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Es ist ein Samstagabend, um den es hier geht und es ist der vergangene. Wir hatten Freunde zu Gast, die ähnlich karnevalsbegeistert sind wie meine Mitbewohnerin und ich. Ich habe vergessen, warum ich jene Freundin hier „Sarah“ nennen sollte, auf jeden Fall eben nicht bei ihrem korrekten Namen. Den zweiten Gast darf ich hier „Kevin aus Dresden“ taufen, der eigentlich aus Leipzig kommt und mich geradezu bedrängt hat, das Klischee vom Kevin aus’m Osten zu bedienen. Ich lasse mich nicht zweimal bitten. Aber auch er heißt anders. Er heißt besser.

Sarah outete sich als regelmäßige Leserin des seppologs, was sie für mich ungleich sympathischer macht. Sie überbrückt mit der Lektüre diverse Wartezeiten, was ich schon von vielen Lesern gehört habe. Wie auch ich hat sie ein gutes Bindegewebe. Weiß der Teufel, warum, aber wir sprachen über Bindegewebe. Dazu zeigten wir uns gegenseitig unsere unteren Rücken und die jeweils anderen durften dann irgendwie ‚reinkneifen, sich eine Hautfalte schnappen und zudrücken. Und irgendwie konnte Sarah dann mit ihrem fachmännischen Blick die Qualität des Bindegewebes beurteilen. Meines ist geradezu sensationell, möglicherweise bereits eine Evolutionsstufe höher als beim herkömmlichen Menschen. Homo seppus. Größenwahn lässt grüßen. Wie auch immer, über mein Bindegewebe habe ich mir bislang wenig Gedanken gemacht, für mich gehört das in die Themenwelt der Frauen. Hohohoho! Ja, aber ist doch so. Männer würden nie aus dem heiteren Himmel über Bindegewebe diskutieren. Meine Mitbewohnerin googelt allerdings in diesem Moment, welchen Vorteil gutes Bindegewebe überhaupt hat. Ah, erstes Ergebnis: Sollte ich ein Kind gebären, wird meine Haut nachher wieder schneller straffer. Gut zu wissen.

Dass ich aber über den Bindegewebstest schreiben würde, war mir nicht klar. Denn ich bekam viele andere Anregungen an diesem Abend und erstmals schnappte ich mir unseren „Einkaufszettel-Block“, nicht zu verwechseln mit einem „Einkauszettel-Blog“, um bereits leicht bis schwer angetrunken sämtliche Anregungen festzuhalten. Präsenter war das seppolog noch nie zuvor derart in mein Privatleben vorgedrungen und immer wieder fragte ich: „Darf ich darüber schreiben?“ Ich darf. Meine enorme Meinungsmacht, die mir Eure unüberschaubar große Leserschaft beschert, würde ich niemals ausnutzen. Nur, wenn es gegen die AfD geht …

Ich stehe in diesem Augenblick vor der nicht einfachen Aufgabe, das, was ich da weinselig notierte, zu dekodieren. Beim Aufschreiben war ich mir ganz sicher, dass ich das auf jeden Fall am nächsten Morgen würde lesen können. Dem ist nicht so, ich rätsele seit fünf Tagen darüber und denke an die Enigma der Nazis, die ein Witz gegen meine betrunkene Handschrift ist. Mit meiner Handschrift, drunken edition, hätten sich die Alliierten die Zähne am Dechiffrieren ausgebissen, was wir ihnen aber im Nachhinein zweifelsohne nicht gönnen. Es ist gut, wie es ist.

Als erstes lese ich hier:

„Stillen, Milch einschießen, wenn Kind schreit, geht es sofort los -> Wattepads vor die Nippel“

Offenbar hatte ich geglaubt, dass ich das sofort für einen Blog-Artikel ausschlachten müsse. Leider fehlt mir gerade der komplette Kontext. Fand ich die Wattepads vor den Brustwarzen so lustig? Nüchtern sieht man einiges ja doch nüchterner. Es ging wohl um eine Situation, in der Sarah, die Mutter ist, in einem Café saß, in dem irgendein fremdes Baby plötzlich losbrüllte, sodass bei ihr die Milch einschoss. „Einschoss“. Auch irgendwie toll. Lautmalerisch ein wenig. Ich stelle mir vor, dass die Muttermilch tatsächlich mit einem wahnsinnigen Tempo aus der Brust geschossen kommt, kraftvoll wie ein Geysir. Darum die Wattepads wie Korken vor die Nippel?

„STILL-AUFLAGEN: Hütchen auf die ungünstig geformten Nippel“

… schreibe ich als nächstes. Und das verstehe ich auf Anhieb. Offenbar sind nicht alle Burstwarzen kinderlippengerecht ausgestaltet. Ich kann und will mir da kein Urteil erlauben, aber dem Anschein nach gibt es Adapter für Nippel. Baby-2-Nippel-Adapter. Ich würde das nie einfach so behaupten, aber nur so verstehe ich meine betrunkene Notiz. Welche weiter geht:

„Nachbarin nahm sie nicht ab die Stillhilfen“

Verstehe. Sarahs Nachbarin hat nicht verstanden, dass man die „Stillhilfen“, wie die Adapter wohl heißen, nach dem Stillen gerne wieder abnehmen darf und trug sie ganztägig, was trotz Oberbekleidung für alle sichtbar war. „Sichtbar“, ja. Aber auch erklärlich? Da ich bis vergangenen Samstag nicht wusste, dass es Aufsätze für Nippel überhaupt gibt, was hätte ich gedacht, hätte ich Sarahs Nachbarin gesehen, die seltsame Auswüchse auf den Brustwarzen trägt?!

Kommen wir zu Tampons und Kevin aus Dresden. Kevin hatte einige sehr gute Tipps auf Lager, die insbesondere Single-Männer betreffen, zu denen ich mich nur zähle, wenn meine Mitbewohnerin nicht zugegen ist und Lara, meine blonde Nachbarin, vor meiner Tür steht. Mein Notizblock hält fest:

„Tampons in der richtigen Größe vorrätig, wenn die Frau da ist“

„In der richtigen Größe“?!?!?! Ich habe relativ wenig mit Tampons zu tun. Hier und da kommt mir mal eines entgegen. Aus Hosentaschen beispielsweise. Unbenutzte, wohlgemerkt. Sie haben alle dieselbe Größe. Mir war nicht klar, dass es sie offenbar in S, M, L, XL und XXXXXL geben muss. Wäre es ein für mich gutes Zeichen, müsste meine Mitbewohnerin nach elf Jahren der Penetration durch mich von, sagen wir mal, einer kleineren auf eine größeren Größe umsteigen? Verwerfen wir diesen Gedanken ganz schnell und wenden uns Kevin zu, der offenbar Tampons in allen Größen bei sich vorrätig hat, falls er … ja, falls was eigentlich?! Falls er eine Frau mit Blutungen mit nach Hause nimmt? Ohne Frauen zu nahe zu treten, aber wann nimmt man eine Frau mit ihren „Erdbeertagen“ nachts mit? Ich nehme ohnehin keine Frauen mit, ich müsste sie vermutlich auch mit Gewalt dazu zwingen, was der Grundstimmung abträglich wäre, aber sagt man dann nachts der Dame: „Tampons in allen Größen findest du im Bad gleich neben dem Augen-Makeup-Entferner!“?!

Denn das hat Kevin aus Dresden auch vorrätig, wenn ich meine Notizen richtig interpretiere:

„Augen-Make-Up vorrätig. Zahnbürste in allen Stärken finden Frauen toll.“

Teufelskerl, dieser Kevin aus Dresden! Er hat auch Zahnbürsten in „weich“, „medium“ und „hart“ vorrätig. Ebenfalls unbenutzt, hoffe ich. Was für ein Mann! Wie zuvorkommend! Der braucht eine Frau, zweifellos wäre sie Königin bei ihm! Der Mann gibt ihr alles! Und das sogar in allen Größen. Ein Gentleman, war so oder so mein Eindruck.

So läuft es bei mir. Alles, was ich erlebe – und das müssen wahrlich keine filmreifen Abenteuer sein -, wird notiert und teilweise erst Wochen später hier verwertet.  Sarah, Kevin, es war mir ein Fest. Wir sollten den Abend wiederholen und weitere Körperteile von uns begutachten.


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