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Seit heute Morgen um acht Uhr wird zurückge- oh, politisch völlig daneben, obwohl nur an ein Zitat angelehnt. So ist das mit der politischen Korrektheit, mitunter reicht ja die Nennung des Begriffes „Autobahn“, schon tönt es:

„Autobahn geht gar nicht!“

Dabei hat Hitler die Autobahn nicht einmal erfunden. Aber es soll hier um etwas ganz anderes gehen. (Ob man in hundert Jahren sagen wird, die AfD habe die Radwege erfunden? „Radwege geht gar nicht!“) Nämlich um die Tatsache, dass ich seit 52 Minuten, seit acht Uhr am Morgen, in einem Notstandsgebiet lebe. Man hat uns das Wasser abgedreht.

Das hat für mich eine Reihe von Folgen. Zunächst einmal werde ich erst ab 14 Uhr wieder duschen können. Da ich erst spät zur Arbeit gehe, ist das nicht das drängenste Problem, ich ernte Verständnis im „Büro“, denn niemand möchte, dass ich ungewaschen erscheine und ich verlasse grundsätzlich nie das Haus, wenn ich nicht vorher vollumfänglich gewaschen bin, sieht man vom Joggen einmal ab. Doch warum dusche ich nun nicht vor acht Uhr? Klare Antwort, ich mache ja noch Sport und würde erst danach duschen.

Bereits gestern wurde unser Treppenhaus mit der entsprechenden Ankündigung plakatiert, dass wegen eines Rohrbruches das Wasser von acht bis 14 Uhr abgestellt würde. Es war also genügend Zeit für meine Mitbewohnerin und mich, Vorbereitungen zu treffen. Und da trifft es sich eben gut, dass meine Mitbewohnerin lange Zeyt Pfadfinderin war, was sich oftmals schon ausgezahlt hat, da wir uns oft im Wald verirren.

Sie verließ das Haus bereits vor acht Uhr, nicht aber ohne meinen Wasserverbrauch völlig zu überschätzen, denn sie ließ drei mit Wasser gefüllte Eimer (einer steht neben der Toilette!) und mehrere Flaschen und Karaffen ebenfalls mit Wasser versehen zurück, damit ich auf keinen Fall der Austrocknung anheimfalle. Ich selber hatte lediglich geplant, alle Körperfunktionen, die mit Ausscheidungen zu tun haben, vor acht voll auszunutzen und dann noch die Kapsel-Kaffeemaschine voll aufzufüllen. Übrigens, ich weiß, alle hassen Kapsel-Maschinen wegen des Mülls (fahren aber fröhlich Auto und sind auch sonst wie wir alle Umweltsäue), aber das Kapsel-Müll-Problem ist, weil es auch en vogue ist, völlig überschätzt. Gerade die Recylingquote von Alu ist in Deutschland weit höher als die von Kunststoff. Aber man redet da gegen Wände, als würde man einem Veganer ein Ei schmackhaft machen wollen. Ich jedenfalls kaufe jetzt noch mehr Kapseln, um sie ungentutz wegzuwerfen – wegen der hohen Recyclingquote.

Also, für Kaffee und Tee ist vorgesorgt bis 14 Uhr, wenn das Wasser hoffentlich wieder angestellt wird. Bis dahin muss ich irgendwie versuchen, die Vorräte angelegt von meiner  Mitbewohnerin zu verbrauchen. Übrigens gilt auch für unser hiesiges Leitungswasser, dass Verschwendung schlicht nicht möglich ist.

Als das Datum auf den 01.01.2000 umsprang, kündigte man uns an, dass wegen eines ultimativen Programmierfehlers in so ziemlich jeder Software die technisierte Welt untergehen würde. Damals arbeitete ich in einem Altenheim, wo man größte Angst hatte, dass in der Silvesternacht ab null Uhr die städtische Wasserversorgung wegen des Y2K-Bugs zusammenbrechen würde. Übrigens ist es ein großes Problem von Senioren, dass sie zu wenig trinken. Sie hätten also die kollabierte Wasserversorgung gar nicht mitbekommen. Aber: Senioren riechen, wenn man sie nicht wäscht. Das gilt auch für Junioren. Also gab es damals die höchstbehördliche Anweisung, alle vorhandenen Badewannen im Heim mit Wasser zu befüllen. Das wurde mit einem unglaublichen Eifer betrieben und man ahnte schon, dass das völlig unnötig war. Was wäre mit dem Wasser geschehen? Angenommen, die Wasserversorgung wäre zusammen gebrochen – wäre das Badewannenwasser dann Trinkwasser?! Ich wäre eher verdurstet, als aus den Badewannen zu trinken, in denen ich noch am Morgen zuvor Senioren gebadet habe.

Und so stehen hier nun Eimer gefüllt mit Wasser herum, von dem ich gar nicht weiß, wie ich es bis 14 Uhr verwende. Ich kontaktiere meine Mitbewohnerin per Facebook:

„was ist zu tun mit deinen gebunkerten wassermassen?“

„trinken?“

„das sind doch mehr als 50liter! wann soll ich das alles trinken?“

„dann wasch dich damit!“

„soll ich mich in den eimer setzen?!“

„verkauf es an die nachbarn!“

So kenne ich sie, so liebe ich sie. Geschlechts- und geschäftstüchtig. Sie setzt also darauf, dass unsere Nachbarn nicht so vorsichtig (hier im absolut wörtlichen Sinne!) waren und Wasser gebunkert haben. Also soll ich mich mit den Eimern nun in den Hausflur begeben und Wasser feilbieten?!

Ich kenne mindestens eine Nachbarin, die trotz plakatierter Ankündigen völlig überrumpelt sein dürfte vom Wassermangel: Lara. Ich kontaktiere auch sie per Facebook.

„lara! schon geduscht?“

Es dauert eine Weile, bis sie online ist. Die Zeit überbrücken wir hier mit einer Anekdote: Es gibt Menschen, die den ganzen Tag nichts anderes als Cola oder ähnliches trinken. Löscht das Durst?! Wenn ich – wie es meine Art ist – gelegentlich „Fanta“ trinke, sagen wir, um Nachdurst zu bekämpfen, stelle ich stets fest, dass süße Getränke eher neuen Durst und Diabetis provozieren. Hat sich das noch nicht herumgesprochen? Viele Verbraucher haben es nicht besser verdient. In dieser Wohnung wird von Nachdurst abgesehen stets nur Wasser getrunken – und zwar cain Tafelwasser. Übrigens, die „Trinke jeden Tag zwei Liter Wasser“-Regel ist nicht nur umstritten, sondern auch ganz im Interesse der Tafelwasser-Industrie. So, Lara ist online.

„Seppo! Ich kann nicht duschen! Die Dusche ist kaputt!“

„nein, lara, beruige dich! das wasser ist abgestellt. rohrbruch bei fahrgescheits! bis 2h kein wasser.“

„Das hätte man uns sagen müssen! Ich stehe hier halb eingeseift!“

„man hat es uns gesagt. gestern schon. soll ich kommen, dich entseifen? ich habe 50l wasser hier und kann die unmöglich alleine verbrauchen.“

„Du hast wirklich Wasser? Woher?!“

„gebunkert“

Und tatsächlich habe ich eben einen großen Eimer meines Wassers vor Laras Tür gestellt, die erst öffnen wollte, wenn ich weg bin, weil sie ja nackt und eingeseift ist. Ui, wenn ich das jetzt so schreibe … ich brauche eine kurze Pause.

So, zwei Minuten siebenunddreißig. Kann reichen. Wird aber knapp. Nun gut. Lara ist derweil entseift.

„Das Wasser war ja eiskalt!“

„ja, was soll ich machen.“

„Hast du keinen Wasserkocher?“

„ja hätte ich dir 10l wasser aufkochen sollen?“

„Ja, als Gegenleistung dafür, dass du das vermutlich noch heute verbloggen wirst.“

„nein, die geschichte gibt nichts her. was sollte ich denn schreiben!? wasser abgedreht, hui hui hui?!?! wenn du noch mehr wasser brauchst, ich hab noch. kaltes.“

Ich werde nun bis 14 Uhr den Tag hier verbringen, es ist mein erster Tag, an dem ich mich wieder nach längerer Grippe an den Sport wage. Möglicherweise hält dieser Tag noch unangenehme Überraschungen für mich bereit …


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