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„Hahaha, den find‘ ich lustig!“,

sagt gerade meine Mitbewohnerin, der ich – wie es meiner freundlichen Art entspricht – immer „Inas Nacht“ aufnehme. Das tue ich auch aus einem gewissen Eigennutz, denn dann muss ich es mir nicht mit ihr ansehen, wenn es gerade ausgestrahlt wird. Gerade läuft auf unserem Rekorder die Sendung, in der Matthias Matschke zu Gast ist. Für mich schwierig, denn Ina Müller finde ich laut. Sehr, sehr laut. Und aufgedreht. Laut und aufgedreht. Schwiiierig. Zu allem Überfluss hat sich gerade auch noch Ralf Richter dazu gesellt. Ralf Richter hat sich mal über meinen Bart lustig gemacht. Damit war er für mich durch. Zumal es das erste war, was er zu mir sagte.

Jetzt sitzen da also Müller und Richter, zwei ehrenwerte Berufe, und schreien um die Wette. Und als Vertreter des etwas gehoberenen Humors dezent am Rande: Matthias Matschke, den die meisten möglicherweise aus „Pastewka“ kennen. Er wird ruhiger. Werde ich in solchen Situationen auch gerne. Beobachten und dann mit einer Pointe dazwischen grätschen. Sich nicht an billigen Kalauern beteiligen, sondern mit etwas zunächst Abwegigem, was erst sacken muss, bevor man es versteht.

„Ich bin auch lustig!“, interveniere ich.

„Aber der ist sehr lustig!“

Beleidigt wende ich meinen Blick wieder zum Rechner und lausche dem Gag-Feuerwerk von Matthias Mattschke. Er hat vermutlich auch einen guten Tag erwischt. Kenne ich auch. Dann läuft es einfach. Kenne auch das Gegenteil. Bittere Tage. Schlechte Stimmung lässt sich nicht ignorieren, sie kann lähmen. Wut, durchaus auch eine schlechte Stimmungslage, hingegen entfacht bei mir immer eine unglaubliche Energie, die ich mitunter kreativ umsetze. Da gab es tolle Momente. Die Wut allerdings ist ein zu hoher Preis dafür, denn Wut zerfrisst.

Ich bin absoluter Fan dieses Schauspielers, den man viel zu selten sieht. Er trägt derzeit Vollbart. Ob Ralf Richter sich gleich darüber lustig macht? Vermutlich hat Ralf Richter einfach zu wenig Bartwuchs und schießt daher gegen Bartträger. Und egal, wo er ist, er muss jedem erst einmal mitteilen, dass er für „Das Boot“ nur 800 Mark bekam. Pro Drehtag?

Matthias Matschke sagt „Scheide“. Das Publikum feiert ihn. Meine Mitbewohnerin auch.

„Ich hab‘ auch schon ganz oft ‚Scheide‘ gesagt! Sogar im Fernsehen! Vor Matthias Matschke!“, triumphiere ich.

„Ja, du bist auch lustig.“

„Auch sehr lustig?“

„Doch, du bist sehr lustig.“

Pause. Sie sieht, dass ich das gerade tippe. Und ergänzt: „Aber nicht so lustig wie er! … Du bist anders lustig!“

„Wie, anders?!“

„Hmmm, indem du einfach auch ein anderer Typ bist. … (stöhnt) Insofern, als dass du, ähm, der hat halt ’ne Schauspielausbildung. Das merkt man einfach.“

„Ja, aber ich kann das von Natur aus!“

„Schreib‘ ‚Sie rollt wieder mit den Augen‘!“

Okay, ich nerve sie offenbar. Und mein lautes Tippen nervt sie auch. Ich muss jetzt leiser, gedämpfter tippen. Lege ich vielleicht ein Kissen unter die Tastatur? Sie dreht den Fernseher lauter, sodass Ina Müller nun meinen Tinnitus übertönt. Man weiß nicht, was schlimmer ist.

Ich gebe mich völlig zurecht Matthias Matschke geschlagen, beobachte aber genau das Geschehen im „Schellfischposten“, dem Set von „Inas Nacht“. Aha, Matthias Matschke sagt jetzt wieder was mit Scheide. Mäßiges Lachen die Folge, ein Raunen. Ha! Er hat den Bogen überspannt. Könnte jetzt schadenfroh sein, aber ich überspanne den Bogen leider auch sehr oft. Man denkt, man ist in der Form seines Lebens und merkt nicht, dass man die Grenze bereits überschritten hat – und es peinlich wird. „Hochmut kommt vor dem Fall“ ist ein Mahnspruch, der mir pro Tag mindestens einmal durch den Kopf schießt. Als Erinnerung eben. Aber es passiert ja doch immer wieder. Selbst einem Matthias Matschke.

Was tun, wenn es peinlich still wird nach Grenzüberschreitung? Ganz klar: Die Situation aufgreifen, kommentieren, sich selber darüber lustig machen. Das klappt so gut wie immer. Nur ganz selten macht es allerdings das Ganze noch schlimmer. In dem Fall: offen zeigen, dass man sich der Peinlichkeit bewusst ist. Kann man eh nicht verstecken, das sind Momente, in denen einem die Kontrolle über die Mimik entgleitet. Grauenvolle Momente. Mach‘ neun gute Scherze und versemmel‘ den zehnten – an den wird man sich erinnern, der zehnte wird dir vorgehalten, während die neun gelungenen Pointen vergessen werden.

Matthias Matschke hat die Situation gerettet: „Ohhh, hab‘ ich etwa das schlimme Wort gesagt?!“ Das weibliche Publikum klatscht und feiert ihn. Die sind natürlich auch alle randvoll. Sektbesoffen. Ich schaue weiter zu.

Matthias Matschke macht einen Kracher-Gag. Meine Mitbewohnerin und ich lachen. Guter Mann. Ein selbstironischer und trockener Humor; genau mein Ding. Und ich verkünde meiner Mitbewohnerin:

„Exakt diesen Gag hätte ich an der Stelle auch gemacht!“ Und das stimmt sogar. „Ich bin also auch sehr lustig!“

„Du tippst immer noch zu laut!“

Oh, verdammt. Jetzt singen sie auch noch. Natürlich, Matthias Matschke kann auch singen! Und gut. Mit meinem Gesangstalent ist es etwas … also ich kann im Grunde nicht zwei Töne am Stück harmonisch verknüpfen. Es geht nicht. Es gibt so viele Dinge, die ich einfach nicht kann. Ich hadere damit. Auf der anderen Seite gibt es drei, vier Dinge, die ich sehr gut beherrsche. Auf die konzentriere ich mich, die gilt es zu kultivieren. Habe ich auch lange gebraucht, um das zu erkennen.

„Ich glaube, der Unterschied zwischen dir und Matthias Matschke ist auch der, dass, also, wenn du irgendwo, also der Ex-Freund von N., der fragte mich, was für ein Idiot du wärst, als er noch nicht wusste, dass ich deine Mitbewohnerin bin. Weil er nicht verstanden hatte, wann du einen Witz machst und wann du keinen machst! Es ist ein recht versteckter Humor.“

„Ja, gut. Also man muss eben etwas mitdenken bei mir. Vielleicht wäre es günstig, mich zu kennen. Mich also zu kennen, bevor man mich kennen lernt. Was aber nicht geht. Schwiiierig.“

Die Geschichte von jenem Ex-Freund hatte ich völlig vergessen. Er sagte auch vermutlich nicht „Idiot“, aber inhaltlich wird es dem sehr nahe gekommen sein. Ich erlebe das natürlich häufiger, dass Menschen mich für ein Arschloch halten und tue das sehr ernsthaft als Kollateralschaden ab. Die Zeiten, in denen ich jedem gefallen wollte, liegen seit einigen Jahren hinter mir und dieses Vorgehen macht vieles einfacher. Bei einem zweiten Treffen sieht man vielleicht klarer. „Arschloch“ ist jetzt vielleicht zu hart. Man weiß es nicht.


Nur, weil ich heute ein neues Logo gebaut habe, weise ich noch einmal gerne auf die „Seppo Blog-Auszeichnung 2016“ hin. Ihr dürft Euch gerne im entsprechenden Artikel nach Klick auf das Logo nominieren!

SBA