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„Fieber live“, „Grippe & Co.“ und „Mobilität heute“ sind nur drei der neuen TV-Magazine, die ich demnächst moderieren werde. Es gibt in Deutschland den etwas neidschwangeren Begriff der „Moderationsmaschine“. Es handelt sich dabei um einen Typ Moderator, den wir praktisch jeden Tag im Fernsehen sehen mit einer nach ihm benannten Gesprächssendung und der Moderation diverser Event-Shows, die gerne ohne Event daherkommen.

Die Deutschen haben ein Problem mit ihren „Stars“. Thomas Gottschalk wurde rund 40 Jahre für seine Darbietung von „Wetten, dass ..?“ in Grund und Boden kritisiert, obwohl die Quote abgesehen von den letzten Jahren des Niedergangs immer sensationell war, und auch obwohl zwei andere gezeigt haben, dass er es eben doch besser konnte.

Mit Harald Juhnke hatten wir einen Beinahe-Weltstar, der damit haderte, dass das nicht erkannt wurde und bei vielen merken wir erst, was wir an ihnen hatten, wenn sie überraschend dahinscheiden. Das ist für mich das eigentlich „typisch deutsche“, das Schlechtmachen des eigenen Landes, der eigenen Gesellschaft und ihrer herausragenden Persönlichkeiten. Möglicherweise ist das in der Tat immer Neid, der dahintersteckt, aber ich bin mir da nicht sicher.

Ich selber nehme mich davon nicht aus. Mir ging – schon vor dieser kuriosen „Satire-Affäre“! – Jan Böhmermann etwas auf den Zeiger, da er zu jedem Furz auf allen Kanälen den Gegenfurz loslässt und er Dauergast auf meiner Facebook-Chronik ist, weil er wieder was „Lustiges“ von sich gegeben hat, auch wenn ich ihn gar nicht abonniert habe. Das meiste ist auch wirklich lustig, aber irgendwann stelle ich mir die Frage, wann es nur noch um die bloße Provokation geht – was ich wieder ganz unabhängig vom „Schmähgedicht“ frage. Irgendwann geschieht etwas und man ahnt, morgen kommt seine Replik dazu. Das ist mir zu vorhersehbar.

Nachdem Johannes B. Kerner wirklich das komplette ZDF-Programm vor seinem Weggang zu Sat.1 (den man nur gemerkt hatte, weil er nicht mehr beim ZDF war und nicht etwa, weil er bei Sat.1 war) moderiert hatte, tat Markus Lanz es ihm nach und damit auch das, was Pilawa der ARD war. Oder ist. Er ging auch. Zum ZDF. Dann wieder zurück. Glaube ich. Überhaupt, diese ganzen „Shows“ der Öffentlich-Rechtlichen, die darin bestehen, prominenten Paarungen Fragen zu stellen. Stets dabei: Armin Rohde, meist mit Zopf, nun aber wieder mit kurzem Haar. Seltsamerweise stimmen die Quoten. Aber mit Kreativität haben diese Konzepte nichts zu tun.

Günther Jauch, der zu meinem Ärger seine Geburtsstadt Münster verleugnet, ist vielleicht der einzige, dessen Dauerpräsenz den Deutschen nicht stört. Möglicherweise, weil er der Prototyp des Deutschen ist, was ihn mir vielleicht auch so sympathisch macht. Dieses Spießige an ihm, das Bodenständige, das eben doch mit einem erheblichen Witz einhergeht.

Was die Deutschen nun wirklich nicht können, sind Preis-Verleihungen. Zuletzt den „Echo“ gesehen. Barbara Schöneberger versuchte, ihn zu moderieren und leider hatte sie sich die Scherze vorher zurechtgelegt, die sie teilweise recht holprig zum Besten gab. Und wie sie versandeten! Man erahnte die Pointe und erkannte sie letztlich am Schweigen des Publikums in der Halle, in deutschen Shows gerne „Saal“ genannt. Ich hing auf der Couch vorm Fernseher und war fassungslos. Schlimmer war nur Katarina Witt, wenn sie das „Bambi“ „moderierte“. Was denken sich die Verantwortlichen, wenn sie irgendwo sitzen und überlegen: „Wer soll die Show moderieren?“ Sagt dann einer:

„Auf keinen Fall jemand vom Fach, vom Fernsehen, der es könnte. Wie wäre Katarina Witt?“?!

„Au ja!“

Nicht, dass ich es besser könnte. Dennoch darf ich es ja wohl kritisieren, denn ich beschwere mich ja auch, wenn mein Gas-Wasser-Installateur das Klo verkehrt herum installiert. Ich könnte es nicht besser, darf aber wohl klagen, denn immerhin schimpft er sich ja Fachmann.

Ich moderiere vielleicht auch über den April hinaus seit drei Jahren einige Minuten pro Tag. Ich bilde mir ein, das abseits von Schwächephasen dezent zu beherrschen, zumindest kann ich nichts anderes. Auf diese Weise moderiere ich auch privat übergangslos weiter, wenn ich aus der Sendung komme.

Was in der Wohnung meiner Mitbewohnerin und mir fehlt, ist die „Stimme aus dem Off“, die allabendlich mein Betreten der Wohnung ankündigen müsste. Aber ich übernehme das gerne. Sobald ich also die Tür öffne und meine Mitbewohnerin zugegen ist, heißt es feierlich:

„Meine Damen und Herren, hier kommt: Sebastian Flotho!“

Am ersten Abend gab es noch Applaus seitens meiner Mitbewohnerin, jetzt, vier Jahre später, höre ich leise Buh-Rufe, lasse mich dadurch aber nicht irritieren, tue es Heinz Wäscher aus „Kein Pardon“ nach.

„Erleben Sie nun live, wie der Underdog-TV-Star Seppo sich die Bartwichse aus dem Bart wäscht!“

Das ist das erste, was ich abends tue und es wird auch für mich weniger langweilig, wenn ich es anmoderiere. Mich stört auch mitnichten, wenn ich aus dem Nebenraum höre:

„Das interessiert niemanden! Kennt denn deine Selbstdarstellung keine Grenzen?!“

„Nahein!“

Vorgestern Abend moderierte ich bei uns im Bett ein Sport-Event. Ich forderte meine Mitbewohnerin zum Armdrücken heraus. Ich wollte wissen, ob sie mir weit voraus ob ihres täglichen Trainings ist. Sie hat einen Unterarm-Muskel – ich weiß gar nicht, wie der heißt -, den sie anspannen kann, sodass plötzlich eine Wölbung aus ihrem Arm herausguckt. Das ist beängstigend. Und so ging die erste Runde auch an sie, was mich kurzzeitig aus meinem Moderationskonzept brachte, sodass wir das Ganze am Küchentisch unter regulären Bedinungen wiederholen mussten. Da habe ich dann klar gewonnen, alles andere hätte mir an dem ohnehin mies verlaufenen Tag den Rest gegeben.

Vorsichtshalber habe ich mir aber einen Unterarm-Trainer zugelegt, um da nicht ins Hintertreffen zu geraten. Kollegin Sophie nannte ihn nicht ganz zu Unrecht „Wichs-Trainer“, letztlich ist es eines dieser Teile, die man mittels Finger- und eben Unterarm-Kraft zusammendrückt. Es ist kurios, aber heute leide ich an Muskelkater in der Hand.

Nicht so gut kommt es an, wenn ich meinen Orgasmus anmoderiere:

„Meine Damen und Herren: der Orgasmuuuuuuuuus!“

Es geht nämlich gar nicht, wenn man während des unaufhaltsamen, wenn erst einmal in Gang gekommenen Orgasmus‘ beschimpft wird. In dem Moment weiß man nicht, ob man sich nun dem Höhepunkt hingeben oder auf die Beschimpfungen eingehen sollte. Ich brachte erst das eine hinter mich, um mich dann der Kritik zu erwehren.

„Ich hielt es für komisch.“, argumentierte ich.

„Ich halte es für einen Stimmungskiller.“, argumentierte sie.

Ich glaube, wir beide hatten irgendwo Recht, aber ich sage mal so: Nochmal werde ich das sicherlich nicht tun, schreibe es aber gerne in meinen Lebenslauf mit hinein.

März 2015: Orgasmus anmoderiert


Diverse Moderations-Beispiele sind hier und auf meiner Facebook-Seite zu finden.

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