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„Merugin, stell‘ das Zeug von meinem Tisch, es setzt sonst was.“

Sage ich zu meinem Kumpel Merugin, dessen alleinige Anwesenheit mir ein Rätsel war und bleibt, da er eine exklusive Figur des seppologs ist, also rein fiktiv. Die Sache ist aber die: Ich konnte ihn am vergangenen Wochenende unmöglich vor meiner verschlossenen Wohnungstüre stehen lassen, weil ich durch den Türspion erkennen konnte, dass er ein Paket in seinen drei Händen hält. Ja. Drei. Das will ich hier aber nicht thematisieren, da ich ohnehin glaube, der gute Mann will sich mittels dritter Hand nur irgendwie interessant machen und dieses Forum will ich ihm hier nicht bieten. Soll er doch selber zu bloggen anfangen. Was aber nicht gehen wird, wie wir später noch erfahren.

Ich habe nichts gegen Merugin, der Eindruck soll hier nicht entstehen, aber der Mann brachte mich am besagten Wochenende in eine missliche Lage.

„Ich lasse dich nur herein, weil mich der Inhalt deines Kartons interessiert“, sage ich ihm und öffne die Tür. Es ist drei Uhr nachts. Keine Uhrzeit, um jemandem einfach die Tür zu öffnen.

Merugin ist sichtlich euphorisiert, was ich zunächst auf Drogen schiebe, jedoch mit dem Inhalt seines Kartons zu tun hatte. Im letzten Karton, der mir geliefert wurde, war mein Kopf. Eine gewisse Neugierde kann man mir da wohl kaum übel nehmen.

„Merugin, was ist drin? Mein Fuß?“

„Seppo, viel besser. Es ist Runz!“

Klar. Merugin hat mir Runz mitgebracht. Dafür habe ich ihm nachts um drei die Tür geöffnet?!

Mit Runz ist es in etwa so wie mit anderen Seltenen Erden wie beispielsweise mit der zweitseltensten: Promethium, das man als Betastrahler benutzt. In Satelliten. Nicht im Haushalt. Aber Runz?! Woher will Merugin Runz haben?!

Reisen wir einige hundert Jahre in der Geschichte des Menschen zurück. Wir schreiben das Jahr 5. Rodobar VII., Herrscher über Mesetien, ist eben nicht nur Herrscher und übrigens auch ein unverlässlicher Prophet, sondern auch so etwas wie ein Wissenschaftler. Natürlich keiner, der es mit heutigen aufnehmen könnte, aber für die damaligen Verhältnisse war er eine Leuchte. Er gilt als der Entdecker von Runz.

„Was zur Hölle habe ich denn da jetzt gefunden?!“ – Mit diesem Ausspruch wird er heute noch zitiert. Eine seiner Geliebten, zufällig anwesend, konnte es ihm beantworten:

„Eine Seltene Erde. Sieht nach Runz aus. Glückwunsch. Damit hast du deinen Platz in den Geschichtsbüchern sicher.“

Später, so sagt man, muss aber nicht stimmen, habe sie ihn vor die Wahl gestellt: Sie oder Runz. Er war schlau, entsann sich seiner hundert anderen Konkubinen und entschied sich für das Runz und ließ jene Geliebte in Runz baden. Was der Vollstreckung eines nie ausgesprochenen Todesurteils gleichkommt. Was er nicht wusste, aber wohl ahnte.

Runz fördende Staaten können zu unseren Zeiten im Grunde ihren gesamten Staatshaushalt damit finanzieren und auch für Rodobar war seine Entdeckung ein Glücksgriff. Entlang den Seidenstraßen der damaligen Welt entwickelte sich ein reger Runz-Handel – auch wenn es für Runz damals noch keine Verwendung gab. Es sei denn, man erkennt seine Eigenschaften für das Aktion-Reaktionsschema. Da sieht die Welt dann schon ganz anders aus. Runz war ein wenig wie Gold, nutzlos aber selten, daher wertvoll.

Reisen wir weiter in der Geschichte der Welt. 1321 ist das „Jahr des milden Sommers“. Gronoald, der Große, steht an einer Ausgrabungsstätte und stößt auf Rodobars Runz-Vorräte. Hätte er erkannt, was er da vorgefunden hatte, hätte er sein Imperium retten können. Doch weil er sich beim Anblick des Runz‘ nichts dachte in Unkenntnis der Berichte über Rodobar VII., ließ er die Stätte wieder zuschütten und ging mit seinem Reich in Begleitung eines milden Sommers unter.

Zurück in meiner Küche im Jahr 2016, 36 oder 37 n.S. Meine Mitbewohnerin kommt in die Küche geschlendert, sehr verpennt natürlich, und fragt leicht gereizt, was es mit dem Lärm auf sich habe. Ich kläre sie auf:

„Merugin hat uns Runz gebracht. Nachts um drei.“

„Ah. Okay“, sagt sie und geht wieder ins Bett.

Jetzt ist Dienstagabend und in meiner Küche steht nach wie vor ein Karton mit Runz. Allerdings fehlt etwas von dem Runz. Ich fragte just meine Mitbewohnerin, die wegen des Runzes die Küche derzeit meidet, ob sie etwas vom Runz genommen habe.

„Was soll ich mit deinem kack Runz? Schaff‘ es weg!“

Das sagt natürlich nur jemand, der keine Vorstellung davon hat, wie man Runz wegschafft. Und die Gelegenheit, es dem Strahlenschutz mitzugeben, habe ich verpasst. Heute Nachmittag.

Gegen 16 Uhr rief ich meine Nachbarin Lara an, um sie in die Nummer mit reinzuziehen.

„Lara, ich habe hier ein Problem in meiner Küche.“

„Seppo, vermutlich bist du das Problem. Außerdem habe ich selber eines in meinem Schlafzimmer.“

„Lass uns bitte jetzt nicht über deine Schlafzimmer-Probleme sprechen. Ich löse sie gerne morgen noch alle.“

„Seppo, du verstehst nicht. Ich habe hier einen toten Merugin in meinem Bett liegen. Ich wachte heute Morgen auf und griff ein eine Blutlache voll Blut.“

„Das haben Blutlachen so an sich. Ich komme hoch.“

Sie wohnt zwei Etagen über mir und bezog gerade das Bett neu, als ich reinkam. Ich hielt das für eine schlechte Idee, aber Lara war der Meinung, dass sie unmöglich die Polizei rufen könne, da Merugin nicht die erste Leiche in ihrem Bett sei.

„Wer war die erste?“, wollte ich wissen.

„Ein Herzinfarkt. Lange her. Rühren wir nicht an der Geschichte. Aber noch einmal glaubt mir das niemand.“

„Lara, ich habe Runz in meiner Küche. Merugin hatte es mir gebracht. Die Hälfte fehlt. Und jetzt ist Merugin tot. Und warum eigentlich lag er neben dir im Bett?“

„Das weiß ich halt nicht!“

Es bleiben Fragen offen. Merugins Ableben erscheint nebensächlich angesichts der Tatsache, dass ich Runz in der Küche stehen habe, dessen Halbwertszeit mir ein Rätsel ist. Der Strahlenschutz, der nur zufällig in der Gegend war, verwies auf sein enges Zeitkorsett, was den Strahlenschutz für mich nun etwas unglaubwürdig macht.

Wie es meine Art ist, werde ich über diese seltsamen Ereignisse weiter informieren, sobald sich Neues tut.


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