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Derzeit reizt es mich ja ungemein, das Land zu verlassen und irgendwo einen Neuanfang zu starten; und das gerne unter Mitnahme meiner Mitbewohnerin, wobei alles andere zurückgelassen würde. So einen Wunsch unter dem Eindruck der derzeitigen Flüchtlingskatastrophe zu äußern, ist natürlich etwas vermessen, aber ich glaube, jeder hat solche Phasen, in denen es mal nicht so läuft. Bei mir läuft im Grunde alles bombe, und da ich natürlich absoluter Fan dieses großartigen Staates mit seinen Fehlern (sowie mit dem Viertel des dummen Wahlvolkes) bin, würde ich das Land ja letztlich doch nicht verlassen. Ich bin einfach zu deutsch für diese Welt. Es sollten eher die gehen, die permanent rumnörgeln über das, was sie immer „typisch deutsch“ nennen, aber im Grunde hier recht gemütlich vor sich hin leben.

Ohne größenwahnsinnig erscheinen zu wollen, hatte ich eine ganz andere Idee. Ich muss den Staat gar nicht verlassen, ich gründe meine ganz eigene Enklave. Auch, wenn es ein eklatanter Verstoß gegen die Verfassung der Bundesrepublik sein dürfte, rufe ich hiermit die Bundesseppoblik Deutschland aus.

Gut, das hatte ich mir jetzt etwas spektakulärer vorgestellt, aber so etwas muss sich ja erst einmal beim ausländischen Leser setzen. Und caine Sorge, die Amtssprache und damit auch die des seppologs bleibt Deutsch.

Zunächst hatte ich ja mit einer Monarchie mit mir als König geliebäugelt, allerdings fiel mir da kein passendes Wortspiel mit meinem Rufnamen zu ein, sodass ich also nun einer Republik vorstehe, bei der alle Gewalt natürlich vom Volke ausgeht, das ich aber auch bin. Ich werde noch meine Mitbewohnerin darüber informieren müssen, das sie sich heute Abend, wenn sie nach Hause kommt, nicht von der Grenzkontrolle abschrecken lässt, die sie vor unserer Wohnungstür, die auch Grenze zur Bundesrepublik ist, vorfinden wird. Denn die Bundesseppoblik ist noch nicht Mitglied der EU und damit des Schengenraumes, aber sie strebt es an. Da ich übrigens vollkommen schuldenfrei bin und seinen sensationellen Schufa-Score habe, dürfte das nur eine lästige Formalie sein. Ich denke, dass die Bundesseppoblik dem Wirtschaftsraum der EU ganz guttun würde. Mein Haushalt ist ausgeglichen und erwirtschaftet (ab nächster Woche) wieder ein Plus, sodass die zwei Bürger der Bundesseppoblik hier steuerfrei leben können. Auch ausländischen Unternehen biete ich hier einiges an Steuerersparnis an! Welcome Facebook! Välkommen Ikea!

Meine Mitbewohnerin ist also das halbe Volk. Sie weiß das noch nicht. Aber ich muss mich gut mir ihr stellen, da ich auf ihre Stimme bei der Wahl zum Bundesseppo angewiesen bin. Sie selber kann sich leider nicht zur Wahl des Staatsoberhauptes stellen, da sie das Mindestalter von 32 Jahren leider noch nicht erreicht hat. Was für ein Ärger, aber so steht es eben in der Verfassung und für mich ergibt sich daraus der Vorteil, dass es nur eine Partei gibt, die einen Kandidaten stellen kann, nämlich meine Partei, die Seppotreuen. Das halbe Volk ist übrigens Parteimitglied, was mir fast etwas peinlich ist, was sich aber auch aus der etwas simplen Bevölkerungsstruktur ergibt. Parteienforscher haben in der Bundesseppoblik nicht viel zu erforschen.

bundesseppo

Sollte meine Mitbewohnerin der Seppotreuen beitreten – und sie ist wahrlich treu, treuer als ich -, dann mache ich sie natürlich zur Außenministerin. Sie soll sich mit der Regierung der Bundesrepublik Deutschland rumschlagen, die vielleicht ein Problem damit hat, wenn ich ihr einige Quadratmeter für mein neues Staatsgebiet abknapse. Ich müsste da auch nochmal in Verhandlungen mit meinem Vermieter treten, den ich aber gerne zum repräsentativen Staatsoberhaupt machen würde. Außerdem würde er freilich Vorsitzender des Bundeskatasteramtes werden müssen. Er könnte sich überdies als Grenzschutz bei mir verdingen. Einen Schlagbaum importiere ich am Wochenende aus dem angrenzenden Ausland, vermutlich aus dem „Bauhaus“.

Wirtschaftlich sehe ich die Bundesseppoblik allerdings mit einem krassen Außenhandelsdefizit starten, da ich eine reine Importwirtschaft installieren möchte. Also muss vielmehr, da eine Selbstversorgung unmöglich ist. Ich selber werde heute Abend beispielsweise Alkohol in die Bundesseppoblik einführen. Zollfrei! Denn Zölle schaden jeder Volkswirtschaft. Leider auch etwas, was wieder zunehmend ignoriert wird. Die Welt bewegt sich derzeit ein Stück zurück. Es ist unerträglich, das miterleben zu müssen und wir werden in zwanzig Jahren lesen können, damals, in den Zehnerjahren, da ging es los. Wie immer vor globalen Katastrophen beobachten wir eine Zurückbewegung in nationalstaatliches Denken.

Übrigens löst die Bundesseppoblik den kleinen Inselstaat Nauru als die kleinste bestehende Republik ab, während Russland die größte Republik auf Erden ist. Und wahnsinnig demokratisch. Nauru ist also aus meiner Sicht der einzige Staat, mit dem ich es im Kriegsfalle aufnehmen könnte, was hier nicht als Kriegserklärung aufgefasst werden darf! Denn ich habe noch nicht einen Panzer und bin selber Kriegsdienstverweigerer, weil ich festgestellt habe, dass Kriege nicht schön sind. Panzer sind zudem teuer, übersteigen mein Staatsbudget. Meine Mitbewohnerin hätte ein Fahrrad, damit könnte sie an die Front radeln. Aber meine Mitbewohnerin als Kampfsportlerin wird auch zur Verteidigungsministerin von mir gemacht, ich überlasse ihr die Entscheidung über Krieg und Frieden, dem dicksten Buch, das ich jemals gelesen habe, durch das ich mich je gequält habe. Ein jeder Staatenlenker sollte dieses Buch gelesen haben.

Auch diplomatische Beziehungen zur Bundesrepublik, meinem Geburtsland, habe ich geknüpft. Oder werde ich. Lara, die Frau, die zwei Wohnungen über uns wohnt, wird zur Botschafterin ernannt, ihre Wohnung wird die Botschaft sein und damit Territorium der Bundesseppoblik Deutschland. Via Facebook informiere ich Lara über diese tolle Nachricht:

„lara! moin! online?“

„Hallo! Was gibts?“

„lara, hättest du interesse, botschafterin der bundesseppoblik deutschland zu werden? du müsstest nicht viel tun, nur nett lächeln, was niemand besser kann als du und eventuell flüchtlinge aus der BRD aufnehmen.“

„?!?!“

„was gibt es daran nicht zu verstehen?“

„Bist du betrunken?“

„warum werde ich eigentlich sooft gefragt, ob ich betrunken bin!? ich bin seit heute morgen staatsoberhaupt. hat mich selber völlig überrascht!“

„Seppo? Brauchst du Hilfe?“

„nein. also doch. von dir als botschafterin.“

„Hast du eine neue Stufe des Größenwahns erklommen?“

„komm heute abend zu uns runter, wir trinken ein bisschen wein und cocktails. die außenministerin wird auch da sein. wir klären dann die groben fragen. du hast freies geleit.“

Mein Eindruck ist zunehmend, dass Lara mich irgendwie einfach nur hinnimmt. Als Botschafterin sollte sie mich etwas ernster nehmen.

Wie auch die benachbarte Bundesrepublik setze ich auf ein föderales System. Die Region „Arbeitszimmer“ von meiner Mitbewohnerin hat also ganz eigene Befugnisse, ich setze da wie übrigens auch die derzeit völlig zu Unrecht geprügelte EU auf das Subsidiaritätssystem. Allein dafür hat sich mein Politik-Studium voll ausgezahlt. Aus Fragen des Zimmers meiner Mitbewohnerin werde ich mich also raushalten, auch wenn Bundesrecht Landesrecht natürlich bricht.

Wegen der noch überschaubaren Bevölkerungszahl der Bundesseppoblik sehe ich mich gezwungen, auf eine parlamentsgebundene Exekutivgewalt zurückzugreifen. Im Grunde muss ich alle drei Staatsgewalten auf meine Person konzentrieren, wobei ich die Exekutive gerne meiner Mitbewohnerin überlasse. Das geht ein bisschen in Richtung Diktatur, aber ich wäre ein so genannter „wohlmeinender Diktator“, für den sich ja jeder Diktator hält, obwohl insgeheim viele Diktatoren genau wissen dürften, was sie da tun. Wegen Personalmangels wäre ich dann auch der Oberste Richter des Verfassungsgerichtes. Das ist übrigens eine faszinierende Konstruktion in Deutschland. Das Bundesverfassungsgericht ist irgendwie völlig überraschend die höchste Instanz, sein Wort hat Gewicht, ohne dass ein Parlament direkt hinter seinen Entscheidungen stünde, allerdings hinter der Wahl der Richter durch Politiker, was ein erheblicher Kritikpunkt ist. In der Bundesseppoblik ist das nicht anders, hier wählt das Staatsoberhaupt, ich, sich selbst zum Obersten Verfassungsrichter. Das sind aber nur kleine Kinderkrankheiten meines neuen Staatengebildes. Sobald ich einen Sohn gezeugt habe, setze ich ihn ein. Was mir vermutlich auch negativ ausgelegt werden dürfte, wenn die Ämter meiner Republik ausnahmslos mit Familienmitgliedern besetzt werden. Sollte er sich meinen Wünschen widersetzen, lasse ich ihn hinrichten. Aber es geht eben nicht anders, sofern ich nicht auf Migranten zählen kann, die in die Bundesseppoblik wegen der rosigen Zukunftsaussichten strömen dürften.

Innovativ an meinem System wird das prophylaktische Parteien-Verbot sein. Verwirrte Idioten dürften also erst gar keine Partei gründen, die da heißen könnte „AfBS“, also „Alternative für die Bundesseppoblik“. Wer eine Partei bei mir gründen möchte, müsste zunächst einen Intelligenztest bestehen, damit nicht irgendwelche Spinner plötzlich mein Land ruinieren, wie es derzeit im befreundeten Nachbarland BRD geschieht.

Entscheidend für den Fortbestand der Bundesseppoblik wird also sein, aus der Geschichte zu lernen. Es ist der Menschheit bekannt, das sich dieses geradezu aufzwängt, aber leider gilt auch: Geschichte wiederholt sich. Womöglich ist der Vergleich derzeitiger Zustände in Deutschland mit der Weimarer Republik etwas überzogen, aber es gibt Parallelen, die wir nicht ignorieren sollten. Am erstaunlichsten ist aber die Erkenntnis, dass es wirklich Menschen in Deutschland gibt, die sich auch noch für anständige Deutsche halten, die bereit sind, schon einmal begangene Fehler blind zu wiederholen. Vielleicht wird diesen Spinnern zuviel Raum in den Medien geboten, sodass wir gar nicht wahrnehmen, dass eine große Masse für ein offenes Deutschland steht, das dieses Land letztlich so groß gemacht hat, ohne dabei größenwahnsinnig zu werden.

Es wird viel zu tun geben. Und darum wird es gehen in den nächsten Tagen im offiziellen Parteiorgan seppolog: Ich brauche eine Hymne, eine Verfassung, ein Parteiprogramm, einen Einbürgerungstest und sehr, sehr viel Legitmation durch geschicktes, demagogisches Auftreten. Erste Bewerbungen für diverse Ministerämter liegen vor. Der neueste Fan, nein, Der neue Stefan, bewirbt sich als Finanzminister und erste Einbürgerungsanträge liegen ebenfalls vor. Der Bundesrepublik Deutschland droht er geistige Exitus zugunsten der Bundesseppoblik Deutschland. Seppo wählen!


Ähnlich bescheiden trete ich auf der offiziellen Facebook-Präsenz der Bundesseppoblik Deutschland auf.

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