mann

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Seit einigen Monaten fällt mir auf, dass es momentan ein Bedürfnis nach der Beantwortung der Frage gibt, was den Mann in unseren gender-bewegten Zeiten ausmacht.

Es begann gestern, als ich mich mit der mannigfaltigen Funktionsweise eines „chest expanders“ über diverse Youtube-Videos kundig gemacht habe. Ein Knaller war jener Typ, eine Kante ungeahnten Ausmaßes, der während des Übungs-Vollzugs eine unübersehbare Erektion bekam. Das war mehr Manneskraft, als ich mir von dem Sport-Video erhofft und vor allem gewünscht hatte.

Ein Geschlechtsteil also in seiner vollsten Pracht. Durchaus beeindruckend, ich wurde etwas neidisch. Wenn ich dann noch einkalkuliere, dass der Typ vielleicht penisschrumpfende Anabolika zu sich nimmt … kann er mit seinem Penis Hanteln stemmen? Ein Selbstversuch ruft …

Heute morgen dann stieß ich in der „Süddeutschen Zeitung“ auf einen Artikel, wo es um jemanden ging, der sagt, es gebe im Grunde keine Geschlechter differenzierenden Geschlechtsteile, er sprach nur von „vermeintlichen“ Geschlechtsmerkmalen. Der Penis beziehungsweise die Mummu seien nur durch die Gesellschaft zu Geschlechtsmerkmalen gemacht. Das sagt ein Mann. Alter, verleugne nicht dein stolzes Glied!

Das ist so albern, dass man sich damit nicht groß aufhalten sollte, was ich aber gerade tue. In der Regel gilt: Penis gleich Mann, Vagina gleich Frau. In der Regel. Aber das sind dann eben diese Auswüchse des Gleichmachens, dessen Beweggründe mir unbegreiflich sind. Warum zur Hölle sollen Frau und Mann gleich sein?! Sie sind es nicht. Das ist doch das Tolle! An Frauen reizt mich persönlich doch exakt die Tatsache, dass sie anders sind. Und ich nehme an, dass es sich umgekehrt ebenso verhält. Und um politisch bloß korrekt zu bleiben: Wer aufs gleiche Geschlecht steht – auch okay. Mir latte in diesem Zusammenhang.

Dass diesen Text ein Mann schreibt, erkennen wir an der Penislastigkeit.

Und warum ist es immer sofort sexistisch, wenn jemand sagt, eine Frau habe andere Fähigkeiten als ein Mann?! Im Grunde verstehe ich die komplette Debatte nicht und ignoriere sie weitestgehend.

Ein Auswuchs der Debatte ist dann wohl die häufig gestellte Frage, ob sich der Mann neu erfinden müsse. Die „Welt am Sonntag“ behauptet das. Da kann man zweierlei zu stehen: Er muss es nicht, denn er ist so oder so Mann. Oder: Er muss es, weil es irgendwie en vogue ist, das zu fordern. Denn ich glaube, viel mehr steckt nicht dahinter. Oder fühlt sich hier wirklich jemand als Mann bedroht durch die mitunter völlig überzogene Übergleichberechtigung der Frau, die natürlich die gleichen Rechte haben soll wie der Mann?! Ich erbreche gerade schon beim Schreiben des vergangenen Satzes, da es mich so langweilt, das Selbstverständliche zu schreiben. Aber dennoch die Frage: Muss auch ich mich neu erfinden?

Das Bild zum Artikel zeigt (natürlich) zwei Extreme des Mannes: den bärtigen und tätowierten im Unterhemd sowie den aalglatten Anzugträger ohne Bart. Da finde ich mich schon einmal nicht wieder, ich bewege mich wohl dazwischen. Ich bin so ein unerträglich spießiger Durchschnittstyp. Ein Normalo. Aber was ich ablehne, plakatiert eher der Anzugträger: dieses gesichtslose, glatte, schmierige und langweilige. Könnte ein Weichei sein. Das will uns die Bildkomposition natürlich sagen.

Hingegen wird man mich nie im Holzfällerhemd antreffen. Ich würde das Feuerholz bereits fertig portioniert einkaufen und nicht selber schlagen. Man darf mir keine Axt in die Hand dürcken, selbige würde ich beim Holzschlagen verlieren.

Der moderne Mann sehe männlicher aus als je zuvor. Trägt Bart (auch wenn die Trendwende bereits eingeläutet ist), verzichtet auf Körperfett, brüllt seine Wut heraus und pumpt im „Gym“. Es heißt nun „Gym“. Das muss man wissen. Also, die Fassade wird zunehmend männlicher, aber wie das mit Fassaden so ist, hinter ihnen verbergen sich Selbstzweifel. Das sage nicht ich, das sagt der Autor des Artikels.

Ja, ich trage Bart, brülle bei der Parkplatzsuche, habe einen Körperfettanteil von bedenklichen elf Prozent und pumpe ebenfalls, wenn auch nicht im „Gym“, sondern vor Youtube-Videos mit Männern samt Erektion. Ich bin also Testosteron pur. Wir können hier aufhören. Ich habe meine Rolle bereits gefunden.

Aber auch ich habe ein „Hinter der Fassade“. Aber was spricht gegen Fassaden?! Ich kann doch nicht jederzeit mein Inneres nach außen kehren?! Das tue ich privat gegenüber den engsten Freunden, nach außen hin hat das niemanden zu interessieren. Und in diesem Zusammenhang darf natürlich eine klassische Frage nicht fehlen: „Dürfen Männer weinen?“ Natürlich nicht. Hehe. Hier werde ich unglaubwürdig. Ich finde die Frage aber auch schon albern. Wer will es mir denn verbieten?! Außerdem stehen viele Frauen doch genau darauf: Außen hart, innen angemessen sensibel. Wobei natürlich tägliches Heulen einen guten Grund haben sollte.

Ein paar Dinge hat man dem Mann jedoch genommen. Im Stehen schiffen ist nicht mehr erlaubt, in romantischen Komödien sind Männer meist Trottel (immerhin liebenswerte) und Männerzeitschriften wie „Seppos Health“ raten ihm, sich innerhalb der nächsten acht Wochen einen Waschbrettbauch zuzulegen. Wir stehen nun auch unter dem Druck eines gewissen Schönheitsideals, auch – und das habe ich mir von einer Parade-Frau glaubhaft bestätigen lassen – wenn Frauen durchaus ein kleines Bäuchlein als wünschenswert erachten. Ich hingegen bin stahlhart.

Den Druck eines optischen Ideals spüre ich selber natürlich auch und tue jetzt nicht so, als wäre mir das völlig egal. Ich hielte das auch für unglaubwürdig, für so glaubwürdig wie den Dicken, der mit seinen 200 Kilogramm absolut zufrieden sei. Warum ergehe ich mich selber seit einigen Monaten so dermaßen im Sport? Eifere ich einem Mann-Ideal nach?

Das wäre zu einfach. Vielleicht, ja, da könnte was dran sein, aber jeden Tag stelle ich schon während des Krafttrainings fest, wie gut es tut. Auch seelisch. Was absolut unmännlich klingt. Und ja, man fühlt sich in dem Moment unter Hinzunahme dröhnender Musik, während man massiv schwitzt, schlicht weg mal so richtig geil. Das ist natürlich ein trügerisches Bild, das einem sportbedingt ausgeschüttete Hormone vorgaukeln. Es ist ein Rausch. Aber ein gesunder, dem eben kein Kater folgt.

Und weil soviele einem Schönheitsideal folgen, schießen auch überall „Barber-Shops“ aus dem Boden. Würde meine Mitbewohnerin mir nicht immer zweimal wöchentlich Haupt- und Barthaar frisieren, wäre ich dort ebenfalls Kunde. Der Mann wird also eitler, aber diese Barbiers hat es auch früher schon gegeben.

Ich verfüge inzwischen über eine stattliche Sammlung von etwa 55 verschiedenen Bart-Pflegeprodukten. Ich habe da etwas den Überblick verloren und stelle im Vergleich zu meiner Mitbewohnerin fest, dass ich in diesem Punkt weiblicher bin als sie. Der männliche Konsument lege aber Wert darauf, dass seine Pflegeprodukte auf jeden Fall männlich, „kernig“, aussehen müssen! Und sie müssen besonders teuer sein. Ich würde mir auch keine Pomade für einen Euro 99 Euro kaufen. Müssen schon zehn Euro sein! Ist männlicher.

Während ich den „Welt“-Artikel so lese, stelle ich fest, der Mann ist zum Hybrid-Wesen geworden. Es wird mehr Gewicht auf Männlichkeit gelegt (was ich nur unterstützen kann, da ich diese metrosexuelle Nummer irgendwie als würdelos empfinde), die aber durch weibliche Methoden erreicht werden soll. Das ist ein Konflikt, ein Widerspruch, das kann eigentlich nicht gut gehen.

Der zweiseitige Artikel endet so belanglos, wie er begann und beantwortet damit die eingangs hier gestellte Frage, warum permanent über das neue Mannsein geschrieben wird. Weil es ein Trend ist, das zu tun. Und weil Spinner wie ich es lesen. Warum überhaupt lese ich „Springer“-Presse?!

Laufen da draußen wirklich Männer rum, die mit ihrer Rollendefintion hadern? Ein echter Mann hadert nicht. Reißt Euch mal zusammen und seid den Frauen das, was sie haben wollen, nämlich ein Mann.


Da hat aber jemand ein männliches Facebook-Profil!

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