traum

Sie bleiben weitgehend unerforscht, unsere Träume. Klar, irgendwie verarbeitet unser Gehirn das am Tage Geschehene oder verweigert einfach den kompletten Ruhezustand, worüber wir uns jeden Morgen, den wir erleben dürfen, freuen sollten, da es eben nicht selbstverständlich ist. Dass gestorben wird, wissen wir, es wird uns aber dann klar vor Augen geführt, wenn plötzlich eine Reihe von bekannten Persönlichkeiten das Zeitliche mitunter unfassbar überraschend segnet, was den ein oder anderen zu geschmacklosen „Tweets“ bewegt. Noch deutlicher wird es, wenn die Einschläge das persönliche Umfeld erreichen. Wenn es noch nicht geschehen ist: wird es noch kommen. Den Gedanken schiebe nicht einmal ich beiseite.

Umso überraschter war ich in der Nacht auf Ostersonntag, als ich gegen vier Uhr aus dem Fenster blickte, wo ich eine transparente Gestalt sah.

„Ah, nun drehe ich also durch“, sagte ich zu mir, da kein anderer Zuhörer zugegen war.

Aber da ich nicht an Geister im klassischen Sinne glaube, denn ich habe noch keinen gesehen, öffnete ich das Fenster und stellte ganz wissenschaftlich, wie man es mich an der Uni lehrte, die Frage:

„Warum so transparent? Ist doch eh dunkel! Transparent ist so halbgar. Entweder volle Deckkraft oder komplett unsichtbar. Kann sich da jemand nicht entscheiden?!“

Die Gestalt erschrak etwas, was aus meiner Sicht auch das Mindeste nachts um vier Uhr ist und gab kleinlaut zurück:

„Ich habe mir die Transparenz nicht ausgesucht. Es passt aber zu dem, was ich bin. Und irgendeine Vorstellung braucht der Mensch ja.“

„Wer also sind Sie, hier nachts um vier Uhr im Düsseldorfer Maghreb-Viertel? Ist ja nicht unbedingt frei von Kriminalität hier in dieser Gegend.“

„Ich bin so etwas wie ein Choreograph.“

„Detlef D. Soost?!“

„Nein. Ich choreographiere Träume. Und ich warte seit zwei Stunden hier, dass du endlich zu Bett gehst. Vier Uhr schläfst du in der Regel immer schon!“, sagt die Gestalt.

Ich: „Nun, ich bin gerade Strohwitwer und bei ‚Youporn‘ hängengeblieben. Da wurde die Nacht etwas länger.“

„Youporn?!“

„Ach, ‚Youtube‘! Alter Gag. Naheliegend. Auch um diese Zeit.“

Die Gestalt, die womöglich den Inkognito-Modus beim Browser nicht kennt, kommt auf meine Einladung hin (die so gar nicht meiner Person entspricht und damit die Glaubwürdigkeit dieser Ereignisse schwer strapaziert) in meine Wohnung, wo ich einen transparenten Tee koche. Und sie erklärt weiter.

„Ich werde gerne mit dem Sandmännchen verglichen, aber das gibt es gar nicht. Oder schon jemals Sand im Bett gehabt?!“

„Ich bin schon auf ganzen Tiefkühlpizzen aufgewacht. Aber Sand? Nein.“

„Eben. Ich setze mich nachts neben euch und flüstere euch eure Träume ein. Ich rede mir dabei den Mund fusselig, du machst dir keine Vorstellungen über mein Arbeitspensum!“

„Ja, bei so vielen Milliarden Menschen eine lobenswerte Dienstleistung.“

„Naja, ich mache das nicht alleine, wir sind etwa 900 Millionen. Und froh, das nicht überall gleichzeitig Nacht auf Erden herrscht.“

Ich will von ihm wissen, völlig überfordert ob dieser neuen Informationen, warum man teilweise so eine unfassbare Scheiße träumt.

„Nun ja, unserer Kreativität sind eben keine Grenzen gesetzt, da unser Rat der Traummacher schon vor Jahrtausenden beschlossen hat, dass die Gesetze der Natur in Träumen außer Kraft gesetzt werden dürfen.“

„Und warum wird man immer wach, wenn man in ein Loch fällt? Warum träumt man nie den Aufprall?“

„Das ist einigermaßen simpel: Sofern ihr die Erfahrung eines Aufpralls nach tiefem Sturz noch nicht gemacht habt, könnt ihr den auch nicht träumen. Wann hast du das erste Mal von Geschlechtsverkehr mit einer Frau geträumt?“

Gute Frage! Denn das hatte ich erst, nachdem ich die reale Erfahrung gemacht hatte. Weil ich vorher einfach nicht wusste, wie es sich anfühlt. Das Eindringen. Ich habe 30 Jahre lang nicht von Sex träumen können. Haha, kleiner Scherz. Ganz so lang war’s dann doch nicht.

Der Traummacher weiter: „Wenn du also demnächst mal tief fällst, wirst du, sofern du es überlebst, nichts anderes mehr träumen!“

Ich will es genauer wissen: „Wie genau läuft das jetzt? Ich lege mich hin und schlafe ein. Was macht ihr dann?“

Sie öffnen unsere Köpfe. Mehr oder weniger. Schon mal überlegt, warum morgens die Frisur nicht sitzt? Weil sie unsere Köpfe öffnen, um an das Gehirn zu gelangen. Der Traummacher öffnet einen Werkzeugkoffer, den er bei sich trägt.

„Ich habe hier einige Schläuche und Sägen. Lass‘ dich von den Sägen nicht beeindrucken. Die Schläuche haben Synapsen-Klinken, die ich an den Schlafenden andocke. Das andere Ende schiebe ich hier bei mir rein.“

„Da hinten rein?! Muss es ausgerechnet dahinten sein?!“

„Soviele Öffnungen haben wir Traummacher eben nicht … Und über diese Leitungen flüstern wir euch eure Träume ein.“

„Was hat es mit Albträumen auf sich? Müssen die sein?“

„Naja, gelegentlich ist uns langweilig, meist liegt es aber an Verstopfungen in den Schläuchen. In diesem beispielsweise hängen noch Reste von einem Traum, dem ich eben deinem Metzger, Herrn Nillenflicker, verpasst habe. Der träumt berufsbedingt eben gerne mal von Blut und freiliegenden Organen. Und wenn sowas noch im Schlauch drinhängt, weil wir gelegentlich nachlässig desinfizieren – der Zeitdruck! -, dann mischt sich das schon mal mit deinen Träumen.“

Und mich lasse er eben gerne von Bart träumen, was in Kombination mit einem Schlachtermesser eben mal ins Albtraumhafte abdriften könne. Das seien eben Kollateralschäden.

Traummacher begleiten uns, sagt er, sage nicht ich!, den ganzen Tag über, damit sie uns kennen lernen und wissen, was sie uns des nachts verarbeiten lassen müssen. Wenn wir also Scheiße erleben, passiere es eben, dass wir auch Scheiße träumten, auch das sei eine Variante von Albträumen, die unumgänglich sei.

„Warum träume ich nie von Sex mit, sagen wir mal, drei Frauen?! Das kann dir tagsüber doch nicht entgehen, dass ich gelegentlich daran denke?“

„Oh, das tust du. Das tust du erschreckend oft, Seppo. Aber um dich vor deiner Libido zu schützen, lassen wir dich diese Träume vergessen.“

Na toll, an die schlechten erinnere ich mich, an die guten nicht?!

„Wer sagt denn, dass der Sex mit drei Frauen gleichzeitig gut sei? Du fragst sie nachher immer ‚Na, wie war ich?‘ und an ihre Antworten willst du dich gar nicht erinnern. Glaube mir. Drei sind vielleicht zwei zuviel für dich.“

„Okay, reiner Selbstschutz. Ich verstehe.“

„Außerdem haben drei Frauen mit deiner Realität wenig zu tun. Sieh das positiv.“

„Jaja, gut, aber man wird ja noch träumen dürfen.“

Der entlarvte Traummacher hadert mit sich, wie ich feststelle. Es sei nicht das erste Mal, dass ein Mensch ihn erwischt habe. Und leider müsse er mich nun töten.

Ich gebe mich überrascht: „Oh, das nimmt hier aber eine ungünstige Wendung für mich. Werde ich nicht mehr aufwachen?“

„Ja, das ist immer die simpelste Lösung für uns. Du kannst davon ausgehen, dass jeder, der seinen nächtlichen Schlaf nicht überlebt, der nie wieder aufwacht, einen von uns enttarnt hat. Wir sind aber manchmal auch etwas unvorsichtig.“

„Nochmal zurück zu den drei Frauen. Den hat es nicht gefallen?!“

„Das ist jetzt nebensächlich, Seppo, und auch nicht mehr relevant. Ich muss mir nun überlegen, wie vorzugehen ist.

„Folgendes: Ich behalte es für mich. Keiner wird etwas erfahren.“, bettele ich nahezu.

„Du bloggst bereits darüber. Du formulierst ja schon die Sätze!“

„Ja, schwiiiierig. Das kann ich nicht lassen. Das geht permanent so in meinem Kopf. Ich würde dir einen Handel vorschlagen.“

Damit erweckte ich des Traummachers Interesse. Ich schlage ihm vor, dass ich noch am folgenden Tag

und dann wachte ich nicht mehr auf und war sehr verärgert.


Meinem Ärger mache ich Luft auf meiner Facebook-Seite.

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