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Lara ist etwas jünger als ich und damit in einem wie ich finde perfektem Alter. Zumindest aus meiner Sicht. Sie wohnt zwei Wohnungen über mir und tut alles dafür, dass ich das auch nie vergesse. Was ja nicht schlimm ist, wenn man nicht gerade einigermaßen bewegungslos sich am unteren Ende einer Fieberkurve befindend auf einem Sofa durch den bitteren Alltag quält.

Es war heute Vormittag, als ich nur noch leicht fiebrig auf der Couch mich in die Welt des Schlafes flüchtete und von seltsamsten Dingen träumte. Das Realistischste dabei war noch die Tatsache, dass ich im Traum unfassbar köstliche Kekse – selbstgebacken – aß, sodass ich direkt nach dem Aufwachen über das Backen von Plätzchen nachdachte, mich aber natürlich zu schwach dafür fand. Ich wollte keine Herzmuskel-Entzündung durch übereifriges Backen riskieren und fürchtete überdies melancholische Weihnachtsstimmung, die mich beim Backen überkommen würde.

Es war Lara, der blonde Engel von oben, der mich aus dem Schlaf riss. Ich stelle ja alle Geräte ab, die einen Ton von sich geben könnten, nicht aber die Klingel an der Wohnungstür. Die ist nämlich im Grunde kaputt, schellt nur etwa jedes dritte Mal. Lara war offenbar das dritte Mal. Oder hat einfach dreimal geschellt.

Mit pochendem Herzen sitze ich aufrecht auf der Couch unter einer abermals nassgeschwitzten Decke nach dreckigem, kranken Schlaf, aus dem ich viel zu hastig gerissen wurde. Na toll, der Postbote?! Drei Post-Unternehmen klingeln hier pro Tag, an sich hatte ich sie aber schon durch.

Leicht schlaftrunken bewege ich mich zum „Spion“ und erschrecke abermals, da auch Lara von der anderen Seite durchspäht.

„Lara! Verdammich!“

„Seppo, mach‘ auf!“

„Lara, ich bin sterbenskrank!“

„Ich weiß, darum muss ich dich noch einmal sprechen!“

„‚Noch einmal‘?! Weil ich den Löffel abgebe?“

„Mach‘ doch einfach die Tür mal auf!“

„Mein Haar! Es ist nicht gemacht!“

„Du Tussi, mach‘ auf!“

Schnell lege ich mir einen leichten Scheitel zurecht und öffne als Bild des Elends Lara, dem blonden Engel, die Tür und biete ihr Einlass an.

„Bitte. Es ist nicht aufgeräumt. Mir fehlt die Kraft.“

„Krass. Es sieht bei dir aus wie bei normalen Menschen!“

„Ja, schlimm. Ich weiß. Küche. Gehen wir in die Küche. Das Wohnzimmer dürfte verseucht sein. Ich hätte Salbei-Tee und Kaffee im Angebot. Und köstliche Magnesium-Tabletten. Die empfehle ich wirklich.“

Ich löse zwei Magnesium-Tabletten auf und ignoriere die Gefahr einer Überdosis bei mir. Dazu gibt es Kapsel-Kaffee aus der Region in fair gehandelten Plastik-Kapseln.

„Seppo, wie lange wirst du noch krank sein?“

„Bis morgen um vier Uhr. … Lara, woher soll ich wissen, wann ich gesund bin?!“

„Du planst doch immer alles so genau.“

„Das entzieht sich aber meiner Planung. Was wirklich komisch ist, wenn ich so darüber nachdenke. Aber guck‘ mal“, ich huste mit Auswurf, „der Schleim ist durchsichtig. Das ist gut!“

„Ah. Danke.“

„Ja, gelb oder grün wäre schlecht. Transparenz ist alles.“

Während ich da so Lara gegenübersitze, stelle ich fest, wie blendend sie aussieht und wie runtergekommen ich. Daher frage ich sie:

„Lara, wie siehst du aus, wenn du krank bist?“

„Exakt so wie jetzt.“

„Permanent-Make-up?!“

„Nein! Aber was ist das für eine Frage?!“

„Die Frage eines alten, kranken Mannes, der den Verstand verliert, Sarah.“

„Lara!“

„Lara.“

Wir sitzen so schweigend da, bis Lara dezent fragt:

„Lässt du dich gehen?“

„Ich? Nein, nein. Ich genieße es, wie meine Mitbewohnerin mich umsorgt. Ich will sie nur nicht anstecken. Weil dann muss ich sie umsorgen.“

„Männer!“

„Lara, entweder bemitleide mich nun oder trage dein Anliegen vor.“

„Seppo. Du als Mann.“

„Ohje, was kommt jetzt?!“

„Wie zeige ich einem Mann, dass ich Interesse an ihm habe?“

„Zeig‘ mir einfach deine Brüste, dann weiß ich Bescheid.“

„Seppo, es geht ausnahmsweise mal nicht um dich.“

„Pardon, aber ich kann noch so krank sein, für schlüpfrige Gedanken ist immer Platz. Ich denke pausenlos an …“

„Du kennst Gustobert?“

Gustobert heißt natürlich in Wahrheit ganz anders und ich muss mir immer Tarnnamen ausdenken, die in meinem sozialen Umfeld nicht schon anderweitig vergeben sind, was mir zunehmend schwer fällt. Darum also dieser etwas seltsame Name Gustobert, bei dem ich mir sehr sicher bin, das niemand in meinem Leben ihn trägt.

„Ja. Er war bei dem Feuerzangenbowlen-Abend dabei?“

„Ja.“

„Ich habe Interesse an ihm.“

„Das habe ich wohl gemerkt.“

„Aber er hat es nicht gemerkt. Hast du noch normalen Kaffee?!“

„Was? Ja. Muss ich kochen. ‚Aufsetzen‘, wie man so schön sagt. Aber ich bin so schwach. Wenn du eben?“

Lara bewegt sich mit rollenden Augen zur Filtermaschine und scheitert an den nicht gemahlenen Bohnen.

„Tu‘ ich die Bohnen einfach so da rein?!“

„Lara! Da kommt das Wasser rein!“

Ich kollabiere innerlich, lasse es mir äußerlich aber nicht anmerken und bereue, mich auf meine körperliche Schwäche in Folge erhöhter Temperatur berufen zu haben, um mich vor dem Kaffeekochen zu drücken. Sehr ungewöhnlich für mich, da ich schönen Frauen gerne mehr als nur Kaffee koche.

„Lara, ich mache das. Pass auf. Folgende Situation: Wir mahlen die Bohnen.“

„Malen?“

„Ja, mahlen. Also wir malen sie nicht auf, sondern wir … wir tun sie hier rein.“

Ein lautes Geräusch.

„Was ist das?“

„Die Kaffeemühle.“

„Waaas?“

„DIE KAFFEEMÜHLE!“

Als ich das rufe, ist die Kaffeemühle mit Mahlen bereits fertig, sodass Lara denkt, ich hätte sie grundlos angeschrien.

„Warum schreist du mich an?!“

„Pardon, nichts lag mir ferner, aber ich dachte, die Mühle mahlt noch. Das fertige Kaffeepulver nun wie üblich hier rein, dann Wasser und an.“

Lara setzt das Gespräch aus der Prä-Kaffee-Ära fort und erkundigt sich, wie frau Männern es klar macht, dass frau auf sie steht, ohne dass frau es ihnen direkt sagen muss.

„Lara, ich würde ja sagen, dass Männer sehr simpel sind und man es ihnen am besten direkt sagt. Und ich glaube, Gustobert wird sich sehr freuen. Ich empfehle ansonsten, sehr deutliche Zeichen zu geben, die nicht missverstanden werden können, denn ich wette, dass wir Männer alles missverstehen, weil ihr euch auch einfach selten klar ausdrückt. Ich weiß, wovon ich rede.“

„Und das fandst du jetzt deutlich?“

„Ja. Sei deutlich. Sei einmal eindeutig! Geh‘ zu ihm und sag: ‚Lad‘ mich zum Essen ein‘. Nur ein Idiot würde das nicht verstehen.“

Ich selber halte Gustobert für einen unglaublichen Idioten, aber für einen liebenswerten.

„Wäre denn Gustobert der Richtige für dich?“

„Er sieht gut aus und hat was im Kopf.“

„Hm. Wie du. Ja. Passt. Hast Recht. Aber vielleicht bin ich auch ein schlechter Ratgeber. Ich habe es nie gemerkt, wenn Frauen auf mich standen und umgekehrt habe ich nie gemerkt, dass sie eben nicht auf mich standen. Haha. Ich armer Irrer. Kann man mal so sagen rückblickend.“

„Ja, so schätze ich dich auch ein.“

„Einem Mann würde ich ja raten, er solle Komplimente und Geschenke machen. Ich glaube, das tun viele. Hab‘ ich auch immer. Man macht sich nur relativ schnell zum Trottel.“

„Woran hattest du denn gemerkt an dem Abend, dass ich auf Gustobert stehe?“

„An deinen Blicken. Leicht nach unten gesenkter Kopf, die Pupillen hoch auf ihn gerichtet. Zwischenzeitlich glaubte ich, du hättest einen leichten Schlaganfall. Da war es mir klar. Vielleicht hat es Gustobert ja auch gemerkt! Hattet ihr nochmal Kontakt?“


Wie wird es weitergehen? Empfiehlt sich eine Serie mit dem Titel „Gustoberts Rache“? Nein, das nicht, aber jenes Gespräch wird eine Fortsetzung erleben! Demnächst. Hier!

Die ganze Geschichte zu Lara: hier!

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