bachelor

„Hallo, Herr Floto!“

So begann die E-Mail, mit der auch alles andere begann – das Abenteuer „Bachelor 2017“. RTL hat meinen Namen falsch geschrieben.

„Wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, daß Sie als Bachelor für den „Bachelor“ 2017 ausgewählt wurden.“

Ich bin also der Bachelor für den „Bachelor“ 2017, bei dem RTL alles anders machen will.

Und damit beginnt die neue Serie im seppolog, bei der ich alles anders machen will. Eine Utopie, eine Vision, eine Psychoanalyse meiner selbst, an der schon so manch einer gescheitert ist. Ich räume auf. Mit den Gerüchten. Ich schreibe Tacheles. Ich offenbare mein wahres Ich. Menschen werden sich schockiert abwenden. Sich betrogen fühlen, sich meine mühsam errichtete Fassade zurückwünschen. Doch es gibt kein Zurück. Der wahre Seppo ist: der Bachelor 2017.

Erster Drehtag

Ein Team von RTL kommt heute bei mir vorbei und will typische Szenen aus meinem Alltag drehen. Diese Szenen sollen in der Sendung immer dann eingespielt werden, wenn die eigentliche Handlung in Langeweile abzugleiten droht. Sie sollen den privaten Seppo zeigen.

„Seppo, verhalt‘ dich ganz normal hier in deiner Wohnung. Tu‘, was du jetzt normal tun würdest!“, sagt mir Thorsten, der hauptverantwortliche Redakteur.

„Nun, ich würde jetzt vermutlich den Backofen putzen.“

„Ja, gute Idee, will aber kein Zuschauer sehen. Pass‘ auf, wie wäre es, wir würden dich dabei filmen, wie du dir deinen Sportdress anziehst und dabei Sätze sagst, wie ‚Körperliche Fitness ist mir wichtig. Auch bei den Frauen.‘?“

Also okay, ich ziehe meinen „Sportdress“ an und sage:

„Körperliche Fitness ist mir wichtig. Auch bei den Frauen.“ Ich warte kurz ab und frage: „War jetzt zu gestellt, oder?“

„Ja, macht nichts, merkt keiner. Und wir legen Musik drunter. Dann wirkt das wie aus dem Leben gegriffen.“

Für das nächste Bild soll ich mir vor dem Spiegel eine Krawatte binden. Man will mich als lässigen Geschäftsmann in Szene setzen und ich höre mich sagen:

„Ich war schon mit 20 finanziell unabhängig von meinen Eltern … Geld ist mir nicht wichtig … Es ist mir wichtig, mein eigenes Geld zu verdienen … Die Frau, die ich suche, muss unabhängig sein … Ich kann keine Krawatte binden, pardon.“

„STOOOOP! Keine Krawatte binden?! Du bist doch Geschäftsmann, Seppo!“

„Nein, eher nicht. Und mit 20 war ich extrem abhängig von meinen Eltern.“

Wir ließen also die Szene mit der Krawatte, und dass ich eher Fliege trage, interessierte Redakteur Thorsten nicht: „Fliege sieht schwul aus.“

„Ach?“

„Ja.“

Als nächstes soll gedreht werden, wie ich im Bett liege und aufwache. Also lege ich mich in Boxer Shorts ins Bett. Das T-Shirt soll ich wieder ausziehen.

„Ein bisschen Haut müssen wir schon zeigen, Seppo.“

„Achso. Okay. Nur Hose. … Stört es nicht, dass es draußen taghell ist und die Sonne scheint? Und dass ich keine Morgenlatte habe?!“

„Das merkt der Zuschauer nicht. Wir inszenieren dich als Spätaufsteher. Ohne Latte.“

„Das bin ich aber nicht. Und morgens habe ich meist eine …“

„Das spielt ja keine Rolle. Der Zuschauer findest es sympathisch, dass ein erfolgreicher, finanziell unabhängiger Geschäftsmann mit nacktem Oberkörper bis in den Nachmittag hinein schläft.“

Zweiter Drehtag

Krisensitzung mit Redakteur Thorsten. Thorsten ist unzufrieden, findet, dass ich nicht genug kooperiere. Außerdem moniert er, dass ich meinen Vertrag mit RTL mit „Adolf Hitler“ unterschrieben habe. Das sei nicht witzig und nun juristisch nicht gültig.

„Das heißt ‚Anton Huber‘, nicht ‚Adolf Hitler‘. Und ich unterschreibe doch dieses Machwerk nicht, wenn ich derart verbogen werde. Nimmt mir doch keiner ab. Was soll denn am Ende die auserwählte Frau denken, wenn sie rausbekommt, dass ich kein erfolgreicher Geschäftsmann bin? Meine Bedingung: Es wird nichts verbogen, ich bin es gewohnt, stets nur mich darzustellen.

Nach weiteren Krisensitzungen und einem neuen Vertrag unterschrieben mit „Sebastian Floto“ starten wir dann endlich durch. Die gedrehten Alltagsszenen zeigen mich nun dabei, wie ich den Backofen saubermache und dabei hilfreiche Tipps für den Zuschauer gebe.

„Einen solchen Fettfleck bekommt man nur weg, wenn man ihn zwei, drei Tage einweichen lässt. Und Scheuermittel sind hier tabu!“

„Das geht nicht, ‚Ata‘ will bei uns Produkte platzieren.“

„Ich könnte mein Bad gleich mit ‚Ata‘ putzen!“

Thorsten zeigt sich irritiert: „Das Schlimme ist, dass du wirklich glaubwürdig wirkst, wenn du da halb im Backofen hängst und putzt. Was tust du noch so, wenn du zuhause bist?“

„Ich sitze oft über Stunden da und lese.“

„Na das ist ja mal ein starkes Bild. Er sitzt einfach nur da. Was soll’s. Wenn’s floppt, reichen wir das Format an ‚RTL Living‘ weiter. Sieht dann keiner mehr.“

Also setze ich mich aufs Sofa und lese eine Zeitung. Und halte es für lustig, die Zeitung dabei falsch herum zu halten. Thorsten:

„Was soll das jetzt?!“

„Kleiner Gag. Ein Ratespiel für den RTL-Zuschauer. ‚Was stimmt nicht im Bild?‘.“

Thorsten schüttelt den Kopf, ich drehe die Zeitung um. Ich halte extra den Schriftzug „Feuilleton“ ins Bild, damit der Zuschauer merkt, dieser Seppo, der ist clever. Liest den Debatten-Teil!

„Ich lese den Debatten-Teil!“, sage ich mit kindlichem Stolz.

„Nicht reden, lesen! Legen wir eh Musik drunter.“

Nächste Szene. Ich soll im Wohnzimmer an meiner „Münster“-Bilder-Galerie stehen und erzählen, warum mir Münster so wichtig ist. Ich lasse mich nicht zweimal bitten.

„Dieses Bild zeigt den Prinzipal-Markt. Kann man super shoppen. Die ‚Kö‘ in Düsseldorf kackt da völlig gegen ab. Mit Münster verbinde ich im Grunde alle Eigenschaften, die auch mich ausmachen. Münster ist im Gegensatz zu Düsseldorf einfach mal sauber. Hier liegt kein illegaler Sperrmüll rum, wohin man guckt, sieht man Grün, wenn nicht gerade Winter ist. Münster vertritt meine Werte. Ordnung, Sauberkeit, Übersichtlichkeit, Berechenbarkeit, Verlässlichkeit. So wie meine Seele meine Heimat ist, ist auch Münster meine Heimat, was es immer bleiben wird.“

„Seppo! Toller Satz! Mit der Seele! Legen wir besinnliche Musik drunter! Toll ausgedacht!“

Das war gar nicht ausgedacht. Ich meine das wirklich so.

Dritter Drehtag

Das Wetter ist gut, wir drehen draußen. Ich soll durch den Volksgarten joggen. Ich mache Thorsten klar, dass es „laufen“ heißen muss, er versteht aber den Unterschied nicht. Als er eine alte Dame sieht, bittet er mich, ihr über die Straße zu helfen. Er will meine gute Seite herausstellen. Also gehen wir – Redakteur Thorsten, drei Kameraleute, ein Tontechniker und ich – auf die alte Frau zu, die sich plötzlich maßlos erschrickt.

„Hallo! Ich möchte Ihnen über die Straße helfen.“, sage ich und hake mich bei ihr ein.

„Ich will aber gar nicht über die Straße!“

„Doch. Fürs Bild müssen wir einmal über die Straße.“

„Aber meine Bahn kommt jeden Moment!“

„Die wartet“, lüge ich und zerre an der alten Lady. „Thorsten, sie weigert sich.“

Thorsten: „Sie gehen jetzt mit dem jungen Mann über die Straße. Wir sind vom Fernsehen. Wir lassen Sie erst in Ruhe, wenn Sie über die Straße gehen.“

Ein Passant schaltet sich in die Szene ein: „Lassen Sie die Frau in Ruhe!“

Ich: „Ich will ihr nur über die Straße helfen. Damit man sieht, wie gutherzig ich bin!“

Passant: „Sie will aber doch nicht!“

Ich: „Das eine hat doch mit dem anderen nichts zu tun.“

Inzwischen ist die Straßenbahn gekommen, der Fahrer guckt aus dem Fenster und fragt in Richtung alter Dame: „Wollen Sie nun mitfahren oder nicht?“

Ich interveniere: „Sie möchte erst einmal mit mir die Straße überqueren. Wir kämen dann wieder zurück, dann fährt sie mit.“

Alte Dame: „Ich will keine Straße überqueren!“

Eine Straßenhure hat uns beobachtet und schaltet sich nun ebenfalls ein: „Du könntest mich ja über die Straße bringen!“, sagt sie lasziv zu mir und zwinkert mir dabei zu.

„Nein, also das ist jetzt ungünstig. Nicht der Zeitpunkt für ein körperliches Näherkommen.“

Thorsten schreit den Kameramann an: „Kamera aus! Nicht Seppo im Gespräch mit Huren zeigen!“

Der Straßenbahnführer: „Ich würd‘ jetzt gerne losfahren, wenn Sie also von den Gleisen runtergehen würden!“

Alte Dame: „Nicht ohne mich!“

Ein Polizeiwagen kommt, es entsteigt ein Feuerwehrmann. Nein, natürlich ein Polizist. Und, die eigentliche Überraschung: Es folgt ein PKW, dem ein Kamera-Team entsteigt.

Polizist: „Was ist denn hier los?!“

Ich: „Ich begleite die alte Dame gerade sehr freundlich über die Straße.“

Polizist: „Sehr vorbildlich!“

Alte Dame: „Ich will gar nicht über die Straße!“

Polizist: „Immer, wenn sie wollen, ist aber kein junger, freundlicher Mann in der Nähe! Nutzen Sie doch die Chance!“

Thorsten: „Wir hätten viel Zeit gespart, wären Sie mit dem jungen Mann über die Straße gegangen. … Und wer seid Ihr?!“, fragt er in Richtung des anderen Kamerateams.

„Wir drehen für den RTL-Blaulichtreport.“

„Ah, Kollegen! Wir drehen für den ‚Bachelor‘! Wir überqueren gerade eine Straße.“

Die Polizisten, die vermutlich nicht echt sind, ziehen die Waffen und richten sie auf die alte Dame. Die nun verstanden hat.

Ich: „Gut, ich bringe Sie nun freundlich unter Androhung von Schusswaffengebrauch, was ich selber stark übertrieben finde, über die Straße und wieder zurück. Das wird für alle Beteiligten das Beste sein.“

Thorsten: „Und dann überredest du die Straßenhure, ihren Job aufzugeben und bei Aldi Einzelhandelskauffrau zu werden. Das würde deine soziale Ader unterstreichen, Seppo!“

„Ich habe keine soziale Ader, und dann wird auch keine dargestellt.“

Die Straßenhure ist derweil ein Geschäft mit dem Straßenbahnführer eingegangen, der ja irgendwie die Wartezeit überbrücken muss, während ich die alte Dame freundlich über die Straße geleite, während zwei echte oder unechte Polizisten die echten oder unechten Waffen auf sie richten. Ich selber empfinde die Situation als maßlos gekünstelt, aber Thorsten versichert mir, dass das in der fertigen Sendung völlig realistisch wirken wird, zumal Musik darunter gelegt würde.


Im nächsten Teil dieser heiteren Serie treffe ich auf die zehn Kandidatinnen, die alle mit mir schlafen wollen, weil sie dafür Geld bekommen. Ich wünsche derweil ein schönes Wochenende und kündige an, mich in der kommenden Woche aus privaten Gründen etwas rar zu machen, aber fulminant wieder zurückzukehren! Es verbleibt in größter Dankbarkeit für die treue Leserschaft:

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