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Über Jahrzehnte ‚wussten Spiegel-Leser mehr‘, bis sich „Der Spiegel“ vor nicht allzu langer Zeit für einen neuen Werbespruch entschieden hat. Denn nun hat er offenbar keine Angst mehr vor der Wahrheit. Ich manchmal schon.

Nun weiß auch der Spiegel mehr. Mehr über seine Leserschaft, denn eine Studie des Umfrage-Instituts „YouGov“ hat die typischen Kennzeichen seines Lesers ans Tageslicht gebracht. Und damit zwangsläufig auch mich analysiert und beschrieben – denn: Seit ich 18 bin, bin ich Spiegel-Abonnent. Seitdem hat sich der Preis des Magazins in etwa verdoppelt, die verkaufte Auflage ist um knapp ein Viertel gesunken und die Hitler-Titel sind auch kein Erfolgsgarant mehr.

Doch aus Tradition bleibe ich dabei, bin aber durchaus enttäuscht darüber, dass man mir nicht alle paar Jahre aus Dankbarkeit eine Treue-Prämie zukommen lässt. Einen Reise-Trolley zum Beispiel. Oder, was ich aktuell gut gebrauchen könnte, einen Design-Wasserkocher, prämiert mit der „Red Dot“-Auszeichnung. Aber gut, das kann ja noch kommen, vielleicht zum 25., wenn es den gedruckten Spiegel dann noch gibt.

Wie also sieht er aus, der typische Spiegel-Leser, wie also sieht mich die Vermarktungsabteilung des Hamburger Presseerzeugnis?

 

Demografie

Überrascht hat mich der Befund, dass der Durchschnittsleser mit 18 bis 24 Jahren eher jung ist. Das spricht so gar nicht für ein Nachwuchsproblem und das typische Alter wäre sogar noch geringer, würde ich mit meinen 36 oder 37 Jahren den Schnitt nicht nach oben ziehen. Man darf also annehmen, dass der Spiegel-Leser im Grunde erst zwölf ist und mitnichten die Kinder-Variante „Dein Spiegel“ liest. Aber: Wie auch der Durchschnittsleser bin ich männlich. Denn: Frauen lesen „Brigitte“ oder „Bravo Girl“. Der typische Spiegel-Leser findet frauenfeindliche Scherze okay. Behaupte ich. Denn es gibt auch inzwischen viele männerfeindliche Witze, die anders als die frauenfeindlichen seltsamerweise völlig akzeptiert sind. Ich finde Witze über Randgruppen immer okay. ;)

Aber: Die Betrachtung findet in Relation zur Gesamtbevölkerung statt. Das will ich hier nicht erklären, da empfehle ich die unten verlinkte Sekundärliteratur. Die Mehrzahl der Spiegel-Leser ist de facto mehr als 55 Jahre alt. Somit bin ich also ein untypischer Leser. Was auch meine Herkunft angeht, denn die meisten Leser stammen aus Hamburg, ich aus Münster. Aus Münster übrigens kommt das mega-erfolgreiche Magazin „Landlust“, die mit Abstand erfolgreichste Neugründung der vergangenen 2.000 Jahre, was nicht ironisch gemeint ist. Meine Mutter liest Landlust und passt sich in deren Leserschaft ganz typisch ein.

Das Haushaltseinkommen der Spiegel-Leser liegt zwischen 3.500 und 5.000 Euro. „Haushalts“-einkommen, also das des gesamten Haushaltes! Meiner Mitbewohnerin ist zu verdanken, dass das hinkommt. Wir sind „Superreiche“.

 

Lifestyle

Habe ich einen Lifestyle?! Der Begriff selber ist schon Teil eines Lifestyles, den ich ablehne. Aber wer den Spiegel liest, der möge Klettern, Fitness und Lesen. Lesen! Also das überrascht mich! Ich habe unzählige Gazetten im Abo und jeden Überblick darüber verloren. Betrunken habe ich mal „Spektrum der Wissenschaft“ abonniert. Muss ich dringend kündigen, ist mir zu wissenschaftlich.

Klettern wiederum lehne ich ab wegen der Absturzgefahr und einer gewissen Sorge, die mich bereits auf Stuhlhöhe erfasst und rationales Handeln unmöglich macht. Stehleiter? Panik! Ich lese den Spiegel stets im Tal.

Außerdem besuche der Leser gerne Museen, Ausstellungen, Galerien und Theater. Museen? Ja, also solange es nicht um Bilder geht, die ich schlicht langweilig zu betrachten finde, gehe ich hin und wieder auch mal in Museen. Aber da ich ständig auf Berge klettere, fehlt mir einfach die Zeit. Und ebenfalls überraschend ist die Erkenntnis, dass der Spiegel-Leser sich für „alles Politische“ interessiere. Nun ja, sonst würde ich „Focus“ oder „Bunte“ lesen, die Blätter belästigen einen nicht mit diesem gerade derzeit sehr schweren Thema des Politischen.

Beim Essen wird es interessant. Denn am liebsten esse ich laut dieser Studie indische Curry-Gerichte. Nichts gegen Indien, aber Curry in Verbindung am liebsten mit Wurst, dann kommen wir auf einen gemeinsamen Nenner.

Zutreffend hingegen ist das Lieblingshaustier, der Hund. Hätte ich ein Haustier, wäre es nämlich entweder ein Panda oder eben ein Hund. Beide würden mich aber nicht begleiten zu meinen angeblichen Lieblingssportarten Basketball und Tennis. Beides kann ich nicht. Und beides will ich nicht. Beides hat mit Bällen zu tun. Mit fliegenden Bällen. Mit Flugbahnen, die mein Hirn berechnen muss, will ich den Ball fangen beziehungsweise zurückschlagen. Das kann mein Gehirn nicht, entsprechendes Areal ist verödet. Kommt etwas Rundes auf mich zugeflogen, passiert in meinem Hirn in etwa dieses:

„Höh?!“

 

Persönlichkeit

Heißt bei „Germany’s next Topmodel“ auch „personality“, brauchen Models unbedingt, aber bitte nur eine angepasste. Spiegel-Leser beschrieben sich laut Studie selbst (!) als „interessant, gebildet, optimistisch“, aber auch als „beschäftigt, dominant und arrogant“. Hm, klingt ganz nach mir … nein. Ich beschreibe mich selber eher ungern und frage mich, wer da so bereitwillig und offen geantwortet hat. Bin ich interessant? Müssen andere entscheiden, mein Interesse an mir selber ist auf jeden Fall befriedigt. Gebildet? Formal auf jeden Fall. Aber was heißt das schon?! Nichts. Optimistisch? Puh. Optimismus kann ich auf jeden Fall gut gebrauchen. Ich habe durchaus Phasen der Verzweiflung. „Dominant“ und „arrogant“ lehne ich ab, aber wer – bis auf die typischen Spiegel-Leser – würde das nicht?! Ja, hier und da könnte ich arrogant wirken. Dabei ist nichts mehr fehl am Platz als Arroganz. Ich vermeide an sich Hochmut, denn der Fall ist immer inklusive. Das kenne ich nur zu gut.

Der Spiegel-Leser sei gerne bereit, mehr Geld für Bio-Produkte zu zahlen. Haha, da denke ich wieder an mein geliebtes Fleisch aus der Region. Ist die Frage nicht eher, ob er auch tatsächlich mehr zahlt? Wer wäre nicht gerne dafür bereit, wenn ein Umfrage-Institut nachhakt?

Sport in der Freizeit sei auch etwas, das dem Spiegel-Leser wahnsinnig wichtig ist. Darum klettert er ja auch und wirft dabei Körbe mit dem Tennisschläger. Das waren so die typischen Bewerber für „Schlag den Raab“, diese unerträglichen Alleskönner, die nebenbei noch ein Start-Up in den Sand setzen und zehn Kinder adoptiert haben, die oben auf dem Berg auf ihren Vater warten, der früher katholischer Priester war.

 

Marken

Rabattmarken? Hasse ich. Aber es geht um Marken-Marken freilich, die allerdings auch gerne mit Rabatten ködern. Spiegel-Leser mögen „Wikipedia“. Klar, der Spiegel hat ’ne knallharte Fakten-Redaktion, die jedes, wirklich jedes!, Faktum im Spiegel vor Druck auf Richtigkeit überprüft. Das ist übrigens relativ einmalig und relativiert den Begriff der „Lügenpresse“, der sich davon aber ohnehin nicht beeindrucken lässt. Und auch ich tummel‘ mich gerne bei Wikipedia, um festzustellen, dass noch immer kein Eintrag zu mir geschrieben wurde.

„Mercedes-Benz“ sei die Top-Automarke der Spiegel-Leser. Auch ich habe nichts gegen einen Mercedes, man müsste ihn mir nur kostenfrei überlassen. Ansonsten bin ich allerdings eher der VW-Fan und jetzt übrigens erst Recht. „Deutsche Bank“ ist die nächste favorisierte Marke, allerdings nicht von mir, ich bin ein sehr klassischer Anleger-Typ, ich lege nämlich sehr konservativ an. Und meine Einlagen würden die Deutsche Bank nun auch nicht mehr retten. Kreuzen wir nun einige statistische Merkmale aus dieser Kategorie, kommen wir noch zu dem Ergebnis, dass der Deutsche Bank-Sparer am liebsten bei „Rewe“ einkauft – so er denn Spiegel-Leser ist. Ich hingegen kaufe immer da ein, wo ich am schnellsten hin gelange. Das war lange Zeit in der Tat der Rewe, ist nun aber ein „Kaiser’s“, was bald allerdings ein Ende haben dürfte.

Über „Peek & Cloppenburg“ brauchen wir nicht zu reden, denn ich weiß gar nicht, welches der beiden „Peek & Cloppenburgs“ hier gemeint ist. In beide Häuser gehe ich allerdings gar nicht rein. Nicht aus Prinzip, sondern weil es einfach so ist.

 

Unterhaltung & Medien

Gerne. Ja. Wie sieht es bei mir aus? Lineares Fernsehen findet bei mir nicht mehr statt. Ich habe nichts gegen herkömmliches Fernsehen, halte es auch noch lange nicht für tot, bin aber derzeit auf dem „VoD“-Trip. Auch dort findet man irgendwo den Lieblingsfilm der Spiegel-Leser: „Die fabelhafte Welt der Amelie“. Freunde, geht’s noch? Ihr klettert auf Berge, um Euch dann den Film als Lieblingsfilm anzusehen? Weicheier! Nichts gegen diesen Film, aber Lieblingsfilm?! Noch besser wird es bei den Libelingsstars: Ludwig van Beethoven, Katrin Bauerfeind, Lutz van der Horst und Jörg Schönenborn. Welch‘ Mischung! Jörg Schönenborn! Star?! Katrin Bauerfeind! Kenne ich überwiegend aus der „Harald Schmidt-Show“, wo sie erbärmlichst versagt hat. Aber ich sehe ein, sie ist absolut angesagt, ich will der Mehrheitsmeinung in Zeiten des Schwarz und Weiß auf gar keinen Fall widersprechen. Aber bei aller Liebe. Aber ich mag schon, wie Jörg Schönenborn uns Wahlergebnisse vorträgt. Tut er das noch? Wird er uns demnächst den Erfolg der AfD erklären müssen?

Lieblings-Fernsehsender des Spiegel-Lesers sei „3Sat“. Hm. Hab‘ da mal ’ne lange Doku-Reihe über die RAF gesehen, ansonsten findet 3Sat bei mir nicht statt. „RTL II“ aber auch nicht.

Ich als Spiegel-Leser finde mich also unzureichend wieder, was aber nun einmal so ist mit Statistiken. Ich bin hingegen sehr froh, ebenfalls nicht in das Profil der „Neue Post“-Leser zu fallen!


Quelle: http://meedia.de/2016/03/09/einkommen-essen-lifestyle-so-ticken-die-typische-leser-von-spiegel-stern-landlust-co/


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