine Runde macht, hätte ich nicht erwartet. Diese Resonanz habe ich beim Fernsehen in diesem Ausmaß leider nicht. Nicht einmal, wenn ich Randgruppen beleidige.

Das Beleidigen von Randgruppen halte ich aus einem einfachen Grund für lustig: Nicht die Beleidigung selbst ist der Witz, die Pointe, sondern die Tatsache, dass man sich über die unerträgliche politische Korrektheit hinwegsetzt und ins Gegenteil verkehrt. Ich selber gehöre Randgruppen an und während ich das schreibe, finde ich den Begriff „Randgruppe“ bereits humorig. Es ist also nichts weiter als der Versuch einer Provokation. Gelungen ist sie, wenn die Lacher im Umfeld nach „Hohoooho“ klingen. Und wenn Zuschauer es ernstnehmen. „Er beleidigt dicke Menschen!“ Nein, tue ich gar nicht. Ich beleidige diejenigen, die nur so darauf warten, sich angegriffen zu fühlen. Das macht den Spaß für mich aus. Tabus sind im Fernsehen nicht mehr zu brechen. Schon gar nicht wirksam ist der geplante Tabu-Bruch. Wenn ich als Zuschauer feststelle: Hier ging es darum, berechnend ein Tabu zu brechen. Ödet mich an, das funktioniert nicht. Leider sind derzeit viele auf diese Weise unterwegs im Fernsehen. Dann doch lieber das Niveau senken und über Klemmösen und Runterholer sprechen:

Wie wichtig ist Niveau im Fernsehen? Wichtig. Ich finde es nicht niveaulos, wie oben Penetrierer zu thematisieren, zumal ich bei der Nummer auch noch etwas gelernt habe, da ich handwerklich, sagen wir mal, eher von außen das Geschehen betrachte und delegiere. Ich halte den Staubsauger, wenn meine Mitbewohnerin ein Loch in die Wand bohrt. Niveaulos finde ich beispielsweise öffentliches Kotzen im Fernsehen. Letztlich eine Geschmacksfrage, aber Kotzen will ich nicht sehen. Ich finde in dem Moment auch den Kotzenden selber eher in einer fragwürdigen Rolle wieder. Mich selber fand ich vor einigen Tagen mit meinen männlichen Kollegen in einer Vater-Rolle wieder. „Studio Challenge“ nennen wir das, weil ich mich mit meinem Anglizismen-Hass im Kollegium eher nicht durchsetzen kann, wir setzen da also auf das Blenden durch Worte. Auf- und Abbau eines Kinderwagens. Das übrigens war keine Produktplatzierung, wie es uns oft unterstellt wird.

Ich habe verloren. Was mir von Vornherein klar war, denn bei solchen Aktionen verfolge ich andere Ziele als das zu gewinnen. Das sollte ja wohl auf der Hand liegen. Ich bin 36 oder 37 Jahre alt, die Geburtsurkunde bleibt da bei mir leider im Ungefähren, was einem bürokratischen Fehler geschuldet ist, und ich bin nicht Vater. Das ist zum einen bedauerlich, da ich zwei Dinge möchte: Hund und Kind(er). Mein Kind müsste sich allerdings schon früh darauf einrichten, den Kinderwagen selber auseinander zu bauen, da ich frühstmögliche Selbständigkeit einfordere und mich nun wirklich nicht mit so einem Schnickschnack herumschlagen möchte. Man selber stellt sich ja die Frage, was für ein Vater wäre ich? Ich wäre ein Knaller-Vater, da wollen wir uns nichts vormachen, um mit den Worten meines langjähigen Kollegen Christopher zu sprechen, den ich für den fairsten und loyalsten Kollegen überhaupt halte, den ich auch Freund nenne, wir sind uns da einig. Ich lernte ihn kennen, als er gerade fluchte:

Ich wäre vermutlich eher streng als Vater, würde etwaige Schimpftiraden allerdings mit Humor garnieren, da ich mich selber in den seltensten Moment ernstnehme. Im Grunde kann man mich auch nur auf zwei Arten ernsthaft provozieren und sich meinen Zorn zuziehen. Aber die verrate ich hier natürlich nicht. Manch einer kommt von selber darauf.

Sohn oder Tochter, könnte eine Frage sein, auf deren Antwort man ja nicht unbedingt Einfluss hat. Über beide Ausführungen würde ich mich freuen, wobei ich aus einem Sohn eine zweite Version meiner eigenen Person machen würde. Das hat ganz praktische Gründe, ich komme mit mir selber am besten zurecht, da ergibt es nur Sinn, wenn sich Seppo jr. (nur so kann der Sohn eines Narzissten heißen) ganz wie der Vater entwickeln würde. Ich habe in 36 oder 37 Jahren einige Weisheiten gesammelt, die die Kindheit und Jugend durchaus erträglicher machen können. Würde es eine Tochter, die ihren Kinderwagen selber ab- und aufbauen müsste, würde sie hoffentlich nach meiner Mitbewohnerin kommen, die im besten Fall auch die Mutter wäre. Denn mit meiner Mitbewohnerin komme ich ausnehmend gut aus, und so gelänge es mir auch mit dem weiblichen Nachwuchs. Außerdem wäre ich der Star der Familie; wir wissen ja, dass Mädchen bis zu einem gewissen Alter ihren Vater bewundern. Bevor er ihnen dann irgendwann peinlich ist. Da wird es dann schwierig, denn ich bin bereits meiner Mitbewohnerin mitunter peinlich. Peinlich war mir selber dieses:

Das beispielsweise war erkennbar nicht geplant. Und man stoppte mich nicht. Moderatoren, die sich in Nichtigkeiten verlieren, müssen „gerettet“ werden. Ein Kollege muss das Ruder übernehmen. Gerade Christopher kennt die Momente, in denen er eingreifen muss. Leider ließ er mich hier machen, wie auch unser Regisseur Simon, ein weiterer Kollege, den ich über alle Maße schätze und der wirklich beneidenswert tolle Hemden trägt. Beide kaufen wir ungern bei „Jack and Jones“ ein, weil dort die Verkäufer besonders aufdringlich sind. Simon und mich verbindet der Hass auf Tomaten und Begriffe wie „Erdboden“, „Strandmatte“ oder „Skorpion“. Das müsst Ihr gerade nicht verstehen. Simon hätte mich hier stoppen müssen, doch er ließ mich gewähren. Die Rolle Simons in der Sendung ist eine extrem wichtige. Wir alle sind mit ihm mittels einer hochkomplexen Technik akkustisch verbunden. Er gibt uns unmittelbare Resonanz auf das, was wir gerade tun, da wir ihn über unser „Ohr“, das uns im Ohr steckt, hören können. Wenn er nicht lacht, weiß ich, dass ich mich gerade wirklich zum Vollhorst mache. Simon, wir sagen Dir das möglicherweise nicht oft genug, wie wichtig Du bist. Gleich Montag werde ich es Dir mitteilen.

 

Privatsphäre. Ist mir in der Tat massiv wichtig. Ich gebe hier im seppolog natürlich viel preis, lebe geradezu davon, alles auszuschlachten, aber das Gros bleibt natürlich außen vor. Ich setze mich eben nicht hin und schreibe hier: „Mir geht es gerade seelisch so schlecht …“ Die Phasen habe ich wie jeder andere natürlich auch. 2015 kann ich ein Lied davon singen, wobei ich das hier nicht missverstanden wissen will. Es handelte sich um eine kleine Krise, die mein Privatleben betraf, die mich aber auch nicht zu Tode betrübt hat. 2016 ist, wenn es so bleibt ;) ein Sensationsjahr. Ich wäge also ab, was ich veröffentliche und was nicht. Ihr bekommt ein verzerrtes Bild dadurch, dass ich selektiere und ich habe mich selber oft gefragt, ob man mich eigentlich durch den Blog kennenlernt. Ich habe keine endgültige Antwort, aber einige wesentliche Facetten meiner Persönlichkeit werden hier schon extrem deutlich. Andere finden hier nicht statt. Kann ich Arschloch sein? Über die hier schon mehrfach erwähnte frühere Kollegin und ganz sicher auch Freundin „Sabrina USA“ gibt es den Satz „Mit ihr kann man es sich unmöglich verscherzen“. Es stimmt. Wer mit ihr Ärger hat, muss schon irgendwie ein Tyrann sein, ein Monster, ich weiß es nicht. Es ist unmöglich. Kann man mit mir Ärger haben? An große zwischenmenschliche Konflikte kann ich mich in meinem Leben zumindest nicht erinnern. Ich habe auch kein Interesse an Konflikten; ich gehe dann einfach.

Was unsere heitere Sendung ausmacht, ist die Leichtigkeit. Relativ wenig ist geplant und ich behaupte nach wie vor, dass sich die Leute sie nicht wegen der Inhalte ansehen, sondern wegen der Atmosphäre.

Und diese Atmosphäre ist eine Team-Leistung, die man nicht erzwingen kann, sondern die sich daraus ergibt, dass wir uns alle gut verstehen. Pures Glück. Nach so vielen Jahren kennt man die Macken des anderen, die ich gerne aufgreife, um mich darüber zu belustigen aber immer darauf achtend, auch sich selber nicht ernstzunehmen. Das ist, einigen wird es aus den Ohren raushängen, mein Credo.

Zurück zu Christopher, der dafür bekannt ist, nicht permanent zu lachen. Nicht, weil er missmutig wäre, sondern weil er eher innerlich lache, was er selber übrigens über sich sagt. Ein Witz über Scheiße brachte ihn aus der Fassung.

Doch wie genau dieser Witz wirklich ging, bleibt ein Geheimnis. Denn er ist nicht öffentlichkeitstauglich.

Ich beharre darauf, nicht alles im Fernsehen zu tun. Es ist zweifellos immer witzig, wenn sich jemand bis zu einem gewissen Grade zum Idioten macht. Doch (mindestens) zwei Dinge tue ich nicht im Fernsehen. Alles, was mit einem Ball zu tun hat, verweigere ich. Das ist mein gutes Recht und Folge eines Schwurs, den ich dereinst leistete. Kommt ein Ball ins Spiel, verliere ich die Kontrolle und das tue ich höchst ungern. Und dann ist es auch nicht mehr lustig. Das zweite ist: Singen. Auch hier gilt, dass ein untalentierter Singender durchaus unterhaltsam sein kann. Ich meine für mich in Anspruch nehmen zu können, dass ich derart schlecht Töne treffe, dass es bemitleidenswert peinlich wird. Doch weil es stets laut schreiende Kollegen gibt, ließ ich mich dieses eine Mal breitschlagen. Und manch Kollegen-Gesichter nach der Gesangseinlage sprechen Bände. Wohingegen ich es so schlecht gar nicht fand.

Super. Kind eingeschlafen!

Ich bin großer Freund von Meta-Ebenen. Davon, die Ebene, um die es eigentlich gehen soll, zu verlassen, um das Ganze von außen zu betrachten. Das wird immer dann relevant, wenn man schlichtweg versagt. Oder wenn die Technik versagt, von der wir im Studio abhängig sind. Das sind für mich die schönsten Momente. Das eigene Versagen zu zelebrieren.

Mitunter kann und will ich auch anders. Und langweile die Masse der Zuschauer mit kleinen Lese-Einlagen. Das macht aus zwei Gründen Spaß: Ich lese gerne und auch vor und ich breche gerne Fernsehregeln. Dass ich hier gerade 2.000 Wörter und mehr schreibe, ist im Grunde viel zu lang. Ich weiß, dass sich das auf die Leserschaft auswirken wird, aber es ist mir einfach mal egal. Die, die am Ende noch dabei sind, für die mache ich es.

Ein zweites Beispiel hatte mich übrigens während des Lesens bewegt. Ich las die Geschichte von Borchert dort zum ersten Mal. Zwar brachte mich der Name „Jürgen“ aus dem Konzept, doch irgendwann stellte ich beim Lesen fest, wie wahr doch jener Text war, auch wenn er weit weg ist. Zumindest für uns.

Ein persönliches Highlight für mich war dieser „Take“, wie wir unsere kurzen „Auftritte“ nennen.

Selten war ich so offen und doch so verklausuliert. Ein Fest. Vielleicht auch für Sabrina USA. Hast Du etwas zu verbergen, mache es so öffentlich wie nur möglich, dann sieht es niemand!

So, zum Schluss habe ich noch zwei, die ich nicht im Kontext unterbringen kann. Wer möchte, bitte! Schönes Wochenende!


Weitere Beispiele und Ausschnitte in den ersten Teilen hier und hier!


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