BigPS

Um Lara, meiner Nachbarin und Freundin, das Paketwesen der Deutschen Post näher zu bringen, insbesondere das tolle Produkt „Packstation“, hat Lara unter Zuhilfenahme meiner konstruktiven Zuhilfegabe drei Paar Schuhe bei „Zalando“ bestellt. Die Adresse: Packstation 112, Düsseldorf und Laras neue „Postnummer“, die Lara als berechtigte Empfängerin, aber nicht Empfangsdame, identifiziert. Soviel zum ersten Teil dieser heiteren Serie. Denn ich selber bin Fan der Packstation, die viele Vorteile im Versandhandel gegenüber der herkömmlichen Belieferung bietet.

„Ich verstehe den Vorteil noch immer nicht, Seppo.“

„Du musst nicht mehr zur Post fahren, du kannst deine drei Paar Schuhe übermorgen direkt an der Packstation abholen. Und ich komme mit. Das wird ein Abenteuer!“

Soweit die Theorie. Das war Anfang dieser Woche. Und ich erzählte meiner Mitbewohnerin von meiner Einführung Laras in das Paketwesen.

„Das macht die doch nur für dich!“, meinte sie.

„Das wäre ja auch ein hinreichender Grund.“

„Warum musst du immer dein Umfeld mit der Packstation missionieren?“

„Ich sah mich schon immer als Missionar.“

„Hast du Lara auch erzählt, dass deine Bestellungen seit zwei Monaten immer bei der Post am Hauptbahnhof landen und eben nicht in der Packstation?!“

Ja, das ist in der Tat ein Aspekt, den ich Lara verschwiegen hatte. In der Theorie ist die Nummer toll, praktisch hingegen hole ich meine Pakete stets in einer Filiale ab mit der Anmerkung: „Packstation 112 voll/defekt“.

Viel interessanter wird es aber, wenn die Postsendung nicht bei der Post, sondern in einem Kiosk landet, der mit der Post gemeinsame Sache macht. Dort ereignen sich die größten Abenteuer. Wie oft war ich schon in der Kölner Straße, wo viele meiner Pakete gestrandet waren. In einem Kiosk, der nicht gerade fußläufig für mich zu erreichen ist. Auch Sabrina USA, die bei Packstation-Geschichten nicht fehlen darf, war häufig in diesem Kiosk und ich erinnere mich, wie sie mir einmal erzählte, dass sie am Anfang der laaaangen Kölner Straße feststellen musste, dass der gesuchte Kiosk sich am Ende der laaangen Kölner Straße befindet. Im Grunde hätte es in so einem Fall mehr Sinn ergeben, hätte man das bestellte Produkt einfach selber hergestellt oder direkt in der Fabrik abgeholt; es wäre schneller gegangen als diesen verdammten Kiosk zu finden. „Hermes“-Kunden werden ein Lied davon singen können.

Immer wenn ich Pakete von jenem Kiosk abholen musste, habe ich das mit einem Lauf verbunden, was ein Risiko darstellt. Meine mir zugesandten Kontaktlinsen kann man beim nach Hause Laufen durchaus noch transportieren, bei Schuhen wird das schon etwas komplizierter. Aber machbar. Es sei denn, die Schuhe sind in einem besonders großen Karton verpackt, der den Lauf-Rhythmus erheblich stört. Doch dazu muss man sein Paket erst einmal ausgehändigt bekommen, denn in jenem Kiosk war es Standard, dass der in dem Falle griechische Kiosk-Mann zunächst einmal voller Überzeugung mir mitteilte: „Kein Paket für Sie da.“

„Doch, ich hab‘ doch ’ne SMS bekommen. Kölner Straße xxx. Für Flotho. Mit „F“.“

„Mit ‚F‘?“

„Ja, mit ‚F‘. Wie ‚F‘ wie ‚Flotho‘.“

„Foto?!“

Schwierig, denn der Kiosk bietet auch das Schießen von Passfotos an.

„Nein, kein Foto. ‚F‘ wie ‚Flotho‘ oder ‚Foto‘.“

„Wolle Foto?!“

„Wenn ich mein Paket bekomme, dann gerne Foto.“

„Fotos erst ab 13 Uhr.“

„Gut, dann kein Foto. Nur Paket. Für Flotho.“

Der Mann geht wieder ins Hinterzimmer. Ich sehe unzählige Pakete dort liegen und bin kurz davor mitzusuchen. Weil ich das Muster ja schon kenne. Gleich wird er seine Frau rufen, damit sie sucht.

„Moment, ich rufe Frau.“

„F“ wie „Frau“, denke ich. Und seine Frau kommt. Sie sucht. Sie findet. Ihr Mann:

„Hier ist Paket. War versteckt. Ausweis?“

Ich zeige meinen Ausweis vor und Kiosk-Mann:

„Ahh, ‚Flotho‘! Mit ‚F‘!“

„Ja, wie ‚Foto‘!“

„Müsse 13 Uhr wieder kommen für Foto.“

Ich habe mein Paket, mehr will ich nicht.

„Okay, ich komme wieder. 13 Uhr.“

Jene Kiosk-Zeiten sind vorbei, inzwischen gehen alle Pakete, die auf eine volle oder defekte Packstation treffen, zur Hauptfiliale der Post.

Dienstag. Lara kommt am Vormittag vorbei. Sie ist leider nicht erregt, dafür aber aufgeregt.

„Seppo. Ich hab ’ne SMS bekommen! Meine Schuhe sind da!“

„Das Abenteuer kann beginnen, Lara!“

„Aber da steht, ich soll sie am nächsten Werktag ab elf Uhr bei der Post am Hauptbahnhof abholen! Seppo, deine scheiß Packstation funktioniert nicht!“

Uh. Verdammt.

„Dann ist sie wohl voll. Das kann mal vorkommen. Gerade um die Weihnachtszeit.“

„Es ist aber nicht Weihnachten! Und ich will die Schuhe schon gar nicht mehr haben!“

Lara ist beleidigt.

„Das tolle ist ja, wir können sie kostenlos zurückschicken!“

„Ich bestelle Schuhe, um sie kostenlos zurückzuschicken. Was soll das? Damit du was zu bloggen hast?!“

„Lustig ist es auf jeden Fall. Pass‘ auf, ich fahre morgen mit. Wir nehmen mein Auto. Das geht schnell.“

Klar, bei der Post geht es grundsätzlich schnell voran, wenn man Pakete abholt. Es ist Dienstag und Lara betritt den Beifahrersitz meines Toyotas, den ich vor knapp vier oder drei Jahren erstand. Warum weiß ich sowas nicht? Ich weiß nicht einmal, wie viel PS er hat. Ein Kollege fragte mich letztens:

„Aber den Kilometerstand kennst du?“

„Nein. Nie.“

„Naja, den kann man ja jederzeit ablesen.“

„Wo? Im Handbuch?“

War ein kleiner Scherz. Wurde hoffentlich auch so verstanden. Aber zwei Mal im Jahr gucke ich tatsächlich ins Handbuch, nämlich immer nach dem Reifenwechsel, wenn ich den Reifendruck kontrolliere. Jedes Mal blättere ich in diesem verdammten Handbuch herum, um diese simple Zahl in Erfahrung zu bringen.

Der Weg zur Post ist einer meiner meist gefahrenen, was aber auch daran liegt, dass ich ansonsten nicht viel fahre. Naja, und weil ich etwa zwei Mal pro Woche etwas nicht in die Packstation geliefert bekomme.

„Seppo, dein Paketwesen ist scheiße.“, sagt sie mir während der Fahrt.

„In der Theorie ist es aber eine Sensation.“

Wir schweigen.

„Lara, freu‘ dich doch einfach auf deine neuen Schuhe!“

„Ich hab‘ im Grunde genug Schuhe.“

Uh. Das von einer Frau. Lara steigt in meiner Gunst in unermessliche Höhen. Ich will sie. Direkt hier. In meinem Toyota. Mit unbekanntem Kilometerstand.

In der Post stoßen wir auf eine Schlange an der Paketausgabe. Und wie immer wird gerade ein Kunde der Sorte bedient, der ein besonders kompliziertes Anliegen hat. Ich bitte Lara um Geduld, man könne sich hier immerhin kuriose Menschen ansehen.

„Das brauche ich nicht“, sagt sie, „ich sehe ja dich.“

Nach 20 Minuten nehmen wir die drei Pakete entgegen und aufgedruckt ist ihnen der Hinweis „Packstation 112 voll/defekt“. Erstmals überlege ich, warum eigentlich seit Monaten meine Packstation 112 voll/defekt ist. Und was von beidem sie eigentlich ist? Voll oder defekt oder voll defekt? Wird sie vielleicht umgebaut? Vergrößert?

Lara behält exakt kein Paar Schuhe. Zwei passten nicht und das dritte sah wirklich leicht nuttig aus.

„Wie sehen die aus, Seppo? Diese hier?“

„Toll, kannste nehmen.“

„Zu dieser Hose?“

„Zieh‘ halt ’ne andere Hose an.“

„Dann kann ich zu diesen Schuhen ja nie diese Hose anziehen!“

„Ja. Ist das ein Problem?“

„Ich mag diese Hose!“

Es folgt eine lange Diskussion, wobei völlig egal war, was ich sagte, Lara behielt das letzte Wort. Alle Schuhe zurück in die Kartons mit dem Vermerk für Zalando, dass zwei nicht passten und das dritte Paar nicht zu ihrer Lieblingshose.

Mittwoch. Wir bringen die Schuhe wieder zur Post. Allerdings mit einem Umweg vorbei an der Packstation 112, ganz in unserer Nähe an der Lessingstraße. Oder Siemensstraße. Oder Linienstraße. Ich wohne in einem undurchschaubaren Straßengeflecht, ich kann mir die Namen einfach nicht merken.

Große Überraschung. Die Packstation 112 ist gar nicht mehr da.

„Seppo, wo ist jetzt die Packstation? Kann man sie nicht sehen? Ist sie unsichtbar?“

„Das wäre eine Erklärung. Die andere: Es gibt sie nicht mehr.“

Ich wurde sehr, sehr nachdenklich. Bestand die Möglichkeit, dass meine Packstation 112 bereits seit zwei Monaten nicht mehr existent ist? Dass ich Horst seit zwei Monaten treudoof und naiv zur Post dengele?! Ich beschließe, zum Wutbürger zu werden und dem Mann am Postschalter so genannte Leviten zu lesen. Denn klar, er kann auf jeden Fall was für diesen Missstand.

Bei der Post:

„Ich weiß, Sie können nichts dafür. Aber irgend jemandem muss ich es ja sagen. Und ich weiß auch, dass es nichts ändern wird. Aber es wäre doch schön gewesen, man hätte mich per Mail oder sonstwie darüber informiert, dass meine Packstation 112 nicht mehr da ist!“

Postmann: „Ja, es wäre auch schön gewesen, man hätte uns darüber informiert!“

„Wie?! Verstehe ich nicht. Wenn Sie es nicht wissen, wer dann? Sie sind doch die Post?!“

„Nein. Wir sind hier nur Angestellte einer Tochterfirma der ‚Postbank‘.“

Aha. Die Postbank, die gerade im Besitz der strauchelnden Deutschen Bank sich befindet.

„Wir haben mit der Post eigentlich nichts zu tun.“

Es lohnt nicht, das zu kommentieren. Es war aber auch naiv von mir, zu glauben, dass derjenige, der mir die Pakete aushändigt, irgendwas mit der Post zu tun hat.

Lara bleibt Kundin der Packstation 112, die es nicht mehr gibt, weil sie keine Lust mehr darauf hat, sich mit einer Kündigung des durchaus kostenlosen Service‘ zu beschäftigen.

Ich selber gebe bei Bestellungen nach wie vor als Zieladresse „Packstation 112“ ein, weil ich nicht weiß, wohin sonst. Die 111 scheidet aus, sie ist zu weit weg. Ich finde mich mit der Post am Hauptbahnhof ab.

Ebenfalls in dieser ablaufenden Woche versuchte mich eine Abo-Prämie – ich glaube, der „Zeit“ oder der „Süddeutschen am Wochenende“ zu erreichen. Ich weiß  schon nicht mehr, für welche Prämie ich mich entschieden hatte. Lange her. Könnte der Wasserkocher gewesen sein. Oder der Mixer? Ich hoffe, es war der Mixer. Füllfederhalter? Könnte auch sein. Hab‘ aber schon so viele. Wie dem auch sei, jene Sendung war an meine Wohnadresse adressiert, wo sie mich natürlich nicht erreichte und eben auch keinen Nachbarn, was das Grundproblem der ganzen Nummer hier ist. Sie wurde hinterlegt im Kiosk in der Apollinarisstraße. Lief ich vorgestern vorbei. Joggend. War nur der falsche Kiosk. Lief ich also gestern vorbei. Richtiger Kiosk, leider meinen Ausweis vergessen. Lief ich also heute wieder vorbei. Sonntags keine Paketausgabe. Ich versuche es morgen noch einmal.


Seppo_medien_Kappi NRW_FB_T_W