roesi

Große Aufregung im Großraumbüro des seppologs. Ein Leser hat einen Artikel samt seinem Autoren, mir, rezensiert. Und zwar negativ! Es ist drölf Uhr am Mittag, als ein Redakteur mit den extra für mich ausgedruckten Leser-Kommentaren in den Konferenzraum kommt. Er sieht ängstlich aus. Da ich ein absolut empathischer Zeitgenosse bin, merke ich das natürlich und genieße meine Macht über ihn.

„Bringst du ungute Botschaft für mich?“, frage ich den Lakaien.

„Seppo, es gibt einen kritischen Kommentar.“

Sähe er nicht so ängstlich aus, würde ich das für einen schlechten Scherz halten. Ich meine, kritischer Kommentar?! Nicht, dass ich nicht mit Kritik umgehen könnte. Aber mir gegenüber?! Lächerlich. Das muss ein Fehler sein.

Der Lakai gibt mir den Ausdruck und ich muss mich nach dem Lesen erst einmal setzen. Sofort rufe ich den Menschen an, der mir etwas bedeutet. Meine Mitbewohnerin.

„Mitbewohnerin, der heutige Tag verändert unser aller Leben. Die Welt ist nicht mehr die, die sie einmal war.“

„Hast du negative Kritik bekommen?“

„Ja.“

Schweigen am anderen Ende. Ich meine, Schluchzen hören zu können. Wir beenden das Gespräch, da auch sie sich erst einmal beruhigen muss.

Ich berufe eine Krisensitzung ein, das komplette seppolog-Team versammelt sich in der Mitarbeiter-Kantine, die wir hier „Lounge“ nennen. Die Nachricht hat sich offenbar schon herumgesprochen, denn ich sehe betretene Gesichter. Man betritt Räume, aber keine Gesichter, denke ich nebenbei und ergreife das Wort.

„Liebe Freunde. Heute ist etwas Außergewöhnliches geschehen. Ich wurde negativ kritisiert.“

Raunen.

„Es ist in einem Leser-Kommentar die Rede davon, dass ich angestrengt intellektuell schrübe. Dass ich nicht kritikfähig sei, was meine eigene Person angehe, und dass ich von simpler Charakterstruktur sei.“

Wieder Raunen. Einer applaudiert. Ich verweise ihn des Raumes. Denn ich umgebe mich nur mit Ja-Sagern.

„Liebe Ja-Sager, lassen wir uns das auf der Zunge zergehen. Ich schreibe also betont intellektuell.“

Die ersten trauen sich zu lachen. Auch ich muss lachen. Das seppolog also möchtegern-intellektuell.

„Als erste Maßnahme werde ich ab sofort im seppolog besonders simpel schreiben, damit man mir nicht vorwerfen kann, ein einigermaßen annehmbares Deutsch zu verwenden. Außerdem möchte ich auf diese Weise meinen simplen Charakterstrukturen gerecht werden.“

Ich ernte Zustimmung, mein Vorschlag scheint anzukommen.

Lakai Lars kommt herein und stellt mir einen Psychologen vor: „Das ist Herr Rindenmark, er möchte deine simple Charakterstruktur analysieren.“

Ich finde die Idee supi und treffe mich später mit ihm. Ein Marketing-Lakai informiert mich derweil darüber, dass ich den Vorfall, diesen unglaublichen Vorfall, auf keinen Fall zu hoch hängen und beispielsweise darüber schreiben sollte. Ich verspreche ihm, dass ich auf jeden Fall darüber schreiben werde, da mir ohnehin heute keine andere, intellektuell angemessene Idee in den Sinn kommt.

„Der Kommentar kommt gerade richtig. Ich wäre doch doof, ihn nicht auszuschlachten.“

Nach außen gebe ich mich stark, doch die Psychoanalyse des Lesers, der mich gar nicht kennt, hat mir schwer zugesetzt. Mit dem Psychologen Herrn Rindenmark diskutiere ich (auf Augenhöhe), wie es nur dazu kommen konnte, dass ein Leser mich nach einem Jahr des öffentlichen Schreibens derart zutreffend entlarvt.

„Woher weiß er, dass ich simpel strukturiert und unfähig der Selbstkritik bin? Ist das so offensichtlich? Ich meine, was soll ich machen, ich bin eben der Größte. Das hat doch mit Selbstherrlichkeit nichts zu tun, wenn ich der Welt ganz objektiv mitteile, dass ich nun einmal ein ganz toller Hecht bin!“

„Herr Flotho, auch mein Eindruck war sofort, dass es sich bei Ihnen um eine Ausnahmeerscheinung eines Menschen handelt. Natürlich sind Sie bar jeder Selbstkritik, denn was kritisieren, wo es nichts zu kritisieren gibt? In meinem Beruf habe ich schon soviele Menschen, auch Menschen simpler Struktur, kennengelernt, dass ich mir das Urteil erlauben darf, dass es den perfekten Menschen tatsächlich gibt: in Ihrer Gestalt, Herr Flotho.“

„Danke, Herr Rindenbaum. Ich werde sie fürstlich für Ihre zutreffende Analyse entlohnen.“

„Rindenmark.“

„Was?!“

„Ich heiße ‚Rindenmark‚!“

„Herr Rindenbaum, wie Sie in meinen Räumen heißen, bestimme immer noch ich.“

„Ganz recht, Herr Flotho. Ganz recht.“

Ich verabschiede Herrn Rindenbaum und rufe abermals meine Mitbewohnerin an, die angesichts der Schreckensnachricht sich einen halben Tag Urlaub genommen hat. Ich rate ihr, sich krank schreiben zu lassen, dafür hätte ja wohl jeder Arbeitgeber Verständnis.

„Mitbewohnerin, gute Nachricht: Der Leser hatte wohl Unrecht.“

„Da bin ich absolut von überzeugt, denn fehlende Selbstkritik kann man dir so gar nicht unterstellen, da du ja eher dazu neigst, das, was du gelegentlich leistest, schlechtzureden.“

Mein Smartphone explodiert überraschend, womit das Gespräch vorzeitig beendet wurde.

Auf dem Flur treffe ich Madeleine. Sie ist sehr hübsch und nur deshalb bei mir angestellt.

„Tolle Brust!“, begrüße ich sie, umarme sie und fasse ihr an den Po.

„Danke, Seppo!“, freut sie sich.

„Gute Arbeit!“, sage ich. „Kurze Frage: Liest du Blogs, die du eigentlich kacke findest?“

„Nein, warum sollte ich das tun? Wenn ich etwas nicht gut finde im Netz, ziehe ich einfach weiter. Es wäre ja inkonsequent, dort zu verweilen.“

„Danke, Madeleine. Übrigens: zwei, drei Kilo weniger täten dir ganz gut.“

„Du hast ja so Recht, Seppo.“

14 Uhr, Mittagskonferenz. Wir besprechen die möglichen Themen für die kommenden Artikel im seppolog.

„So, was habt ihr für mich?“

Ein Lakai: „Wir schreiben am Mittwoch einen Artikel zu deinem Bildband ‚Universum‘, den du heute aus der Packstation genommen hast. Packstation kommt ja als Thema immer ganz gut an.“

Ich: „Nein. Das geht nicht. Das könnte zu gewollt intellektuell werden. Außerdem kapiere ich nach wie vor nicht, warum Raum und Zeit zwingend miteinander zusammen hängen. Ich bin zu doof dafür, ich sollte also die Finger davon lassen.“

Lakai: „Dann hätten wir noch die Photosynthese, die du am Donnerstag widerlegen wolltest.“

„Achja, meine Experimente mit den Zimmerpflanzen. Das ist zu intellektuell, ich will mich da selber nicht überfordern. Ab sofort, liebe Leute, nur noch leichte Themen. Vielleicht Sex? Irgendwas mit Sex? Wer hat Sex?“

„Viele von uns haben Sex!“, ruft einer.

„Nein, ich meine, wer hat was zum Thema Sex?!“

Ein Lakai aus der zweiten Reihe: „Sex mit Tieren? Ein Erfahrungsbericht?“

„Was?! Da fehlt mir nun wirklich jede Erfahrung.“

„Aber der simpel Strukturierte könnte doch Sex mit einer Ziege haben?!“

„Das wäre sehr stereotyp, vielleicht die neue Richtung des seppologs. Ich notiere das gerne.“

Wir diskutieren noch sehr lange und am Ende steht die Entscheidung, dass ab sofort nicht mehr ich hier schreibe, sondern ein drei Monate alter Schimpanse, der dem seppolog seine Glaubwürdigkeit zurückbringen soll. Der Zoo Duisburg hat einen abzugeben, der übrigens als besonders selbstkritisch gilt. Er tritt morgen seinen Dienst an.

Den Rest des Arbeitstages verbringe ich mit Madelaine, die sich gut darauf versteht, gebrochene Männer zu trösten.


Das seppolog hat eine ständige Vertretung bei Facebook. Folgt mir gerne!

Seppo_medien_klein_schieber