ohr

Archobald, der heute nicht so gut gelaunt ist, kam mir heute mit der Theorie um die Ecke, dass Männer Frauen nur dann zuhören, wenn sie über

Fortpflanzung

oder

irgend etwas, das an den Beschützerinstinkt des Mannes appelliert

reden. Also Punkt eins ist klar. Da höre ich dann auf jeden Fall zu, da bin ich massiv penis-gesteuert, was die Natur ja zurecht so eingerichtet hat. Es gibt da zahlreiche Signalwörter, wo ich umgehend, mitunter auch körperlich, reagiere:

Sex

jetzt

Arsch

Brüste

Bett

gleich hier

Wenn Frauen nun geschickt sind, bauen sie in die für uns Männer langweiligsten Geschichten exakt diese Signaworte ein, schon haben sie für ein gewisses Zeitfenster unsere ungeteilte Aufmerksamkeit. Das kann ein großes Zeitfenster sein, denn wir brauchen vermutlich lange, um zu merken: Ah, geht ja doch nicht um Sex.

„Brust. Am dritten August-Wochenende sind wir abends bei Melle und Karl.“

Melle und Karl. Das ist so ’ne Sache. Ich bin nicht gerne bei Melle und Karl, zumal Karl immer darauf besteht, dass man ihn mit „C“ schreibt. Das verweigere ich hier aber, damit er sich nicht wiedererkennen kann. Ich mag Karl. Aber Melle nicht. Melle weiß das. Und Melle weiß das seit Schulzeiten, seit ich in Reli immer neben ihr saß und in der sechsten Klasse mal hinter ihr her war. Aber Melle hatte sich dann ungünstig entwickelt, sodass jedes Interesse erlosch.

Ich würde behaupten, ich höre immer zu. Es sei denn, meine Mitbewohnerin meint Termine ankündigen zu müssen, die in ferner Zukunft liegen. Da schalte ich sofort in einen angenehmen Ruhemodus. Archobald sagt:

„Männer können besser selektieren.“

Das unterschreibe ich sofort. Wir trennen Wichtiges von Unwichtigem schon beim Zuhören, um unser Hirn von Gedöns freizuhalten, was jetzt eine Beleidigung des weiblichen Hirnes ist, das ich aber außerordentlich schätze. Aber nicht verstehe. Muss ich auch nicht, denn meine Mitbewohnerin ist gerne bereit, es mir immer wieder zu erklären. Dabei kommt es durchaus vor, dass sie selber merkt, dass nicht alles auf den ersten Blick logisch ist und für einen zweiten Blick nehmen sich Männer selten Zeit. Ich verstehe sehr viele Frauen nicht. Einige wenige, ja. Doch.

Meine Mitbewohnerin redet derzeit viel von ihrer Rippenprellung. Zumindest mein neuester Stand ist der, dass es möglicherweise gar keine Prellung gewesen sei, weil es dafür einfach zu wenig wehtue. Ich würde ja sagen, ihr Sport hat sie dermaßen abgehärtet, sodass auch schon eine Freundin, Sabrina USA, sie als „Biest“ bezeichnete, was aber absolut als Kompliment gemeint war. Und „Biest“ finde ich irgendwie schon wieder geil. Möglicherweise ein Signalwort, das wohliges Empfinden verspricht. Ich baue innerlich gerade Sätze wie „Das Biest zeigt dir gleich mal seinen Arsch“. Das könnte funktionieren. Meine Aufmerksamkeit hätte es, das Biest. Ordinär funktioniert bei mir, was soll ich mir da vormachen. Wenn ich beispielsweise verkatert bin, kann meine Mitbewohnerin nicht schnell genug bei drei auf dem Baum sitzen. Den Satz werde ich vermutlich heute Abend streichen müssen.

Beschützerinstinkt. Ja, den gibt es noch. Bei mir gerne von eher kleineren Frauen geweckt, große können sich schon selber wehren. Gut, meine Mitbewohnerin, die clainer ist als ich, kann sich vermutlich auch selber sehr gut zur Wehr setzen, vielleicht sogar besser, aber so ein ausgeprägter Beschützerinstinkt setzt natürlich Hemmschwellen herunter. Ich habe noch nie jemandem einen vor seine Mappe gehauen, würde davor aber auch ungeachtet jeder juristischen Konsequenz nicht zurückschrecken, sollte jemand meiner Mitbewohnerin auf eine unangemessene Weise kommen. Da gibt es zum Beispiel jenen „Kruftu“, ein Spitzname, der einst Interesse an ihr zeigte. Das entging mir natürlich nicht, zumal sie es mir erzählte. Kruftu dürfte sich ab sofort nicht mehr unter meine Augen wagen, da ich bereits beim Gedanken an sein Interesse nervös und leicht aggressiv werde. Zum Glück ist Kruftu kleiner und auch jünger als ich, Kruftu hätte selbst bei mir keine guten Karten.

Männer denken ja mitunter, ihren Frauen gefiele es, schlüge man sich für sie. Vermutlich mögen die meisten Damen das eben nicht. Das jedoch ist für meine Kalkulation völlig unerheblich, denn an Konsequenzen denke ich in dem Fall nicht, hier gilt es, besetztes Revier zu verteidigen. Das ist keine rationale Entscheidung, das ist einfach so und irgendwie doch völlig rational. Kruftu, ich werfe den Handschuh!

Doch es gilt, mit Stil zuzuschlagen. Souverän und würdevoll. Souveranität ist grundsätzlich alles im Leben, gepaart mit moralischer Überlegenheit. Gelingt mir natürlich in den seltensten Fällen, aber in der Theorie weiß ich, wie es geht. Zunächst muss ich Kruftu einschüchtern allein durch meine Erscheinung. Schultern zurück, etwas aufrichten und keinesfalls dumm grinsen, weil man die Situation selber etwas komisch findet, sondern eher überlegen-arrogant lächeln. Erhaben. Und dann wäre man gut beraten, hätte man einen coolen Spruch auf den Lippen.

„Kruftu, dunkle Wolken ziehen auf ob deines Gebahrens meiner Mitbewohnerin gegenüber.“

Dann weiß Kruftu schon einmal, was Sache ist. Er ist der Eindringling, er weiß ja um seine Untat. Und sollte sich Kruftu dann nicht umgehend zurückziehen, bliebe die Stimmung entsprechend gedrückt.

Natürlich schlage ich nicht. Ich müsste erst üben. Dafür wäre vielleicht gar keine Zeit; die Situation müsste schon eskalieren. Aber selbst zöge man den Kürzeren und unterläge Kruftu, hätte man seinen Job getan und würde das Mitleid der zu verteidigenden Mitbewohnerin ernten, die natürlich die Nummer als Liebesbeweis zu deuten wüsste, während Kruftu der niveaulose Schläger wäre.

Gewönne hingegen ich, wäre ich eben der tolle Mitbewohner, der sich für seine Mitbewohnerin schlägt, was ihren Stellenwert in meinem Leben nur unterstreicht. Denn freilich ist sie das Wichtigste. Dann komme relativ schnell ich, dann nichts mehr.

Archobald ist auch kein Schläger.

Ich höre doch zu, wenn meine Mitbewohnerin etwas sagt. Man kann auch schlecht weghören und meist ist es interessant, was sie sagt. Sie legt sich ja auch nie fest, sodass die Gefahr, bei eventuellen Test-Nachfragen, falsch zu liegen, gering ist. Vielleicht reden sie deshalb soviel, weil sie sich nicht festlegen beziehungsweise global festlegen.

Sie hingegen muss sich teilweise Dinge anhören von mir, da frage ich mich, ob sie eigentlich immer zuhört. Weghören würde ich ihr keinesfalls verübeln. Aber das werden wir zu einem späteren Zeitpunkt an dieser Stelle klären. Ich frage sie heute Abend.


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